Legendäre Kneipen

Der Laden, der zweimal abgerissen wurde: Erinnerungen eines Stammgastes ans Schlüters

Im Schlüters traf sich ein gemischtes Publikum - unter anderem vier Star-Trek-Freunde. Das Schlüters im Exil (SIX) dagegen, der Nachfolger, zog eher alternatives Publikum an. Erinnerungen.

Rauxel

, 18.03.2019 / Lesedauer: 4 min

Das Schlüters ging eigentlich immer - man musste nur wissen, wann man hinging. An lauen Sommerabenden lockte der gemütliche Biergarten. War es draußen eher frisch, wurde es an den Wochenenden oft gerappelt voll rund um den langen Tresen der Traditionskneipe. Teils in dritter Reihe warteten die Durstigen vor der Theke auf Getränke - und so kam man dann ins Gespräch.

Rund 100 Jahre soll es den Laden an der Holzstraße gegeben haben, unter verschiedenen Namen und Pächtern. Zuletzt hieß er Schlüters, bis 2003 die Abrissbagger anrollten und das alte Gebäude dem Erdboden gleich machten. Heute stehen dort Wohnungen.

Trekkie-Party in der ehemaligen Traditionskneipe. Ulli Müller (links) und Rajko Kravanja (2.v.r.) rückten in Uniform zur Free-TV-Premiere an. © Quelle: Ulli Müller

Vor der Schlüters-Zeit war die Kneipe an der Holzstraße vor allem den Schülern von Ernst-Barlach-Gymnasium und Willy-Brandt-Gesamtschule ein Begriff. Zeitweise sagte man, man gehe zu „Kempers“. Die Pächter hinter den Namen wechselten öfter mal. Vielen Kneipenbesuchern mag der Laden an der Holzstraße vor allem als „Herbies“ im Gedächtnis geblieben sein.

„Am Tresen waren alle gleich“

Ein besonderer Reiz des Schlüters bestand gerade darin, ein gemischtes Publikum zu treffen. „Da war für jeden etwas dabei“, sagt Jenny Kretschmann, letzte Pächterin der Traditionskneipe, „für Alt und Jung, ob 16 oder 80. Da hat am Tresen der Zahnarzt neben dem Arbeitslosen gesessen“, erinnert sie sich. „Das war kunterbunt gemischt. Egal, welcher Partei man angehörte, am Tresen waren alle gleich.“ Und der Biergarten wirkte wie ein Magnet auf Familien.

Tatsächlich war es schwer, durchs Schlüters zu laufen, ohne auf vertraute Gesichter zu treffen. Dort kannte man sich: aus Proberäumen, aus Sportvereinen, aus der Schule oder sogar aus anderen Kneipen.

Legendär waren die Partys zu Karneval, Halloween oder St. Patricks Day. Und die Wirte spielten so manches mal mit, wenn Gäste einen besonderen Partywunsch hatten.

Science-Fiction in der Traditionskneipe

„In der Mitte der 1990er-Jahre, als die Star Trek-Kinofilme erstmals im Fernsehen liefen, hat es sich unter den Trekkies eingebürgert, dass wir uns im Schlüters treffen“, sagt Ulli Müller, den heute viele Castrop-Rauxeler aus dem Jugendzentrum BoGi’s kennen.

An der Holzstraße erinnert heute nichts mehr an die Traditionkneipe mit Biergarten, Die alten Buchen mussten Wohunugen weichen. Zuvor hatten Kneipe und Bäume über 100 Jahre gestanden. © Christian Püls

Im hinteren Raum, wo damals Billardtisch und Flipper standen, verfolgten die Fans das Geschehen auf dem Bildschirm - standesgemäß gekleidet in Next-Generation-Uniformen. Science Fiction in der Traditionskneipe.

