Katrin Wältermann hat eine klare Meinung zu dem Thema: „Das ist einfach eine Frechheit“, findet sie – und sagt auch, worin die Frechheit besteht. „Dass ich auf meinem eigenen Grundstück nicht tun und lassen kann, was ich will.“ Sie und ihre Schwester stehen im Garten ihres Hauses an der Wittener Straße. Die Stadt Castrop-Rauxel hat die Frauen aufgefordert, den Pool in ihrem Garten zurückzubauen.
Seit 2012 stehe der dort, eingelassen ins Erdreich. „Unsere Kinder nutzen den Pool häufig“, sagt Yvonne Wältermann. Die beiden Schwestern und ihre Eltern wohnen seit 2005 in dem Mehrfamilienhaus. „Als wir das Haus gekauft haben, war hinterm Gartenzaun nur ein freies Feld“, erzählt Yvonne Wältermann. „Das hat sich ja mittlerweile geändert.“
Neue Siedlung veränderte alles
Hinter dem Haus von Familie Wältermann steht mittlerweile eine Pfeifengrundstückssiedlung. Einige Häuser dieser Siedlung an der Agnesstraße grenzen unmittelbar an den Garten der Wältermanns. „Dieser Neubau wurde durch eine Sondergenehmigung der Stadt ermöglicht“, erzählt Yvonne Wältermann.
Für die Familie habe das negative Konsequenzen gehabt: „Uns ist der Garten abgesackt, weil die neuen Häuser unterkellert wurden und durch Bäume und Sträucher der neuen Nachbarn hatten wir viel mehr Schatten im Garten.“ Nach vergeblichen Aufforderungen, beispielsweise einen Haselnussstrauch zurückzuschneiden, seien sie den Rechtsweg gegangen, sagen die beiden Schwestern.
„Wir haben jetzt nicht jeden Tag Zoff hier am Gartenzaun, sondern wir kommunizieren im Prinzip nur über Anwälte“, berichtet Katrin Wältermann. Der betroffene Nachbar sei dann auch derjenige gewesen, der sich an die Stadt gewandt habe und so den Pool-Rückbau anstieß. Unserer Redaktion hat die Stadt Castrop-Rauxel mitgeteilt, sie sei „zur Prüfung von Beschwerden und ggf. zur Durchsetzung rechtmäßiger Verhältnisse verpflichtet“.
Keine schriftliche Genehmigung
Als sie den Pool kauften, hätten sie bei der Stadt nur mündlich erfragt, ob sie dafür eine Genehmigung bräuchten, erinnert sich Yvonne Wältermann: „Damals hat uns eine Mitarbeiterin der Stadt versichert, dass wir dafür keine Genehmigung brauchen, weil es sich ja nur um einen Stahlwandpool handelt, der nicht fest verbaut ist.“

„Wir haben daraus gelernt, dass wir damals so naiv waren“, hält Katrin Wältermann fest. „Heute würde ich mir sowas immer schriftlich geben lassen.“ Da der Bebauungsplan nach dem Bau der Siedlung hinter ihrem Haus geändert worden sei, habe sich für die Eigentümer an der Wittener Straße ein zentraler Punkt geändert: „Unsere Grundstücke sind jetzt nur noch zur gärtnerischen Nutzung freigegeben“, so Yvonne Wältermann.
Die Stadt Castrop-Rauxel könne „mündlich getroffene Aussagen über Baugenehmigungen nach einem Jahrzehnt verständlicherweise nicht nachprüfen“, sagt Sprecherin Nicole Fulgenzi. Die inhaltliche Aussage von damals sei aber nach wie vor richtig. Für Pools „bis 100 Kubikmeter Volumen“ (das entspricht beispielsweise 8x5 Metern bei einer Wassertiefe von 2,50 Meter) brauche man keine Baugenehmigung.
Trotzdem könne ein solcher Pool gegen andere Vorschriften verstoßen, so die Stadt. So könne ein Bebauungsplan „ausschließen, dass ‚Nebenanlagen‘ in Grundstücksbereichen errichtet werden. Dies gibt es häufiger bei nachverdichteten Grundstücken im hinteren Grundstücksteil.“
Entscheidend für die Wältermanns ist, was am Ende steht: Ihr Pool muss weg. Das sei für die Familie einschneidend: „Yvonnes Tochter ist eine erfolgreiche Schwimmerin. Sie nutzt den Pool oft zum Training mithilfe eines Zugseils“, erklärt Katrin Wältermann. Viel schwerwiegender würde sich ein Abbau des Pools aber auf ihren Sohn auswirken.
