Die Halde Hoheward ist einer der spektakulärsten Orte des Ruhrgebiets. Von oben blickt man über das ganze Revier, kann gut ein Dutzend erhaltene Fördertürme zählen und erkennt, welch eine grüne Lunge aus dem Ruhrpott geworden ist. © Tobias Weckenbrock
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Der perfekte Aussichtspunkt übers grüne Ruhrgebiet: Halde Hoheward
Das Ruhrgebiet behauptet von sich, grün zu sein statt grau. Stimmt das? Ein Besuch auf Halde Hoheward liefert den Beweis: ein grandioses Landschaftsbauwerk, von dem aus man das Revier neu kennenlernt.
Einmal im Leben ... Die Pyramiden von Gizeh, die Niagara-Wasserfälle, den Eiffelturm: Was man schon alles gesehen haben muss, haben Sie sicher schon zigfach gelesen. Wenn Sie das hier gelesen haben, müssen Sie auf Ihrer Liste noch einen Ort hinzufügen. Einen, auf dem man mit einem Blick das Ruhrgebiet verstehen lernt. Eine Region, die bis heute weit unterschätzt wird.
Das graue, das rußige, das dreckige Ruhrgebiet: Wer den Namen für diese einzigartige Region im Herzen von Nordrhein-Westfalen mit ihren mehr als 5 Millionen Einwohnern hört, der wird mit ihr vor allem diese negativen Adjektive verbinden. Sie halten sich in den Köpfen bis heute. Städte wie Castrop-Rauxel werden zumindest bei Satirikern immer wieder als Synonyme für die hässliche Stadt, in der keiner „jemals tot überm Zaun hängen“ möchte, verwendet.
Der Blick vom Plateau-Rand im Westen fällt über die benachbarte Halde Hoppenbruch mit der Windkraftanlage bis nach Essen und zur Schalke-Arena. Manchmal erkennt man am Horizont auch den Düsseldorfer Rheinturm. © Tobias Weckenbrock
Dabei liegt eine Auto-Viertelstunde von dieser Stadt entfernt, über die man so gern lästert, der Ort, an dem man all diesen Klischees, die aus einer Zeit von vor 50 Jahren herrühren, so einfach wie nirgendwo sonst entgegen treten kann: Besuchen Sie die Halde Hoheward. Sie werden diesen Besuch nie vergessen.
Es ist bezeichnend, dass man dafür eine Halde besuchen sollte: Eine Halde ist wie ein Berg, aber ein von Menschen geschaffener. Nicht aus Abfall, aber wenn man auf ihn steigt, steht man auf dem sogenannten Abraum. Das ist das Material einer Zeche, das nie gebraucht wurde. Im Fall Hoheward sogar auf dem von gleich drei Zechen. Hier lagerte der Mensch das, was beim Bergbau übrig blieb, also vor allem Fels und Stein.
Bei der Suche nach den Rohstoffen, die Deutschland einst seinen heutigen Wohlstand brachten, grub man nicht nur das aus, aus dem die Industrialisierung sich speiste, aus dem man Autos und Maschinen baute, sondern auch eine Menge Material, das sich nicht verwenden ließ.
Hier landete einst der Abraum aus drei Zechen
Die Zechen Ewald in Herten, Recklinghausen II und Zeche General Blumenthal/Haard schütteten ihr Gesteinsmaterial auf die Halde Hoheward und die direkt daneben liegende Halde Hoppenbruch. Darum wurden sie zusammen zur größten Haldenlandschaft einer Metropol-Region, die keine richtigen Berge, aber Dutzende dieser Abraum-Halden hat.
Alle Halden, die in den vergangenen Jahrzehnten für den Menschen begehbar gemacht wurden, sind sehenswert. Nicht umsonst gibt es einen Haldenführer als Buch zu kaufen. Die sehenswerteste unter ihnen aber ist Hoheward.
