Zurückhaltung und mangelnden Ehrgeiz konnte man diesen Herren nie unterstellen. Aber als Ulrich Borgerding im Frühjahr 1991 diesen Satz sagte, da konnte man schon auch einige Menschen schmunzeln hören: Mit wem wollen wir es aufnehmen? „Warum soll bei uns so ein Castrop-Festival nicht auch gelingen?“, sagte der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Castrop Altstadt damals gegenüber der Lokalpresse. „Wir bieten mit unserer schönen Altstadt doch ein viel gemütlicheres Ambiente.“
Borgerding spielte damit auf Hamburg und Dortmund an. Großstädte, in denen gut angenommene Tradition sei, Schlemmerfestivals zu veranstalten wie „Dortmund a la carte“. Kaufleute und Köche luden wenige Wochen später erstmals zu „Castrop kocht über“ ein. Vom 31. Mai bis zum 2. Juni 1991 baten sie in der Altstadt zu Tisch.
Neun Gastronomen waren dabei: das Haus Koch-Wilms, Zio Romolo, Café Residenz, Haus Bladenhorst, Gastro im Forum, Il Carciofo, Martins, Haus Kleinalstede und Haus Goldschmieding. Von denen sind inzwischen einige geschlossen, andere umbenannt, wieder andere noch immer da, aber nicht mehr dabei. Und Haus Goldschmieding hat bis heute, bis ins Jahr 2023 die Treue gehalten.
Sie stellten ihre Buden und Stände in der Altstadt auf, durften bei der ersten Auflage aber nicht auf den Marktplatz: „Da hatten die Marktbeschicker die Hand drauf“, erinnert sich Uli Borgerding, der als alteingesessener Herrenausstatter in der Fußgängerzone die Zusammenhänge und Netzwerke kannte. So erstreckte sich die „Schlemmermeile“, wie man damals sagte, vom heutigen Lokal „Leutholds 1910“ rund um den Reiterbrunnen in die Fußgängerzone hinein, einmal ums Eck bis zum Lambertusplatz.

„Die ganze aktuelle Palette wohlschmeckender Gaumenfreuden“ werde zu erleben sein, schrieben die Zeitungen damals: „Es wird das Einfache und das Besondere geben, das Schmackhafte und das Exclusive“, sagte Roger Kilian von der Gastro im Forum damals stellvertretend für die anderen Wirte. „Für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas.“
„Das war ja das Konzept“, sagt Ulrich Borgerding, und ist es in gewisser Weise bis heute: Es gingen eher Probierportionen über die Theken, damit die Gäste in den Genuss verschiedener Kleinigkeiten kommen und die Umsätze sich entsprechend auf die Gastronomen verteilten. „Jeder soll sich auf die kulinarische Reise begeben“, so die Idee.
Weißgelbe Zelte, swingender Sound dazu von Joys of Jazz, einer Bee-Gees-Revival-Band und der Gruppe Joy an damals „nur“ drei Tagen: Das erlebten in der ersten Auflage rund 40.000 Besucher. „Wir haben damals aus den Wohnungen anliegender Häuser von oben runtergeschaut und geschätzt“, sagt Uli Borgerding. So viele, dass ihnen im Folgejahr dann doch der ganze Marktplatz zur Verfügung gestellt wurde. Und am Samstag schon das Bier ausging.
Aber darüber berichten wir in der nächsten Folge von „Ckü history“. Der Name „Castrop kocht über“ basierte auf einer Idee von Matthias Zimmer. Der Juwelier war Teil der Orga-Crew in den ersten zehn Jahren. Danach gab die WCA die Aufgaben ab. Später ist Wirt Bubi Leuthold in diese Rolle geschlüpft. „Mein großer Dank an Bubi, dass er es so erfolgreich weitergeführt hat“, sagt Ulrich Borgerding.
Früher seien Mollen, Zimmer und er da rumgerannt, um alles zu organisieren. Heute, sagt Uli Borgerding, ist er immer noch Stammgast. „Ich freue mich darüber, einfach nur Gast zu sein und zu genießen“, sagte er in unserer PottCAS-Spezial-Folge zu „Ckü history“.


Dieser Artikel erschien zuerst am 1.6.2023. In unserer Serie „Ckü History“ blicken wir zurück in die Geschichte von Castrop kocht über von der Idee 1991 über die kleinen und großen Vorfälle, den riesigen Sky-Schirm über dem Marktplatz, Gerichtsverhandlungen, Umzüge und mehr. Alle Infos und Hintergründe in unserem großen Spezial auf rn.de/ckue
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