Vor einigen Wochen wurde feierlich die erste von 100 neuen E-Ladesäulen in Castrop-Rauxel eingeweiht. Die Stadtwerke wollen mit den Ladesäulen zum Vorreiter im Kreis Recklinghausen werden. 100 Orte wurde dafür zum Teil aus der Bevölkerung vorgeschlagen, aber auch von den Stadtwerken ausgeguckt.
Auch in der Kunostraße, einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, wurde eine der grünblauen Säulen aufgestellt. In der Siedlung stehen viele Mehrfamilienhäuser, die meisten Bewohner parken auf der Straße. Und genau das ist das Problem von Uwe Kruska (65). Er wohnt zusammen mit seiner Frau seit 15 Jahren in einer Wohnung in einem der Mehrfamilienhäuser. Ihm ist die neue E-Ladesäule direkt vor seinem Küchenfenster ein Dorn im Auge: „Hier in der Straße hat niemand ein E-Auto, hier wohnen eigentlich nur Rentner und junge Familien, die haben kein Geld übrig, sich ein teures E-Auto anzuschaffen.“ In all der Zeit, in der er in der Kunostraße wohnt, habe er dort noch kein E-Auto gesehen.
Keine Klientel für E-Auto
Für die E-Autos an der Ladesäule sind zwei Parkplätze reserviert, wer hier parkt, bekommt ein Knöllchen. Für Uwe Kruska war die Parksituation schon vor der Ladesäule alles andere als optimal: „Es gab hier schon immer zu wenig Parkplätze, gerade durch die jungen Familien, die zwei Autos haben, ist es eng geworden.“ Schon jetzt parken einige der Bewohner der Sackgasse in den benachbarten Straßenzügen: „Man kann den Menschen nicht einfach vor der Tür ihren Parkplatz wegnehmen.“

Als wir mit Uwe Kruska sprechen, ist die Säule ganz frisch gebaut. Er vermutet, dass sie nicht sonderlich gut genutzt wird: „Wahrscheinlich verdient die Stadt am Ende mehr durch die Knöllchen der Falschparker als durch die Leute, die da wirklich ihr Auto laden.“ Grundsätzlich hat er nichts gegen E-Autos, er findet nur den Platz an der Kunostraße unglücklich gewählt.
Jens Langensiepen gilt als Initiator der 100 Ladesäulen im Stadtgebiet. Der Geschäftsführer der Stadtwerke erklärt auf Anfrage der Redaktion, wieso man sich genau für diese Stelle entschieden hat: „Der Standort bietet sich besonders gut an, da er von Geschosswohnungsbau umgeben ist und dort viele Menschen leben, die keine Möglichkeit haben, ein E-Auto in einer eigenen Garage zu laden.“
Ein Blick in die Straße zeigt schnell, damit hat Jens Langensiepen recht. Wer hier ein E-Auto besitzt, der braucht die öffentliche Ladesäule. Aber auch Uwe Kruskas Beobachtung scheint zu stimmen, Parkplätze gibt es in der Straße nur sehr begrenzt.
Lösung für das „Henne-Ei-Problem“
Dass es an einem Standort noch keine E-Autos gibt, ist für die Stadtwerke kein Grund dort keine Ladesäule zu bauen. Jens Langensiepen will „das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität lösen“. Was er meint? Wo es keine Ladesäule gibt, kauft sich niemand ein E-Auto, gerade in einer Straße wie der Kunostraße. Es braucht erst genug Ladesäulen, damit die Versorgung gedeckt ist und dann kaufen die Leute sich auch die passenden Autos.

Die Zahlen bestätigen die Ausrichtung der Stadtwerke, wie Jens Langensiepen darlegt: „Ein Blick auf die Neuzulassungszahlen von Autos zeigt, dass die E-Mobilität einen starken Zulauf hat. Zudem ist das Verbrenner-Aus politisch gewollt, sodass auf Sicht kein Weg an der E-Mobilität vorbei führen wird.“ Wie viele Autos an der Ladesäule laden, müssen dann die kommenden Wochen und Monate zeigen. Die Säule wieder abzubauen ist für den Geschäftsführer der Stadtwerke erst mal keine Option: „Wir sind davon überzeugt, dass mit zunehmender Bereitstellung von Ladeinfrastruktur sich auch immer mehr Menschen für die Anschaffung eines E-Autos entscheiden werden.“
Parken und Laden mit E-Autos in Castrop-Rauxel: Die Antworten auf die wichtigsten Fragen
100 Ladesäulen für E-Autos in Castrop-Rauxel: Karte zeigt die ersten 80 Standorte
Castrop-Rauxel baut E-Ladesäulen-Netz aus: Aber kostenloses Laden ist nicht mehr möglich