
© Dieter Düwel
Fahrradklima: Nur mäßige Noten für Castrop-Rauxel
Radfahren in Castrop-Rauxel
Bürgermeister Kravanja gibt dem Radverkehr eine Drei, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Clubs sieht Castrop-Rauxel nur im Vierer-Bereich. Wir haben Fakten und Kommentare zusammengefasst.
Auf Platz 74 von 106 teilnehmenden Städten seiner Größe bundesweit und mit der Note 4,1 landete Castrop-Rauxel im Ranking des ADFC Fahrradklima-Tests 2018, der in der letzten Woche in Berlin veröffentlicht wurde. Bei der letzten Studie im Jahr 2016 wurde die Europastadt mit der Note 3,8 besser bewertet.
Im NRW-Vergleich liegt man auf Platz 30 von 40 Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern. Als Schwächen wurden die schlechte Reinigung der Radwege, der kaum vorhandene Winterdienst, die fehlende Falschparkerkontrolle sowie die schlechte Führung der Radfahrer an Baustellen genannt. Im Durchschnitt geben die Castrop-Rauxeler ihrer Stadt die Note „ausreichend“ für die Fahrradfreundlichkeit.
Radfahren in der Stadt verursacht Stress
Die Mehrzahl der Teilnehmer empfindet das Radfahren in der Stadt eher als Stress. Sie sind der Meinung, dass in jüngster Zeit kaum etwas für den Radverkehr getan worden ist. Erfreuliche Aspekte des Fahrradklima-Tests sind dagegen die häufigen und positiven Medienberichte sowie die geringe Quote von Fahrraddiebstählen.
88 Castrop-Rauxeler hatten an der bundesweiten Befragung teilgenommen, wie zum Beispiel Artur Poppe, der im Ruhestand häufig mit dem Fahrrad auf Castrop-Rauxels Straßen unterwegs ist und sich dort gut auskennt. Warum hat er an der Umfrage teilgenommen? „Ich bin immer schon sehr viel mit dem Rad unterwegs gewesen und möchte gern das Fahrradfahren fördern. Man muss das Thema wach halten. Jede Anregung, jede Idee, die man bei solchen Studien einbringen kann, kann ja vielleicht am Ende auch was bringen.“
Nicht gerade ein glänzendes Ergebnis
Mit dem Ergebnis des Fahrradklima-Tests für seine Stadt ist er natürlich nicht zufrieden: „Auf jeden Fall gibt es Verbesserungsbedarf. Wir sind zwar etwas besser als Köln oder Dortmund, aber mit der Schulnote „Vier“ kann man wirklich nicht glänzen.“
ADFC Ortsgruppensprecher Martin Kühl-Lukas äußerte sich gegenüber den Ruhr Nachrichten besorgt über die Ergebnisse der Studie: „Fahrradfreundlichkeit ist ein wichtiger Standortfaktor für attraktive Städte. Deshalb ist es bedenklich, dass sich die Castrop-Rauxeler auf dem Rad nicht wohl fühlen. Unser Test zeigt bei anderen Städten, dass kontinuierliche Radverkehrsförderung honoriert wird und sich in einem guten Verkehrsklima niederschlägt.“
Radwegeparker-Kontrollen könnten helfen
Kühl-Lukas weist darauf hin, dass schon mit kleineren Maßnahmen die Situation deutlich verbessert werden könnte, beispielsweise durch Radwegeparker-Kontrollen, mehr Tempo-30 Zonen oder radfahrerfreundliche Lösungen an Baustellen: „Lang- bis mittelfristig sollte das Radwegenetz unserer Stadt stark verbessert werden, insbesondere die Verknüpfung einzelner, baulich gut umgesetzter Radwegstrecken zu einem zusammenhängenden, sicheren Radewegenetz. Wichtig sind zudem ausreichende Fahrradparkplätze an Haltestellen, Einkaufsstraßen und öffentlichen Gebäuden!“
Der ADFC-Sprecher gibt auch zu bedenken, dass es in Castrop-Rauxel Straßen sowohl in kommunaler als auch überörtlicher Trägerschaft gibt: „Nicht immer arbeiten die zuständigen Behörden gemeinsam an einem Konzept bzw. oft beklagt man das fehlende Geld, mit dem Effekt, dass gar nichts passiert.“
Der ADFC und seine Rolle
- Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ist mit mehr als 175.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung der Radfahrer in Deutschland und weltweit.
- Als verkehrspolitischer Verein und als Fahrradlobby setzt er sich für die konsequente Förderung des Fahrradverkehrs ein. Der ADFC arbeitet mit allen Vereinen, Organisationen und Institutionen zusammen, die sich für mehr Radverkehr und für mehr Sicherheit und Umweltschutz im Verkehr einsetzen.
- Der ADFC ist in mehr als 450 Städten in Deutschland vertreten.
