St. Marien in Merklinde gehört nach den dem Heiligen Lambertus gewidmeten Kirchen in Castrop und Henrichenburg (Urkirche ist das heutige Maximilian-Kolbe-Haus) zu den ältesten Kirchen in Castrop-Rauxel. Am Wochenende feiert die Gemeinde, die zum Pastoralverbund Castrop-Rauxel-Süd gehört, 120-jähriges Bestehen. Sie wird auch als kleine Basilika bezeichnet.
Wir schreiben das Jahr 1904. Beim Richtfest der neuen Marienkirche, gewidmet der Maria Immaculata (Maria von der Unbefleckten Empfängnis), stehen viele Bauarbeiter auf dem Baugerüst am Seitenflügel des Bauwerks. Unten am Fuße der Kirche, von der die Wände in rotem Ziegelstein hochgemauert sind, stehen weitere Herren in Schwarz. Es ist das Foto zum Richtfest: Die Dachsparren sind aufgestellt, das Dach ist aber noch nicht gedeckt. Der kleine Dachreiter-Turm ist noch im Rohbau. Und rundherum steht nichts: kein Wohnhaus, keine B235. Immerhin gibt es zu dem Zeitpunkt schon zwei Schulen: die Marienschule und die Harkortschule. Es ist dennoch wie eine Kirche auf dem Felde...

Merklinde ist zu diesem Zeitpunkt eine Bauerschaft, die dicht an Bövinghausen angrenzt und eines der drei „Linnedörfer“ in der Umgebung ist, also Frohlinde, Kirchlinde und Merklinde: Nicht der Baum Linde ist dabei Namensgeber, sondern es entstammt wohl der „Berglehne“, also einem Hang am Berg. Seit jeher gehörte das Dorf zum Amt und Kirchspiel Castrop. Die kirchliche Trennung von der Castroper Mutterkirche Lambertus geschah dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Erste Schritte: der Bau der katholischen Schutzengelkirche in Frohlinde (eingeweiht 1903) und der Marienkirche 1904 in Merklinde, in der auch die Bewohner von Bövinghausen beteten. Die Kirche für die evangelischen Bewohner der beiden Bauerschaften wurde erst elf Jahre später, also 1915, in Dortmund-Bövinghausen errichtet.
Die erste Schule, die katholische Marienschule, öffnete schon 1872 ihre Pforten, die evangelische Harkortschule 1893. Abseits des Dorfes entwickelte sich an der Provinzstraße, die heute die Wittener Straße (B235) ist, eine erste Nebensiedlung „Am Schilling“.

Das Dorf Merklinde auf der Castroper Anhöhe einst eine geschlossene Siedlung von ursprünglich neun Bauernhöfen, hatte 1905 schon 956 Einwohner. Eine Zahl, die sich in den davor liegenden 20 Jahren, verdoppelt hatte. Denn auch hier, im Bauern-Dorf, entstand kurz vor der Jahrhundertwende ein erstes Industriewerk: eine Maschinenziegelei, die allerdings nur bis 1931, der Zeit der Weltwirtschaftskrise, produzierte. Erst ab der Entwicklung des ersten Gewerbegebiets im Jahr 1963 gab es wieder Industriebetriebe.
Der bekannteste Sohn der Gemeinde St. Marien
Im Kern aber entwickelte sich die Marien-Gemeinde, aus der eine der größten Bekanntheiten Castrop-Rauxels hervorging: Bischof Paschasius Hermann Rettler. Er kam 1915 als viertes von acht Kindern des damaligen Schulleiters Ferdinand Rettler zur Welt, ging zur Volksschule in Merklinde und später ans Castroper Gymnasium. Hermann Rettler trat 1933 in ein belgisches Franziskanerkloster ein und wurde für die Mission in Brasilien ausgebildet. 1935 wurde er von dort ausgesendet und lebte und wirkte an vielen Orten im größten Staat Lateinamerikas, um dort den christlichen Glauben zu etablieren.
Papst Paul VI. ernannte den Merklinder im Juli 1968 zum Bischof von Bacabal. Die Weihe holte er weniger Wochen später am 12. September in der Heimat nach. Es war der vielleicht größte Tag in der 120-jährigen Geschichte der Marienkirche. Rettler trat 1989 vom Bischofsamt zurück. Er blieb dort bis ein Jahr vor seinem Tod in einer Einrichtung für Leprakranke in der Nähe von São Paulo tätig und starb im September 2004 - im Jahr des 100-jährigen Bestehens seiner Heimat-Gemeinde. 1993 wurde Rettler zum Ehrenbürger der Stadt Castrop-Rauxel ernannt.

An diesem Wochenende feiert St. Marien das 120-jährige Bestehen ihrer Kirche in einem Festhochamt. Am Sonntag (8.12.2024) ist um 9.30 Uhr ein Festhochamt in „Verbundenheit zu dieser kleinen Basilika“, wie Heinz-Peter Kamischow, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstands und Geschäftsführer, mitteilt. Nach der Messe wird unter der Orgelbühne im Eingangsbereich der Kirche mit Kaffee, Canapés, Gebäck und Sekt gefeiert.