Was auf diesem Bild kaum zu erkennen ist: Die Steigung ist stark auf dieser breiten Schanze, die schnurstracks von Zeche Ewald hinauf führt zum Observatorium. Wer nicht so sportlich ist, sollte ein Pedelec fahren - dann ist man in vier Minuten oben auf 152 Metern. © Tobias Weckenbrock
Erst seit 2016 ist sie komplett so aufbereitet, dass man sie ganz besteigen und besuchen kann. Wer am höchsten Punkt steht, ist bei 152 Metern über Normalnull. Für Radfahrer (am besten sportliche oder mit Pedelec ausgestattete) ist sie nahezu perfekt geeignet, für Wanderer und Treppenläufer ebenso.
Es gibt Wege, die um sie herum führen: am Fuße der Halde, aber auch auf etwa einem Drittel ihrer Höhe. Dort gibt es entlang eines 6,5 Kilometer langen, exzellent begehbaren Weges zehn Balkone. Durch sie hindurch führen an mehreren Stellen die Himmelsstiegen, steile Treppen, die sich anders als die Wege direkt und schnurstracks den Hang hinauf ziehen.
Andere Fußwege schlängeln sich serpentinenartig den Hang hinauf. Und es gibt einen einer Rampe ähnlichen breiten und glatt asphaltierten Weg von der Zeche Ewald gerade rauf in Richtung eines beeindruckenden Observatoriums. Der ist für Radfahrer, die sich quälen können, einen Hilfsmotor haben oder die es einfach gerne direkt mögen.
Rund um die Halde, die hier auch ein (verschlossener) Stolleneingang ziert, sind an einem Panoramaweg entlang zehn größere Balkone zu finden. Dieser Rundweg ist 6,5 Kilometer lang. © Tobias Weckenbrock
Wer oben ankommt, vor dessen Augen erstreckt sich eine von Gräsern und Flechten übersäte Fläche. Wege führen hindurch, und mitten auf der Halde ist das Observatorium als einer von zwei großen Plätzen angelegt. Der Makel, und auch das gehört zum Ruhrgebiet einfach dazu: Dieser Platz, erst 2008 errichtet, wurde rund zwei Wochen nach seiner Eröffnung gesperrt.
Das Bauwerk aus zwei riesigen sich kreuzenden Stahlbögen ist rissig, weil die Bögen Schwingungen ausgesetzt sind. Steht ein Beobachter genau in der Mitte des Platzes unter dem Bauwerk, breitet sich das Plateau der Halde in alle Richtungen wie ein künstlicher Horizont aus.
Mit Peilmarken kann man den Ort des Sonnenaufgangs an wichtigen astronomischen Kalendertagen wie der Sommersonnenwende bestimmen. Besser gesagt: könnte man. Denn der Platz ist eingezäunt und wird das als Millionengrab wohl auch bleiben. Schon von weitem aber sind die Stahlbögen so etwas wie das spektakuläre und weithin sichtbare Gipfelkreuz des Ruhrgebiets.
Traumhaft sind die Spazierwege auf dem künstlich geschaffenen Berg mit seinen Hochplateaus. Wer von hier herunter schaut, sieht, wie grün das Ruhrgebiet ist. Einziger Wermutstropfen ist der Zaun rund um das Observatorium, zwei riesige Stahlbögen, ein Wahrzeichen des Ruhrgebiets, deren Konstruktion rissig und damit als nicht 100-prozentig sicher gilt. © Tobias Weckenbrock
Offen zugänglich ist das andere Plateau, etwa zehn Meter niedriger gelegen als das Observatorium: Es ist eine Sonnenuhr, die sich an einem stählernen Obelisken stellt. Hier hat schon mehrfach das grandiose Sunset Picknick mit DJs wie Phil Fuldner stattgefunden, bei dem es elektronische Musik auf die Ohren gibt und sich die Gäste bis den Wiesen hinweg über der Halde verteilen.