Laut ADFC sind jedoch nicht nur die Politik und die Verwaltung gefragt, ein geeignetes Radwegenetz zu planen und umzusetzen: „Das Thema ‚Verkehrswende‘ ist leider bei vielen Menschen noch nicht angekommen, die weiterhin auch bei kürzesten Strecken das Auto benutzen, zum Beispiel für die zwei Kilometer lange Fahrt zum Bäcker. Natürlich bedarf es auch eines Angebots für Radfahrer, analog dem Angebot für Autofahrer: je mehr und breitere Straßen gebaut werden, umso höher ist dann auch der Fahrzeugverkehr.“
Dagegen sieht Martin Kühl-Lukas positive Ansätze bezüglich der Bedingungen für den Radtourismus in Castrop-Rauxel: „Als Beispiele seien der Emscherradweg und der Radweg am Rhein-Herne-Kanal genannt, wobei es allerdings zum Erreichen dieser Wege innerörtlich an Hinweisen fehlt, ebenso wie an einer Vermarktung markanter Landmarken und Sehenswürdigkeiten in unserer Stadt. Hier fehlt es vor allem an einem Radbeauftragten innerhalb der Stadtverwaltung.“
Radkreuz wird skeptisch gesehen
Das Thema „Radfahrkreuz Habinghorst“, das die Verwaltung jetzt in Angriff nehmen will , um die B235 für Fahrradfahrer sicherer zu machen, sieht der ADFC-Sprecher recht kritisch: „Eine recht gute Nord-Süd- Verbindung existiert bereits auf der Bahnhofstraße/Wartburgstraße. Aus unserer Sicht erscheint es sinnvoller, den Radweg auf der Wartburgstraße bis zur Rhein-Herne-Kanal-Brücke vernünftig auszubauen.“
Diesem Vorschlag kann sich Artur Poppe nur anschließen. Für ihn ist der Abschnitt der Wartburgstraße zwischen Siemensstraße und Freiheitstraße ein großes Problem der Nord-Süd-Achse: „Vor allem an der Einmündung der Langestraße in die Wartburgstraße wird es für die Radfahrer gefährlich, da sie sich in den fließenden Autoverkehr eingliedern müssen. Ein Radweg beginnt erst wieder an der Freiheitstraße. Ich nehme an vielen Touren des ADFC in die Haard und ins Münsterland teil. Wenn man aus dem Süden der Stadt kommt und in Richtung Datteln oder Recklinghausen fährt, ist man als Radfahrer erheblichen Gefahren ausgesetzt. Die B235 kann man auch nicht entspannt befahren, da ist das Sicherheitsproblem noch größer.“
Fahrradklima hat sich weiter verschlechtert
Zurück zur ADFC-Fahrradklima-Studie. Martin Kühl-Lukas zieht ein eher düsteres Fazit aus dem bundesweiten Gesamtergebnis: „Das Fahrradklima, also die Zufriedenheit der Radfahrer, hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert, ebenso das Sicherheitsgefühl. Falschparker auf Radwegen, die schlechte Führung des Radverkehrs an Baustellen und die fehlende Breite von Radwegen sind die am meisten kritisierten Probleme. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass man Kinder nur mit schlechtem Gefühl allein mit dem Rad fahren lassen kann.“
Skeptisch betrachtet er die Ankündigung von Verkehrsminister Andreas Scheuer, der mit dem E-Scooter einen vierten Verkehrsteilnehmer begrüßen möchte: „Das hat zur Folge, dass sich dann Radfahrer, Fußgänger und E-Scooter einen Platz im Verkehr teilen müssen, während der Autoverkehr weiterhin seinen eigenen Platz für sich behält.“
Der ADFC-Fahrradklima-Test
- Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und wurde im Herbst 2018 zum achten Mal durchgeführt.
- Er wird durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit rund 195.000 Euro gefördert.
- Rund 170.000 Menschen stimmten bundesweit ab - eine Steigerung von 40 Prozent gegenüber dem letzten Test.
- Die Zunahme führt der ADFC auf das wachsende Interesse am Thema Fahrrad und Radverkehr zurück.
Das Unsicherheitsgefühl der Radfahrer und die wachsende Unzufriedenheit mit der Rad-Infrastruktur nimmt der ADFC im 40. Jahr seines Bestehens zum Anlass, eine bundesweite Kampagne für „#MehrPlatzFürsRad“ zu starten. Mit vielfältigen Straßenaktionen macht der ADFC auf die Platzdebatte in den Städten aufmerksam und zeigt vor Ort, wie gute Radwege aussehen und wie sicher und komfortabel sich Radfahren auf ihnen anfühlt.
Zentrales Kampagnenelement ist ein Absperrband, mit dem ehrenamtlich aktive ADFC-Mitglieder überall in Deutschland Platz fürs Rad machen. Martin Kühl-Lukas: „Natürlich wird sich auch der ADFC in Castrop-Rauxel an dieser Kampagne beteiligen.“
In Castrop-Rauxel geboren und in der Heimatstadt geblieben. Schätzt die ehrliche und direkte Art der Menschen im Ruhrgebiet. Besonders interessiert am Sport und den tollen Radwegen im Revier.