Und auch bei den Getränken sorgte man für eine gewisse futuristische Atmosphäre: „Wir haben da sogar extra Rezepte entwickelt“, erzählt Müller, „Andorianisches Ale haben wir beispielsweise aus Zitronenlimonade und alkoholfreiem Blue Curacao zusammengemischt.“

Mehrere Generationen an Gästen und Pächtern

Trekkie-Partys sind aber die nicht die einzige Gelegenheit, die Müller mit einer gewissen Wehmut an die Kneipe in der Holzstraße denken lässt. „Das war eine echte Mehrgenerationenkneipe. Und der Biergarten war ganz toll, mit seinen hundertjährigen Buchen. Heute erinnert nichts mehr daran.“ Die Bäume verschwanden mit dem Gebäude. Heute stehen Mehrfamilienhäuser auf dem Grundstück.

Jenny Kretschmann begann in der Schlüters-Küche, damals unter Pächter Marc Langhorst. „Er ist dann raus gegangen und ich wollte nicht, dass der Laden zumacht“, so Jenny Kretschmann. „So kam mir die spontane Idee, selbst die Kneipe zu übernehmen.“ Nach längerem Hin- und Her-Überlegen zog sie den Plan durch. Vier Jahre vor dem Abriss war sie die Chefin im Schlüters.

Das Publikum war da, das Konzept lief, also konnte sie sich auf ein paar kleine Renovierungsarbeiten beschränken. „Wir haben das Schlüters damals so übernommen, mit Publikum und allem drum und dran“, erinnert sich Marcus Liedschulte, der damals dort arbeitete. „Nur in der Küche haben wir was verändert und zusätzlich vegane und vegetarische Sachen angeboten. Heute wäre das wohl der Renner.“

Nach dem ersten Abriss ging Schlüters ins Exil

2003 aber kam das Ende. An einem Freitagabend wurde damals das letzte Fass geleert. Schon bald darauf sorgte der Abriss für das unwiederbringliche Ende der Traditionskneipe - aber nicht für das Ende des Schlüters: Unter dem Namen SIX, „Schlüters im Exil“, siedelten Jenny Kretschmann und Marcus Liedschulte, der nun als Pächter unterschrieb, um: an die Wartburgstraße 18. Zwischen Hauptbahnhof und Rütgers, direkt neben dem K+K-Supermarkt.

Freier Blick auf Rütgers: Bevor der Supermarkt seine Parkfläche erweiterte, stand hier ein Haus. Von 2003 bis 2007 befand sich im Erdgeschoss das SIX, das Schlüters im Exil. © Christian Püls

Doch die veränderte Lage und eine vergleichsweise geringe Größe der neuen Räumlichkeiten schreckten offensichtlich einige Stammkunden ab. „Die Leute waren verwöhnt vom ruhig gelegenen Biergarten, statt nun an der Hauptstraße zu sitzen“, erklärt Jenny Kretschmann heute. Aber: „Es war trotzdem lustig.“

Das SIX-Publikum war weniger durchmischt. Der Laden entwickelte sich eher zu einem Treffpunkt der linksalternativen Szene. „Das ältere Publikum ist nicht mitgekommen“, erinnert sich Marcus Liedschulte. „Dadurch ist der Laden ein wenig zum Teenie-Treffpunkt geworden.“ Die Jugendlichen hätten sich zum Teil im benachbarten Supermarkt mit Bier versorgt, um es auf dem Parkplatz zu trinken. Vom SIX nutzten sie indes nur die Toiletten.

Vier Jahre Übergangslösung, dann folgte Abriss Nummer zwei

„Eigentlich sollte das SIX nur eine Übergangslösung sein“, sagt Marcus Liedschulte. Dennoch konnte sich das Schlüters im Exil vier Jahre halten, bevor es seine Türen schließen musste. Und das nicht wegen mangelnden Erfolgs, sondern weil erneut der Abrissbagger anrückte. „Zwei Wochen nach Vertragsunterschrift haben wir erfahren, dass das Haus unter Zwangsverwaltung steht“, sagt Liedschulte heute.

Nach dem Abriss erweiterte der Supermarkt seine Parkfläche. So war das Schlüters endgültig Geschichte.

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