Ein Stadtteil, den es offiziell gar nicht gibt: das Dorf Rauxel. Die Menschen fühlen sich hier wohl, obwohl die Einkaufsmöglichkeiten im eigenen Stadtteil begrenzt sind.
Der Stadtteil Rauxel ist laut der Statistik der Stadt Castrop-Rauxel zweigeteilt: Rauxel Nord und Rauxel Süd. Doch niemand behauptet, dass er in Rauxel Nord oder Süd wohne. Stattdessen ist von den Stadtteilen Rauxel und Dorf Rauxel die Rede. Wo liegt dieses Dorf Rauxel genau?
Eine genaue Antwort kann Gordon Ricken (38), der quasi von Geburt an im Dorf wohnt, nicht liefern. Gehören der Schophof oder die Schellenberg-Siedlung dazu? „Für mich gehört der Schellenberg zu Schwerin“, sagt Gordon Ricken. Eins ist aber klar: Das Zentrum des Dorf Rauxels liegt an der Wilhelmstraße, genauer gesagt an der Wilhelmschule bzw. der Heilig-Kreuz-Kirche. „Hier am Gemeindehaus der Kirche ist öfter mal ordentlich was los“, sagt der 38-Jährige.
Grob kann man also sagen: Das Dorf Rauxel ist im Westen von der B235 umgeben, endet nördlich an der Überquerung der Autobahn 42 und im Süden etwa bei der Schellenberg-Siedlung.

Die Wilhelmschule im Dorf Rauxel steht an der Wilhelmstraße direkt neben der Heilig-Kreuz-Kirche. Das ist der Kern des Dorfes. © Anissa Sawatzki
In unmittelbarer Nähe zum Zentrum wohnt Gordon Ricken mit seinem Hund Tyson. „Mich kriegt hier keiner mehr weg“, sagt er und verweist auf seine Familie und Freunde, die ebenfalls in der Nähe wohnen. Doch eins fehlt dem 38-Jährigen Einzelhandelskaufmann: „Dadurch, dass vor einigen Jahren die letzte Gaststätte hier zugemacht hat, gibt es keinen zentralen Punkt mehr, an dem man sich treffen kann und wo auch die Generationen zusammengekommen sind.“
Früher gab es hier gleich mehrere Kneipen, wie beispielsweise die Molle an der Wilhelmstraße. Doch nach und nach haben sie geschlossen. Ebenso wie die Einkaufsmöglichkeiten im Dorf: Früher gab es hier einen Bäcker und einen Lebensmittelladen. Heute ist lediglich der Netto an der Pallasstraße, am Rande des Dorfes also, geblieben.
Kurze Wege in die Altstadt oder ins Grüne
Dennoch lebt Ricken gern im Dorf Rauxel und freut sich vor allem über die kurzen Wege. „Es ist sehr zentral. Man ist in wenigen Minuten an der Autobahn, man ist aber auch zu Fuß in 10 Minuten in der Stadt oder in 5 Minuten mit dem Hund im Wald“, sagt er.
Trotz der schnellen Wege war der 38-Jährige aber schon längere Zeit nicht mehr in der Castroper Innenstadt. „Da muss ich echt überlegen. Die einzigen Magneten in Castrop sind der Kaufland und die Bank, sonst muss ich da nicht hin“, sagt er.
Seinen Lebensmittelpunkt hat er im Dorf Rauxel. Vor allem am Wochenende, wenn er mit seinen Kollegen, die er zum Teil seit der Kindheit kennt, Fußball guckt. Wenn die Dortmunder Borussia ein Tor schießt, hört man im Dorf Rauxel laute Jubelschreie.
Das wurde positiv bewertet
Lebensqualität: Viele Teilnehmer an unserer Umfrage loben die Ruhe im Stadtteil. 9 Punkte bestätigen die hohe Lebensqualität. Das sieht auch Sigrid Wilken so, die im Dorf Rauxel mit Mann Thilo und Sohn Maurice lebt. „Wir sitzen im Sommer auf dem Balkon und haben wirklich unsere Ruhe“, so die 60-jährige, die wie Gordon Ricken als Kind bereits in Dorf Rauxel aufgewachsen ist.
Wenngleich einige Umfrageteilnehmer die fehlende Bennertorbrücke bemängeln: Dadurch müssen sie heute Umwege nehmen, wenn sie in die Altstadt wollen. So schreibt ein Teilnehmer in unserer Umfrage: „Die fehlende Brücke verschlechtert die Wohnlage stark.“ Sigrid Wilken bestätigt das: „Früher bin ich auch schon mal die Bergstraße hochgelaufen und am Kindergarten vorbei zur Altstadt. Wenn ich nun in die Stadt laufe, dann überlege ich schon: Wie gehst du jetzt am besten?“
Grünflächen: Ein großes Plus für Dorf Rauxel, auch hier gab es 9 von 10 möglichen Punkten bei unserer Umfrage. Sigrid Wilken muss für einen schönen Ausblick nicht einmal das Haus an der Schultenstraße verlassen. „Wir haben hier den Vorteil: Wir gucken aus dem Fenster und schauen ins Grüne. Das ist immer sehr nett.“ Für Gordon Ricken sind die vielen Grünflächen und der kurze Weg zum Wald optimal, um mit Hund Tyson eine Gassi-Runde zu drehen.

