Auf 140 Metern Höhe erhebt sich die Gondel, an der die drei 42 Meter langen Rotorblätter angebracht sind. Man kann sich vorstellen, dass der Ausblick von da oben exklusiv sein müsste. Aber nachts? Bei Wind und Wetter? Und dann noch illegal? Nach Informationen unserer Redaktion gibt es einen Trend: Kletterer dringen in Windkraftanlagen ein, nicht um etwas zu stehlen, sondern um hochzufahren. Für den Kick, für das exklusive Foto oder Video, als Trophäe in der Szene.
Der Einbruch von Mittwochabend (11.10.2023) in die Enercon-Windkraftanlage namens „Airkules“ auf dem Schweriner Berg am Stadtrand zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel ist ein neues Indiz dafür, dass es einen nicht näher definierbaren Reiz für diese Straftaten geben muss. Die Polizei ermittelt nun wegen Hausfriedensbruchs, teilte sie am Donnerstag (12.10.) auf Anfrage unserer Redaktion mit. Denn: Gestohlen wurde nach den Ermittlungen vor Ort nichts. Beschädigt wurde auch nichts, nach Angaben der Techniker nur das Schloss an der Steuerung des Wartungslifts, der im Turm bis auf zwölf Meter unter der Gondel rauf führt.
Nicht der einzige Einbruch
Und es war nicht der einzige Einbruch: Leonore Schröder verwaltete jahrelang das „Bürgerwindrad“ auf Schwerin. Das wurde im Jahr 2020 für einen symbolischen Euro an einen privaten Eigentümer weitergegeben. Aber Schröder ist immer noch ab und an vor Ort. Und sagt: „Ich kontrolliere da einfach, ob alles in Ordnung ist. Und es läuft schon seit Wochen jemand auf Schwerin herum, der an allen Anlagen die Schlösser der Eingangstüren manipuliert.“
Am einstigen Bürgerwindrad, der nördlichsten Anlage mit der Aufschrift „Micon“, gab es nach ihren Angaben auch einen erfolgreichen Einbruch. Sie stellte eines Morgens vor einigen Wochen fest, erzählt sie, dass die Tür offen stand. Am Türschloss sei demnach nach und nach „gewerkelt“ worden. Der Eigentümer reparierte die Zugangstür, aber gesondert sichern, so Leonore Schröder, sei schwer: „Da müssen spezielle Panikschlösser angebaut sein, die sich von innen notöffnen lassen“, sagt sie.
Kupferkabel abgetrennt
Auch aus dem Bürgerwindrad wurde nichts gestohlen. Anders als bei einem Einbruch in eine dritte Anlage vor ungefähr sechs Wochen: Aus dem weiter von der Straße zurückliegenden Windrad zwischen den Feldern sollen Kupferkabel abgetrennt worden sein. Die Details zu diesem Fall waren aber noch nicht zu verifizieren. Die Polizei kündigte an, man könne am Montag wohl mehr dazu sagen.
Bleibt die Frage: Wer manipuliert und bricht ein, ohne das Ziel, etwas zu stehlen? „Das Motiv kann einfach Sachbeschädigung sein“, sagt Andreas Lesch von der Polizei-Pressestelle. So wie das bei Vandalismus eben oft ist. Aber im Dunkel der Äcker auf dem Schweriner Berg?
Roofer suchen den Kick
Es deutet mehr darauf hin, dass es sich um Kletter-Junkies handelt: Menschen, die gern in die Höhe kraxeln wollen, und dabei auch die Illegalität nicht scheuen oder eben daraus sogar den speziellen Kick ziehen. „Roofing“ nennt sich das, „Roofer“ oder „Rooftopper“ heißen die Menschen. Auf dem Video-Portal YouTube und anderen Kanälen gibt es reichlich, zum Teil atemberaubende Aufnahmen von diesen gefährlichen Extrem-Abenteuern.
Meistens gehen die Leute ungesichert in die Höhe und bringen sich dabei in Lebensgefahr. Nachweisen lässt sich das aber für die Castrop-Rauxeler Fälle bisher nicht. Unsere Redaktion fand trotz einiger Recherchen bisher keine Hinweise auf Bilder oder Videos von „Roofern“ auf den heimischen Windkraftanlagen.
Fachfirmen kennen das „Problem“ aber: Ein Monteur sprach gegenüber unserer Redaktion davon, dass diese Fälle zunähmen.

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