Vom Kraftwerk zum Windrad - und zwischendrin massig Zechen
Von hier aus fällt der Blick unweigerlich auf das riesig wirkende Steag-Heizkraftwerk Herne-Baukau in de Nachbarschaft. Ja, diese Bauten gehören zum Ruhrgebiet wie die Arena auf Schalke, die man von hier aus wunderbar erkennen kann, das große Windrad auf der Nachbarhalde Hoppenbruch, die Hochhäuser der Großstadt Essen - aber auch wie die malerischen Fördergerüste der Zechen.
Direkt am Fuße von Halde Hoheward gibt es gleich drei: den der Zeche Recklinghausen II in der Hauptstadt eines der am höchsten verschuldeten Landkreise Deutschlands und die beiden Türme der Zeche Ewald am Stadtrand von Herten und Gelsenkirchen. Hier, rund um die Zeche Ewald, hat sich der Strukturwandel ein weiteres neues Manifest geschaffen: Zwischen dem verlassenen Zechenturm und der Halde befindet sich eine Wasserstoff-Tankstelle und das Entwicklungszentrum des H2-Netzwerks Ruhr. Rund um das mögliche Antriebsmittel der Zukunft wird hier geforscht und entwickelt.
Auch die Zeche Ewald mit ihrem Wasserstoff-Entwicklungszentrum und einem Biergarten im Industrie-Schick ist einen Besuch wert. Hier, am Fuße der Halde, ist auch das Besucherzentrum untergebracht. © Tobias Weckenbrock
Wer von der Halde aus ein bisschen Lust aufs Suchen (Fernglas mitnehmen lohnt sich) hat, kann den Blick schweifen lassen und weitere schmucke alte Fördergerüste entdecken. Das Kraftwerk Trianel Lünen und bei guter Sicht der Rheinturm von Düsseldorf am Horizont grenzen das Gebiet ein: Gute Sicht vorausgesetzt, überblickt man eine Strecke von fast 100 Kilometern. Und dabei stellt man dann endlich fest: Das Ruhrgebiet ist nicht grau. Es ist auch nicht übervölkert. Es ist nicht hässlich, es ist nicht verdorben. Es ist vor allem eines: sehr grün.
Spaziergang ganz oben: eine Stunde
Ein Spaziergang über das ganze obere Haldenplateau dauert etwa eine Stunde. An verschiedenen Stellen ist Platz für Pause und Picknick. Man entdeckt an den Hängen immer wieder Mountainbiker, die sich die Biker-Pisten querfeldein zu eigen gemacht haben und vollkommen legal dort ihrem Hobby nachgehen.
Der heutige Halden-Inhaber, der Regionalverband Ruhr, hat für sie eine 6,5 Kilometer lange Cross Country-Strecke (XC) angelegt. Ein Fahrrad-Club aus Gelsenkirchen hat die Patenschaft dafür übernommen. Daneben ist auf der Halde Hoppenbruch ein 4,4 Kilometer langer Enduro-Rundkurs mit Anstiegen von 104 Höhenmetern entstanden, der vom Freeride Club Herten gebaut wurde.
Auf dem Plateau mit dem Obelisken, der als Zeiger einer Sonnenuhr dient, werden manchmal Sunset-DJ-Picknicks veranstaltet. Für unseren Autor war dieser Platz der perfekte Ort für ein Radler und eine Picknick-Pause. © Tobias Weckenbrock
Für alle Touren, ob zu Fuß, mit dem Rad oder einem Segway (man kann geführte Touren buchen) ist ein Start an der Zeche Ewald perfekt. Dort ist das Besucherzentrum zur Halde. Hier gibt es Infos, Tourenvorschläge und mehr. Und dort gibt es in den Sommermonaten auch einen hippen Biergarten mit dem Charme der Industriekultur im Schatten des Förderturms.
Das übrigens ist etwas, das man auf Halde Hoheward nicht finden wird: Schatten. Es gibt (fast) nur Licht.
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