Familie sieht Diskriminierung
Denn Joelvin ist an atypischem Autismus erkrankt. „Mein Sohn braucht klare Strukturen und Regeln. Mit neuen Entwicklungen kann er nicht gut umgehen“, berichtet Katrin Wältermann. Außerdem nutze er den Pool auch zu Therapiezwecken. Die Wältermanns fürchten, dass ein Rückbau des Schwimmbeckens sich negativ auf Joelvins Entwicklung auswirken könnte.
„Das haben wir sogar schwarz auf weiß“, meint Yvonne Wältermann. Die Autismus-Therapeutin des Neunjährigen teile die Befürchtungen, dass ihr autistisches Kind in seinem Fortschritt stark beeinträchtigt werden könnte. „Die Stadt will uns trotzdem keine Sondergenehmigung erteilen, damit wir den Pool weiter nutzen können“, sagt Yvonne Wältermann.
„Es kann einfach nicht sein, wie wenig Rücksicht die Stadt auf Menschen mit Behinderung nimmt. Das ist Diskriminierung“, so Yvonne Wältermann. Sie richtet sich auf ein stressiges Jahr ein, weil man Joelvin langsam an die neue Situation gewöhnen müsse. „Ich werde das Tag für Tag aufs Neue erklären müssen, dass der Pool weg ist“, fürchtet Katrin Wältermann.
Die Stadt wehrt sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung: „Die Regelungen gelten allgemein und personenunabhängig diskriminierungsfrei für jedermann“, sagt Stadt-Sprecherin Fulgenzi. Ihr zufolge würden die Rechte der Eigentümer genau wie auch die der Nachbarn neutral gewahrt.
Dieser Begründung der Stadt können die Schwestern nichts abgewinnen: „Die Stadt hat uns gesagt, dass wir keine Sondergenehmigung bekommen können, weil andere dann auch eine haben wollen könnten. So ein Quatsch“, meint Katrin Wältermann. „Die Stadt muss das ja nicht groß verkünden.“ Die Behinderung ihres Sohnes sei einen individueller Grund für eine Sondergenehmigung.

Pool-Rückbau „ungerecht“
Für die Familie hängt viel an ihrem Pool. Dass sie ihn nun zurückbauen soll, sei schade, findet Katrin Wältermann: „Wir haben da sehr viel Arbeit reingesteckt. Wir haben ja alles selbst gemacht.“ Ihre Schwester Yvonne ergänzt: „Wir haben selbst gebuddelt, die Stahlwände des Beckens selbst gegossen. Das hat uns insgesamt bestimmt 2500 Euro gekostet.“
Hinzu kämen noch die Anwaltskosten und der Rückbau. Darüber hinaus sei es einfach ungerecht, dass die neu gebaute Siedlung die Familie in ihrer Gartennutzung eingeschränkt: „Unser Haus steht seit 1900 hier. Und jetzt müssen wir unseren Pool abbauen, weil dort neu gebaut wurde“, empört sich Katrin Wältermann.
Hinzu komme auch noch, dass der Nachbar aus der neuen Siedlung genau auf der anderen Seite des Zauns auch einen Pool stehen habe. „Der muss seinen Pool natürlich nicht abbauen“, meint Katrin Wältermann frustriert. „Aber wir, die hier schon viel länger wohnen, werden jetzt dazu gezwungen.“
Zur Not soll neuer Pool her
Die Entscheidung der Stadt, wonach der Pool nicht länger im Garten stehen darf, will Familie Wältermann nicht auf sich sitzen lassen. Zwar will sie der Aufforderung der Stadt nachkommen: „Im Frühjahr bauen wir den Pool dann voraussichtlich ab“, sagt Katrin Wältermann. Langfristig will man aber nicht ohne eigenes Schwimmbecken bleiben.
„Wenn das Loch zu ist, wo der Pool jetzt drin ist, werde ich da einen Aufstellpool draufstellen – oder ein Trampolin.“ Dafür brauche sie keine Genehmigung, meint Katrin Wältermann. „Ob das unserem Nachbarn dann besser gefällt, wenn das Ganze sich höher und nicht mehr unten auf Bodenhöhe abspielt, würde ich bezweifeln.“