
© Ronny von Wangenheim
Polizisten-Morde: „Es kann jeden von uns zu jeder Zeit und an jedem Ort treffen“
Polizei
Die Polizisten-Morde in Kusel treffen jeden Polizisten ins Herz. Zwei Beamte aus Castrop-Rauxel sprechen über Polizeialltag, Wutbürger und den Wunsch nach Respekt und Vertrauen in die Polizei.
Die Atmosphäre in der Polizei-Dienststelle in Castrop-Rauxel ist in diesen Tagen eine ruhige, eine nachdenkliche. „Es ist sehr bedrückend“, sagt Polizeioberkommissar Markus Häbel. Was über allem hängt, sind die Polizisten-Morde von Kusel in Rheinland-Pfalz vor einer Woche. Zwei junge Polizisten wurden bei einer Routinekontrolle erschossen. „24 und 29 Jahre alt, die hatten ihr Leben doch noch vor sich“, sagt Häbel, selbst 47 Jahre alt.
Polizeihauptkommissar Dennis Brotte (37) und Markus Häbel sind beide in Castrop-Rauxel im Streifendienst unterwegs. In der Abteilung Gefahrenabwehr, so heißt es offiziell. Mit uns sprechen sie über Alltags- und Extremsituationen, von einer sich verändernden Gesellschaft und von der Professionalität der Polizei.
Am Freitag (4.2.) hielten alle Beamten im Dienst vor der Wache, so wie viele ihrer Kollegen überall in Deutschland, eine Schweigeminute ab, erzählen sie. „Autofahrer, die an der Ampel warteten, haben die Motoren ausgemacht und gewartet, bis die Schweigeminute vorbei war“, sagt Dennis Brotte. Das habe gut getan.
„Es kann jeden zu jeder Zeit und an jedem Ort treffen“
Auch unterwegs auf Streife werden sie angesprochen, spüren die Anteilnahme der Bürger, auch ihre Solidarität in diesen Tagen. Die Polizisten-Morde, sie haben überall in Deutschland den Blick auf die Arbeit der Polizei gelenkt. „Kusel ist nicht weit weg“, sagt Häbel, „wir sind eine Gefahrengemeinschaft.“ Brotte verweist auf den Hashtag #ZweiVonUns: „Das passt“, sagt er.
Dass aber von einer neuen Zeitrechnung gesprochen wird, so wie der Kaiserslauterner Polizeipräsident es sagte und es vielfach zitiert wird, soweit wollen die beiden Castrop-Rauxeler Polizeibeamten nicht gehen. „Es kann jeden zu jeder Zeit und an jedem Ort treffen“, sagt Markus Häbel. Darauf sei man professionell vorbereitet. Bei Einsätzen wie einer simplen Ruhestörung, bei einem Unfall oder bei einer Verkehrskontrolle.
Solidarität mit der Polizei forderte jetzt NRW-Innenminister Herbert Reul. „Was wir brauchen, ist ein klares Bekenntnis zur Polizei und Vertrauen in die Polizei“, schrieb Reul in einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“. Vor Ort in Castrop-Rauxel sehen die Beamten das ähnlich. „Es ist ein generelles Misstrauen da“, sagt Dennis Brotte.
Minderheit der Wutbürger, die alles kritisieren, wird immer lauter
„Warum stellt ein 14-Jähriger Maßnahmen in Frage? Warum wird nicht akzeptiert, wenn wir bei einer Ruhestörung eingreifen oder einen Personalausweis kontrollieren wollen?“, fragt er und betont: „Wir sind super ausgebildet, wir haben alle studiert. Wir wissen genau, welche Maßnahmen wir treffen können.“
Man müsse doch froh sein, dass es eine Institution gebe, die einen schützt – auch das sagen beide. Und doch erfahren sie etwas anderes: Statt „Gut, dass ihr da seid“ hören sie „Warum parkt ihr hier im Weg? Ich komme nicht durch!“ Dass Menschen mitten in eine Absperrung der Polizei hineinfahren und erst kurz vor einem Verletzen stehen bleiben, auch das haben sie schon erlebt. Einmal wurden sie angegriffen, als sie Erste Hilfe leisten wollten. Da fragen sie sich schon, wie das weitergehen wird.
„Ich wünsche mir eine Willkommenskultur, wie es sie früher gab“, sagt Markus Häbel, seit 2010 Polizist. Er meint damit, dass die Polizei mehr Respekt bekam, mehr als Freund und Helfer gesehen wurde. Sein Kollege stimmt ihm zu.
Hemmschwelle, Polizei zu beleidigen, ist gesunken
Beide beziehen ausdrücklich die Feuerwehr und Rettungssanitäter ein, die beobachten eine ähnliche Entwicklung. „Die Hemmschwelle, die Polizei verbal zu beleidigen, ist deutlich niedriger als früher“, sagt Häbel. Dabei komme man doch, um Hilfe zu leisten oder um Recht durchzusetzen.
Beide sprechen über Menschen, die von Wut geleitet werden, die fürchten, dass die Polizei ihnen ihre Rechte nehmen will, die alles kritisieren. Sie berichten von Fremden, die sich unvermittelt mit Betroffenen solidarisieren und dadurch gefährliche Situationen entstehen lassen. Beide betonen aber auch, dass es sich um einen kleinen Teil der Bevölkerung handele. Aber eben einen lauten.
Die Polizistenmorde bringen das alles noch mehr ins Bewusstsein. Auch in den Familien werde darüber gesprochen, so sagen sie. Und ja, da sei auch Sorge. Aber eigentlich leben sie damit. „Eigensicherung ist immer ein Thema“, sagt Dennis Brotte. „Wir sind professionell vorbereitet“, sagt Markus Häbel. Menschliches Handeln sei nicht immer vorhersehbar. Auch das habe Kusel bewiesen.
Polizisten lieben ihren Beruf: „Eine Ehre“
„Ich wurde schon im Dienst verletzt, du wurdest schon im Dienst verletzt“, sagt Häbel mit Blick auf seinen Kollegen. „Der Polizeiberuf ist ein guter Beruf, aber es ist auch ein gefährlicher Beruf.“
Er ist seit 2010 bei der Polizei, Brotte sogar seit 20 Jahren. Und das mit vollem Herzen, das spürt man im Gespräch. „Kein Tag ist wie der andere“, sagt Markus Häbel. Und: „Wenn ich ein Menschenleben rette, dann ist das eine Berufszufriedenheit, die nachhaltig ist.“
Dennis Brotte ergänzt: „Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die diesen Beruf ausüben. Davon Teil zu sein, ist eine Ehre.“ Und dazu gehören eben auch belastende Momente wie die Ereignisse aus Rheinland-Pfalz. „Es ist bedrückend“: Markus Häbel unterstreicht am Ende des Gesprächs das, was alle Polizisten gerade innerlich beschäftigt. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Wir vertrauen uns unser Leben an. In vielen Situationen hilft uns das.“