Grünflächen sind im Dorf Rauxel schnell erreichbar. Ein Plus unter anderem für Gordon Ricken, der mit seinem Hund Tyson oft spazieren geht. © Marcel Witte
Verkehrsanbindung: Mit 7 Punkten schneidet die Verkehrsanbindung ganz gut ab. Mit der Buslinie 341 können die Menschen im Dorf Rauxel bis zum Münsterplatz in der Altstadt fahren. In die andere Richtung fährt die Buslinie nach Schwerin. Vom Alten Rathaus, quasi dem Tor zum Dorf Rauxel, fährt zudem die Linie 481 zum Evangelischen Krankenhaus, dem Hauptbahnhof und weiter bis nach Becklem.
Das wurde negativ bewertet
Verkehrsbelastung: Morgens herrscht auf der Wilhelmstraße an der Grundschule „High Noon“. Die Eltern fahren ihre Kinder möglichst bis vor den Eingang zum Schulhof, obwohl es zwei Elternhaltestellen in der Nähe der Schule gibt. „Die meisten parken direkt gegenüber von der Schule, und die Mütter rasen dann auch gerne“, sagt Gordon Ricken, der das Treiben an jedem Morgen aus seiner Wohnung beobachten kann.
Sigrid Wilken bekommt davon an der Schultenstraße nicht so viel mit, sagt aber: „Wenn man zu den Schulzeiten dort entlang muss und man hält sich an die Geschwindigkeit, dann drängeln die Eltern hinter dir gewaltig. Kurios ist aber: Wenn dann doch mal ein Polizist an der Kirche steht, läuft alles gesittet ab.“ Eine Zeit lang habe an der Wilhemstraße auch der Blitzerwagen der Stadt öfter mal gestanden, „aber den habe ich an dieser Stelle schon lange nicht mehr gesehen“, so Sigrid Wilken. Unsere Umfrageteilnehmer sahen das ähnlich: 6 Punkte.

Sigrid Wilken an der Wilhelmstraße. Sie ist vor allem morgens, wenn die Eltern ihre Kinder zur Schule bringen, viel befahren. © Marcel Witte
Nahversorgung: Seit Ende 2015 gibt es einen Netto-Supermarkt an der Pallasstraße. Zuvor hatten die Menschen im Dorf Rauxel keine Möglichkeit zum Einkauf in ihrem Stadtteil. „Früher gab es auf der Wilhelmstraße den kleinen Laden und einen Bäcker, dann war plötzlich beides weg“, sagt Sigrid Wilken. Sie sehe den Discounter mit Bäckerei positiv, denn so könne sie auch spontan noch Dinge einkaufen, wenn sie etwas vergessen hat.
Gordon Ricken ist in seiner Einschätzung zwiegespalten. Auf der einen Seite freut er sich, dass es wieder eine Einkaufsmöglichkeit im Dorf Rauxel gibt. Allerdings sagt er auch: „Für ältere Menschen, die mit dem Rollator unterwegs sind, ist der Netto etwas weit vom Schuss.“ Die Dorf Rauxeler, die teilnahmen, gaben im Mittel 8 von 10 Punkten für die Nahversorgung.

Angebote für Jugendliche: „Wo die Jugendlichen tagsüber herumlaufen oder abends, weiß ich gar nicht“, sagt Sigrid Wilken. „Ich weiß von der evangelischen Kirche, dass sie ein paar Angebote für Kinder und Jugendliche hat, das aber war es aber auch.“ Sie ist selbst Mutter eines Sohnes (22 Jahre alt). Was sie anspricht, wird auch bei unserer Umfrage bemängelt. Lediglich 5 Punkte gibt es für die Angebote für Jugendliche. Das ist bei den Senioren übrigens genauso: Auch hier geben die Dorf-Rauxeler 5 Punkte.
Hier können Sie die Stadtkarte mit allen Infos und Werten zu den anderen Stadtteilen sehen.
Die Abgrenzung zur Industrialisierung

Von 1948 bis 2002 wurde auf dem Hof Schulte-Rauxel in Dorf Rauxel die Brennerei Schulte-Rauxel betrieben. Das Foto zeigt den Hof um 1962. © Helmut Orwat
Von Freunden "rasender Reporter" genannt. Immer auf der Suche nach neuen Themen - Sport und Lokal. Im "Juwel im Revier" (Castrop-Rauxel) zuhause.
