Die Fahrradhändler haben ihre Läden zwar gefüllt, aber nicht immer ist das Wunschrad des Kunden dabei. © Dieter Düwel
Radfahren
Der Fahrrad-Boom hält an: Kunden müssen oft lange auf Wunschrad warten
Der Run auf Fahrräder ist ungebrochen. E-Bikes sind der Renner. Kunden müssen beim Kauf eines Velos oft genug ihre Wünsche zurückstellen – oder lange warten.
Selbst für Fahrrad-Händler ist aktuell Spannung angesagt: „Man kann im Moment noch gar nicht genau sagen, welche Fahrräder wir im nächsten Jahr geliefert bekommen, durch den Boom der letzten Jahre sind viele Händler komplett leer gekauft worden.“ So fasst Gertrud Schmitz von „Zweirad Schmitz“ in Castrop-Rauxel das Dilemma im Fahrradhandel zusammen.
Vorwiegend E-Bikes und Pedelecs sorgen für den Fahrrad-Boom. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland mehr als fünf Millionen Räder verkauft, fast 40 Prozent davon mit Akkubetrieb. Der Handel verbuchte einen neuen Umsatzrekord von circa 6,4 Milliarden Euro.
Lange Wartezeiten beim Kauf des Wunschrads
Aber die Kehrseite der Medaille sind lange Liefer- und Wartezeiten, die Kunden in Kauf nehmen müssen, wenn die Vorstellungen vom Wunschrad in Erfüllung gehen sollen.
Wie lange man letztlich auf das Objekt der Begierde warten muss, ist schwer vorherzusagen, wie Volker Anderl von „2Rad Anderl“ in Castrop-Rauxel-Ickern erklärt: „Wenn jetzt ein Kunde ein Modell haben möchte, das ich nicht frühzeitig bestellt habe, ist das nicht so schnell zu haben.“ Oder der Kunde habe Glück, weil sein Wunschrad unter den vorbestellten Rädern sei.
Anderl selbst musste über ein Jahr auf die Lieferung seines E-Bikes warten: „Ich habe mein Privatrad im Februar 2020 bestellt, vor drei Monaten wurde es endlich geliefert. In diesem Fall fehlten die Chips für die digitale Steuerung.“
Der Händler hat Verständnis für die Kunden, die nach einem bestimmten Rad fragen und dann enttäuscht sind, wenn es nicht vorrätig ist: „Oft bieten wir ihnen etwas Ähnliches an, aber die meisten sind sehr auf ihr Wunschrad fixiert.“
Händler hilft mit Leihrad aus
So wie zwei Habinghorster. Die beiden hatten für ihre neuen Trekking E-Bikes im Internet recherchiert und sich auf ein bestimmtes Modell eingeschossen, weil das Preis-Leistungsverhältnis stimmte: „Wir machen oft Urlaub in den Bergen und legen daher Wert auf einen vernünftigen Motor und einen leistungsstarken Akku. Unsere Wunschräder waren beim Händler nicht vorrätig, also wurden sie im November letzten Jahres bestellt.“
Die beiden Habinghorster können endlich Fahrradtouren auf ihren neuen Rädern gemeinsam machen. © Dieter Düwel
Während das Herrenrad bereits im Januar zur Verfügung stand, verzögerte sich die Lieferung des Damenbikes bis in den Oktober. „Das war besonders ärgerlich, weil das Herrenrad schon früh geliefert worden war. Aber netterweise hat uns Volker Anderl ein ähnliches Leihfahrrad zur Verfügung gestellt, so dass wir den Sommer überbrücken konnten“, berichten die beiden.
Sie zeigen Verständnis für die Probleme der Händler: „Die können am wenigsten dafür und müssen sich oft den Unmut der ungeduldigen Kunden anhören.“
„Würde auch ein Jahr auf mein Wunschrad warten“
Auch Uwe Maleszka, passionierter Radfahrer, der im Jahr über 5000 Kilometer abspult, hatte beim Kauf seines Wunschrads mit einer langen Lieferzeit gerechnet. Umso erfreuter war er, als das Bike bereits nach zwei Monaten eintraf.
