„Chateau d’Emscher“ Der Weinanbau am einstigen Schmutzfluss hat gerade erst begonnen

„Chateau d’Emscher“: Weinanbau in der Region hat gerade erst begonnen
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Denn was einst als eher niedliches Randprojekt gestartet wurde, nimmt inzwischen stattliche Ausmaße an. Respektable 6700 Reben sind schon vor einiger Zeit im Natur- und Wasser-Erlebnispark an der Stadtgrenze Recklinghausen/Castrop-Rauxel, der von allen nur Emscherland genannt wird, gepflanzt worden. Und auch wenn die Gewächse dort noch ein wenig zu jung sind, um einen anbietbaren Wein zu produzieren, so ist schon jetzt bekannt, dass die künftige Ausbeute dort sehr beachtlich sein wird: 10.000 Flaschen Wein werden es werden, und zwar in Weiß, Rot und Rosé.

Dazu muss man natürlich wissen, dass die Emschergenossenschaft die Tradition des Weinanbaus im Ruhrgebiet, der wohl schon im 15. Jahrhundert nachweisbar war, schon vor zwölf Jahren hat wiederaufleben lassen – mit einem ersten Weinberg an der renaturierten Emscher am Dortmunder Phoenix-See. Das war damals auf 97 (Weißwein-)Reben beschränkt, weil man mit 100 Reben oder mehr nach EU-Recht den Hobby-Bereich verlassen hätte und weil die Anpflanzung zu jenem Zeitpunkt eher ein Symbol war – für die neue Lebens- und Aufenthaltsqualität an der früheren „Köttelbecke“.

Aber das war nur der Anfang: 2018 folgte der zweite Weinberg am Rüpingsbach in Dortmund-Barop. Da wurden 420 Reben der roten Rebsorte Cabaret Noir (ja, der heißt so) gepflanzt und gemeinsam mit Interessierten vor Ort gepflegt und geerntet. Und tatsächlich: Den Weißen vom Phoenix-See und den Roten vom Rüpingsbach gibt es längst auch abgefüllt. Und um den Beweis abzuliefern, dass man das auch trinken kann, hatte die Emschergenossenschaft unlängst zu einer Verkostung geladen – ins Emscherland.

Und dort offenbarte Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, gänzlich ungeahnte Fähigkeiten – als Sommelier. Den Roten aus dem Dortmunder Südwesten beschrieb er als „mild, mit einem wunderbaren Bouquet“. Doch nicht nur das: „Er riecht geradezu cremig, er hat Volumen und eine schöne Frucht.“ Jetzt müsse man nur noch daran arbeiten, dass er im Abgang nach hinten noch intensiver und umfangreicher werde.

Prof. Dr. Uli Paetzel begrüßt die Gäste bei der Verkostung.
Moderator und Weinkenner: Prof. Dr. Uli Paetzel (r.) begrüßt die Gäste bei der Verkostung. © Jörg Gutzeit

Und darum wird sich Tina Krachten kümmern. Weil auch Winzer nicht vom Himmel fallen, hat man sich einfach eine eingekauft, die nun dafür sorgen soll, dass auch der Emscherland-Wein künftig gehobenen Ansprüchen genügt. Tatsächlich liegt der Weinberg ausschließlich auf Castrop-Rauxeler Gebiet, aber: Von Recklinghausen hat man die beste Sicht darauf.

Und damit das mit dem Emscher-Wein auch wirklich klappt, bietet die Emschergenossenschaft seit diesem Sommer im zweiwöchigen Rhythmus montags Mitmachtreffen am Weinberg in Castrop-Rauxel an. Tina Krachten wird zum Start eines jeden Treffens die anstehende Arbeit erläutern und dann darf angepackt werden – in netter Atmosphäre und mit viel Gelegenheit zum Fragenstellen! Die Treffen sind offen für alle, Kosten entstehen keine, benötigt wird lediglich wetterangepasste Kleidung. Der nächste Termin ist übrigens am 16. September (16 Uhr), Anmeldungen sind möglich per E-Mail an tk@allmende-emscherlippe.de.

Emscherland: Die ersten Rebstöcke sind längst da.
Emscherland: Die ersten Rebstöcke sind längst da. © Jörg Gutzeit

„Mit unserer Initiative ,Mach mit am Fluss‘ bieten wir Möglichkeiten der Partizipation und begeistern damit die Bürgerinnen und Bürger für Themen wie Natur- und Umweltschutz – denn: Der Ende 2021 abgeschlossene Emscher-Umbau hatte neben der Abwasserfreiheit immer auch das Ziel, den Menschen in der Region ihre Flüsse zurückzugeben“, so Prof. Dr. Uli Paetzel.

Und die Idee des Weinanbaus macht Schule: Im vergangenen Jahr griff auch die Stadt Herne die Anregung des Mitmach-Weinanbaus im Emscher-Gebiet auf und pflanzte am Gysenberg oberhalb des Ostbachs gemeinsam mit der Emschergenossenschaft und der wewole-Stiftung rund 500 Rebstöcke der Rosésorte Cabernet Cortis.

Luftbild vom Emscherland-Schriftzug.
Wo sind wir? Genau. © Jörg Gutzeit

Im Emscherland ist der erste Rebstock sogar schon ein Jahr älter: Im September 2022 war er von Bundeskanzler Olaf Scholz beim offiziellen Festakt zum Abschluss des Emscher-Umbaus eingesetzt worden. Seitdem ist dort viel passiert: Ein Team aus der Pfalz hat mit einer GPS-gesteuerten Spezialmaschine und unterstützt von den ersten Mitmachwinzern 6700 Reben gepflanzt.

Und tatsächlich hätte Prof. Paetzel auch schon den passenden Namen für den Wein vom Südwesthang am Rhein-Herne-Kanal: „,Chateau d‘Emscher‘ könnte ich mir vorstellen“, erzählt er mit verklärter Miene. Seine Kenntnisse zum Thema Wein würden im Übrigen nicht zuletzt von einem seiner früheren Professoren herrühren, der ihm und anderen Kommilitonen einen wichtigen Leitsatz mitgegeben hätte: „Nur eine leere Flasche Wein ist eine gute Flasche Wein.“ Ein echter Fachmann.