Das Kind schreit, schnieft und hustet. Das Thermometer zeigt Temperaturen jenseits der 38 Grad an – Fieber. Eine schlaflose Nacht steht wohl der ganzen Familie bevor. Das Szenario spielt sich diesen Winter in etlichen Haushalten ab. Die Erkältungsviren machen den Alltag für viele zum Albtraum. Wenn das Kind offensichtlich vor Schmerzen nicht schlafen kann, dann leiden auch Mutter und Vater mit.
Steigt das Fieber zu stark an oder sind die Schmerzen offensichtlich zu stark, dann verordnen Ärzte Fiebersaft für Kinder. Doch der ist seit einigen Monaten Mangelware, und das aus unterschiedlichen Gründen. Ausgangsstoffe fehlten oder die Glasfläschchen und Verpackungsmaterial. Einer der Anbieter sagte im Sommer 2022 die Winterbevorratung ab. Eine ungünstige Mischung, wenn dann auch noch eine schwere Erkältungswelle anrollt.
Wenngleich die Welle abebbt, die Politik griff ein, um die Lage zu entspannen. Die Lieferungen wurden reglementiert und Apotheken erlaubt, den Fiebersaft in größeren Mengen selbst herzustellen.
„Gefühlt schauen wir alle zwei Stunden nach wegen des Fiebersafts“, sagt der Pharmazeutisch Technische Assistent Michael Skatrut. Er arbeitet in der City Apotheke und erzählt, dass es im Grunde eine Person gibt, die sich ausschließlich mit der Bestellung des begehrten Fiebersafts befasst. „Seit etwa einem halben Jahr gibt es das Problem.“
Man bekomme zwar inzwischen wieder was beim Großhandel, aber man müsse schnell sein. „Sonst bekommt man vielleicht zwei Fläschchen im Monat, wenn man sich nicht kümmert“, schätzt der PTA.
Handarbeit kostet mehr
In der Altstadt Apotheke, nur wenige Gehminuten von der City-Apotheke entfernt, hat man sich eine andere Lösung überlegt. Winfried Radinger und sein Team haben Fiebersaft und Zäpfchen hergestellt. „Wir hatten die Fertigarznei da noch im Vorrat, als wir auf die Idee gekommen sind“, sagt der Apotheker.
Aber die Nachfrage sei im Dezember und Anfang Januar derart hoch gewesen, dass der Vorrat wohl nicht ausgereicht hätte. Für den Pharmazeuten gehört es zum Berufsalltag, Arzneien selbst herzustellen. Vor allem von Hautärzten kämen oft spezielle Wünsche für Salben, die es so auf dem Markt nicht unbedingt gibt.
Also kein Hexenwerk für die Mitarbeiter der Altstadt Apotheke. Die Grundsubstanz Paracetamol, eine Trägerflüssigkeit und Aroma bilden zusammen die Rezeptur für den Fiebersaft. In 50ml Fläschchen gibt es das Medikament zu kaufen, das entweder mit Orangen- oder Erdbeeraroma schmackhafter gemacht wird. Der Preis? Ungefähr das Doppelte von dem, was der Fiebersenker von einem großen Pharmahersteller kostet.
„Unser Fiebersaft kann nicht billiger sein als die Fertigarznei“, sagt Winfried Radinger. Und das aus einem einfachen Grund: Die großen Hersteller kaufen Zutaten und Fläschchen in riesigen Mengen zu entsprechend guten Konditionen ein. „Handarbeit kann nicht billiger sein.“

Neben dem Saft zum Schlucken hat das Team auch Zäpfchen mit fiebersenkender und schmerzstillender Wirkung hergestellt. Das sei schon etwas komplizierter, aber auch Alltag.
Das Schmelzen der Grundmasse, den Wirkstoff einarbeiten, dann alles in die Form gießen, auskühlen lassen und schließlich verpacken und etikettieren. Die Prozedur kennen die Mitarbeiter gut. Für Babys mit Dreimonatskoliken gibt es in der Altstadt Apotheke spezielle Zäpfchen mit Fenchel, Lavendel, Kümmel und ätherischen Ölen. „Die machen die Kinder und Eltern glücklich“, sagt der Pharmazeut.
Die fiebersenkenden Zäpfchen machen Eltern kranker Kinder sicherlich auch glücklich, wenn die Familie endlich wieder eine Nacht durchschlafen kann.

Christoph Riesner, Inhaber der Flora Apotheke an der Langen Straße in Habinghorst, hat die hohe Nachfrage nach Kinderfiebersaft auch miterlebt. Auch er hätte zur Not den Saft selbst herstellen können, nötig sei es aber nicht gewesen. „Im Notdienst hatten wir immer genug da“, sagt er zu der Hochphase der Erkältungswelle im Dezember. Gerade im Notdienst sei der Fiebersaft das A und O in einer Apotheke.
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