Freie Fahrt für Radfahrer an roten Ampeln Wird das in Castrop-Rauxel bald Realität?

Stadt prüft neue Schilder: Freie Fahrt für Radfahrer an roten Ampeln?
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Eigentlich ist sich die Politik in Castrop-Rauxel grundsätzlich einig: Es soll in der Tendenz weniger Schilder und Verkehrszeichen geben. Doch nun ist beschlossen, dass es vielleicht bald mehr Schilder gibt. Es geht konkret um Schilder und Piktogramme, also auf den Asphalt aufgemalte Verkehrszeichen. Sie sollen den Radverkehr befördern.

Plan 1: Rechtsabbieger-Schilder für Radfahrer an Ampeln

Der grüne Pfeil auf einem Schild an Ampeln ist vielleicht manch einem Autofahrer bekannt. In Castrop-Rauxel sind diese Schilder eher nicht zu sehen, aber sie besagen: Selbst wenn diese Ampel Rotlicht zeigt, sind Radfahrer befugt, rechts abzubiegen, wenn es der Verkehrsfluss zulässt. Neu sind diese Schilder in der Straßenverkehrsordnung für Radfahrer. Und genau diese Schilder will die rot-grüne Koalition in der Europastadt etablieren.

Rechtlich möglich ist das seit Sommer 2020, als eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung diese Schilder aufnahm.

Ein neuer „Grünpfeil“ ermöglicht es Radfahrern, nach vorherigem Anhalten auch bei roter Ampel vorsichtig rechts abzubiegen.
Ein neuer „Grünpfeil“ ermöglicht es Radfahrern, nach vorherigem Anhalten auch bei roter Ampel vorsichtig rechts abzubiegen. © picture alliance/dpa

Auf Antrag der rot-grünen Koalition wurde nun mit großer Mehrheit im Stadtrat beschlossen (Sitzung von Donnerstag, 24.08.2023), das Anbringen dieser Schilder im Stadtgebiet zu prüfen. Das sei ein Beitrag für einen flüssigeren Radverkehr in der Stadt, sagte Timo Eismann von den Grünen, und führe auch zu größerer Sicherheit, weil es für weniger Radfahrer im toten Winkel von rechtsabbiegenden Autos sorgen könne.

Beschlossen wurde ein sogenannter Prüfauftrag: Die Verwaltung muss nun geeignete Stellen im Stadtgebiet finden und der Politik vorlegen. Damit verbunden soll auch eine Kostenkalkulation formuliert werden. Auf Basis dieses Plans kann die Politik dann noch mal abstimmen.

Plan 2: Radfahrer-Piktogramme auf Straßen

Ein zweiter Antrag der Koalition aus SPD und Grünen fordert das Aufmalen von Piktogrammen auf Straßen, an denen keine Radwege oder Radfahrer-Schutzstreifen möglich sind. Auch hierbei handle es sich um eine verhältnismäßig günstige und schnell machbare Lösung, den Radverkehr sicherer und sichtbarer zu machen und ihm größeren Stellenwert an Stellen einzuräumen, wo ohne einen großen und teuren Umbau nichts anderes möglich sei.

Die CDU äußerte Skepsis. Fabian Kaese berichtete von seiner ersten „Begegnung“ mit so einem Piktogramm bei einer Autofahrt nach Siegen. Er habe als Autofahrer nicht gewusst, wie er damit umzugehen habe, sei wegen des Piktogramms auf die Gegenfahrbahn gefahren und habe Glück gehabt, dass kein Gegenverkehr kam. Die CDU fordert schon seit Jahren, dass besser erst einmal geplante Fahrradstraßen wie die Lange Straße endlich umgesetzt werden sollten, als mit dieser Maßnahme etwas Neues vorzuschlagen. „Wir hinken weit hinterher“, so Fraktions-Chef Michael Breilmann.

Das Piktogramm könne überdies den Eindruck erwecken, Radfahrer seien auf einer Fahrradstraße. Das könne für weitere Verwirrung sorgen, so die Kritik.

Radfahrer-Piktogramme auf Straßen sind bisher bei Fahrradstraßen und auf Schutzstreifen üblich. Die Koalition möchte sie gern an verschiedenen weiteren Stellen in Castrop-Rauxel aufbringen.
Radfahrer-Piktogramme auf Straßen sind bisher bei Fahrradstraßen und auf Schutzstreifen üblich. Die Koalition möchte sie gern an verschiedenen weiteren Stellen in Castrop-Rauxel aufbringen. © picture alliance/dpa

Auch die FDP habe längst Anträge zur Einrichtung weiterer Fahrradstraßen formuliert, die allesamt im längst beschlossenen Nahmobilitätskonzept drin stünden und Teil des Koalitionsvertrages seien. „Aber weil der Antrag von der FDP kommt, wurde das abgelehnt“, so Nils Bettinger.

Die Forderung zur Umsetzung von Einzelmaßnahmen würden von der Koalition mit Verweis auf das Gesamtkonzept abgelehnt. Aber Maßnahmen aus dem Konzept kämen nicht zur Umsetzung. Diesen Vorwurf unterstrich Harald Piehl (FWI), der sagte, das Nahmobilitätskonzept sei seit Jahren beschlossen, aber er habe noch nicht eine umgesetzte Maßnahme gesehen. „Es ist 2021 beschlossen worden, auf 10 bis 15 Jahre ausgelegt. Die ganze Sache soll pro Jahr 750.000 Euro kosten. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass wir hier im Rat eine einzige Maßnahme aus dem Konzept beschlossen haben“, so Piehl. „Wir hätten aber eigentlich schon 1,5 Millionen Euro ausgegeben haben müssen.“

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Ergebnis der Ratssitzung:

Der Piktogramm-Antrag wurde von CDU, FDP, FWI, Linken, UBP und der fraktionslosen Notburga Henke zwar abgelehnt. Rot und Grün stimmten zu und erreichten damit eine knappe Mehrheit.

Der Rechtsabbieger-Antrag wurde als Prüfauftrag gegen die zwei Stimmen der Linken mit großer Mehrheit beschlossen.

Das bedeutet jetzt:

Die Stadtverwaltung wird prüfen, wo das Aufbringen von Piktogrammen und das Anbringen von Rechtsabbieger-Grünpfeilen ausschließlich für Radfahrer möglich ist und was es kostet. Vermutlich im Frühjahr 2024 werden die Prüfergebnisse den Fachausschüssen und dem Stadtrat vorgelegt. Dann könnte es Beschlüsse geben. Vermutlich wird es neue Piktogramme und die Schilder frühestens im Sommer 2024 geben.

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