
Die Bilder riefen sofort eine Analogie in meinem Kopf hervor. Sie geht seither nicht mehr weg, auch wenn sie sich nicht bis zum Ende halten lässt: Die Familien-Straßenschlacht am Donnerstag auf der Wartburgstraße, bei K+K und am Kreisverkehr erinnert an Ausschreitungen von Hooligans. Die Dinge zu vergleichen, hilft, die Lage zu verstehen. Wir haben ein Problem mit einer Faszination von Gewalt. Aber wie stark tangiert das eigentlich unsere Gesellschaft?
Von vorne: Menschen rennen über die Straße, schlagen wild aufeinander ein. Hier ein Faustschlag, da ein paar Tritte. Polizisten ohne besondere Schutzuniform oder Helm stehen ratlos und machtlos dazwischen. Sie schützen sich, versuchen, irgendetwas zu tun, aber können doch nichts verhindern. Sie haben keinen Überblick, was um sie herum geschieht, wer gegen wen kämpft und warum überhaupt.
„Wir haben Angst.“ Doch wovor?
Eine oder zwei Stunden später sagen Anwohner uns, während rund 100 Polizisten das Gelände absichern: Wir haben Angst. Angesichts der Bilder nachvollziehbar, aber: Die Ausschreitungen richten sich nicht gegen sie. Die Beteiligten schlagen sich untereinander, Dritte interessieren sie nicht. Faktisch und emotionslos betrachtet: Muss man da als Beobachter eigentlich Angst haben?
Die Leute, die sich prügeln, machen das aus verletztem Ehrgefühl, aus Familien- und Freundes-Verbünden. Sie wollen Macht demonstrieren. Gegenüber dem anderen Clan, aber auch gegenüber unserer staatliche organisierten und gesetzesbasierten Gesellschaft. Es geht ums Posing, um Selbstdarstellung, vielleicht auch einfach um Adrenalin. Fragen Sie mal einen Hooligan, warum er sich mit Anhängern anderer Fußballclubs prügelt.

Was das alles kostet
„Auf Kosten des Steuerzahlers“, wurde am Rande der Schlacht von Donnerstag und der Vernehmungen am Freitag in Merklinde von einigen Leuten höhnisch daher gesagt. Sprich: Es gibt Beteiligte, die sich daran ergötzen, wenn sie eine möglichst große Szene provozieren. Hubschrauber, Hundertschaft und Co.: Das ist für manche eine Trophäe. Um dann zu lästern: Die können uns nichts nachweisen in ihrem sogenannten Rechtsstaat.
Wer privat krankenversichert ist und Arztrechnungen zu sehen bekommt, der weiß, dass allein ein kurzer Krankentransport per Rettungswagen ins Krankenhaus mit Notarzt-Begleitung mit weit über 1000 Euro abgerechnet wird. Wer gesehen hat, wie viele RTW am Donnerstag an der Wartburgstraße standen...; wer bedenkt, dass Männer auf Intensivstationen lagen, notoperiert wurden, dass ein älterer Herr im OP-Hemd und mit verbundenen Wunden in Merklinde auftauchte...

Ein Kolosseum bei Dehner bauen
Für Hundertschaften, die sonst ja vermutlich gar nichts zu tun gehabt hätten, könnte man das noch als Training im Ernst-Modus bezeichnen, wenn man bissig sein möchte. Aber auch das kostet alles Zig- und Hunderttausende Euro. Und wir alle sollen das bezahlen?
Ein Kommentator unter einem unserer Internet-Beiträge machte in dieser Lage eine humorvoll-bissige Anmerkung: Auf der Dehner-Brache ganz in der Nähe des Schauplatzes von Donnerstag könne man ja ein Kolosseum bauen. Es war Sarkasmus. Aber gibt es echte Lösungen?
Schrei nach Abschiebung
Menschen schreien heute nach Abschiebung und geschlossenen Grenzen. Das ist unsachlich, weil es gar nicht geht und nicht sein darf. Weil unserer Erde so auch nicht funktioniert, wenn alle sich abschotten. Unter den Beteiligten sind viele deutsche Staatsbürger. Auch solche, die den Rechtsstaat nicht anerkennen. Sie denken, sie hätten ihr eigenes Recht.
Darum will manch einer hier das System umstürzen. Rechtsstaat und Demokratie aber sind unsere Grundsätze. Sie müssen es bleiben. Alles andere, das hat uns unsere Geschichte gelehrt, führt auf schlimmste Abwege. Aber unser Staat muss schnell, robust und klar sein.
Hat schon jemand das „Perpetuum Mobile“, die Maschine, die immer weiter läuft und ihre eigene Energie erzeugt, erfunden? Denjenigen sollte man hierzu nach einer Lösung befragen. Der Hooliganismus der 80er-Jahre ist heute nicht mehr da, auch wenn es immer noch Fußball-Randale gibt.
Oberstaatsanwalt zur Massenschlägerei: „Wir dulden diese Selbstjustiz unter keinen Umständen“
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