„Ich wollte unbedingt ein E-Bike mit vollelektronischer 14-Gang-Nabenschaltung haben, das beim Händler nicht vorrätig war. Mir wurde eine Lieferzeit von über vier Monaten in Aussicht gestellt. Aber einige Komponenten waren offensichtlich schon früher verfügbar. Ich hätte auch ein Jahr auf mein Rad gewartet.“
Uwe Maleszka lässt die Abnahme seines neuen Rads von Händler Volker Anderl vornehmen. © Dieter Düwel
Wichtige Komponenten fehlen immer noch
Händlerin Gertrud Schmitz sieht sich in dem Dilemma, dass die Lieferzeiten der Hersteller immer wieder verschoben werden: „Das Problem ist, dass wegen der Pandemie in der ganzen Welt immer noch Werke still stehen und somit oft wichtige Komponenten für die Fahrräder fehlen, wie zum Beispiel Schaltungen, Antriebe, Ketten oder Bremsen. Dadurch wurden ganze Modellreihen verschoben. Wir warten aktuell immer noch auf Räder, die wir vor Monaten bestellt haben.“
Volker Anderl bestätigt das: „Bei uns kommen jetzt so langsam Räder rein, die eigentlich Anfang des Jahres eintreffen sollten. Wir haben bestimmt über 500 Räder vorbestellt. Im Moment können wir die Räder nur verkaufen ohne exakte Angabe der Lieferzeit, da wir sie selbst nicht kennen.“ Daraus hat der Ickerner Händler seine Lehren gezogen: „Die Modelle für das nächste Jahr habe ich bereits Ende 2020/Anfang 2021 geordert.“
Werkstatttermine lassen auf sich warten
Längere Wartezeiten gibt es auch für Werkstatttermine. Dazu Gertrud Schmitz: „Es wird einfach mehr Fahrrad gefahren und daher steigt auch der Verschleiß. Es gibt Werkstätten, die ihre nächsten Termine im Januar vergeben, wir haben glücklicherweise im Moment einen Vorlauf von drei Wochen.“ Auch bei „2Rad Anderl“ ist man bemüht, die Wartezeiten kurz zu halten. „Wir bestellen viele Ersatzteile vor und halten sie auf Lager“, so Volker Anderl.
Kunden aus ganz Deutschland kommen nach Castrop-Rauxel
Kunden, die auf ganz bestimmte Fahrradmodelle fixiert sind, setzen oft ihre ganze Hoffnung auf das Internet. Das spüren auch die heimischen Händler. Die Website von „Zweirad Schmitz“ wurde erheblich erweitert, um Kunden die Möglichkeit zu geben, die Bestände online zu sehen.
„Die Resonanz darauf ist riesig. Wir haben Aufträge zum Beispiel aus Berlin oder aus Belgien. Die Räder werden bei uns abholfertig gemacht. Die Beratung und der Service vor Ort sind sehr wichtig“, so Gertrud Schmitz.
Auch Volker Anderl hat Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet: „Ich hatte jetzt einen Kunden aus Hamburg, der sich bei uns ein Rad gekauft hat. Es gibt viele Interessenten, die ganze bestimmte Vorstellungen von ihrem Rad haben und dafür auch lange Transportwege in Kauf nehmen.“
SUV E-Bikes stark im Trend
Einig sind sich die Händler, dass der Run auf die Räder anhalten wird. Welche Trends für das nächste Jahr zeichnen sich ab? Anderl und Schmitz sehen vor allem SUV (Sport Utility Vehicles) E-Bikes stark im Kommen. „Die Räder mit den profilierteren Reifen werden verstärkt nachgefragt“ so Gertrud Schmitz. „Der Trend wird sich weiter fortsetzen, weil einfach mehr und überall gefahren wird. Auf einem Wald- oder Schotterweg zum Beispiel sind die griffigere Reifen angebracht. Da sind die SUV E-Bikes natürlich vorteilhaft.“
Auch bei „2Rad Anderl“ liegen bereits viele Vorbestellungen für die Räder vor, wie der Händler erklärt: „Viele Kunden stehen auf die Kombination aus Trekkingrad und Mountainbike und legen Wert auf eine hochwertige Ausstattung.“
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