
© Team Schwabe
Daniel Djan überwältigt von Friedens-Demo in Berlin: „Überall Menschen“
Krieg in der Ukraine
Er ist Ratsherr, arbeitet im Wahlkreis-Büro des Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe. Auf dessen Einladung war Daniel Djan (SPD) bei der Ukraine-Demo in Berlin. Und war geflasht.
Von 100.000 Menschen sprachen offizielle Stellen, eine halbe Million schätzte der Veranstalter. Es waren auf jeden Fall sehr viele Menschen, die am Sonntag in Berlin auf die Straße zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor gingen. Sie zeigten, dass sie vom Krieg Putins gegen die Ukraine nichts halten und an der Seite der angegriffenen Demokraten in der Ukraine stehen.
Unter den Menschen war Daniel Djan, Castrop-Rauxeler Ratsherr der SPD und Mitglied des Teams um den Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe. Im Interview erzählte er uns am Tag nach der Demo von seinen Erlebnissen.
Wie war Ihr Eindruck von der Stimmung in Berlin?
Ich habe die Menschen dort als sehr entschlossen wahrgenommen. Für alle stand fest: Wir möchten diesen Krieg nicht. Viele Menschen mit ukrainischen Wurzeln waren vor Ort, aber auch Menschen aus Russland und Belarus. Auch sie haben gegen diesen Krieg protestiert. Die Stimmung in Berlin hat den Eindruck der letzten Tage bestätigt: Das ist nicht der Krieg der Bevölkerung dieser Länder, das ist einzig und allein Putins Krieg.
Wo waren Sie genau und was war um Sie herum los?
Zunächst waren wir mit Frank Schwabe im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags. Er hat sich dort auf seine Rede in der Sondersitzung des Parlaments vorbereitet. Mit ein paar Leuten aus seinem Team sind wir dann zum Brandenburger Tor gelaufen. Wir waren von Beginn an erstaunt, wie viele Menschen da waren. Unsere Info am Morgen war, dass eine Teilnehmerzahl von 20.000 erwartet wird. Auf dem Weg zur Demo ist uns klar geworden, dass es deutlich mehr werden. In den Medien hieß es „mehr als 100.000“, die Veranstalter berichten sogar von 500.000.
Das Bild war beeindruckend: Vom Brandenburger Tor aus blickte man in Richtung Siegessäule und überall, wirklich überall waren Menschen. Ein ukrainisches, in Deutschland lebendes Pärchen bat mich, ein Foto von ihnen zu machen. Die Frau sagte mir sehr gerührt, wie stolz sie wäre, dabei sein zu können und mit so vielen Menschen gegen diesen Krieg zu protestieren. Eine Gruppe junger Ukrainerinnen und Ukrainer sangen ganz in blau und gelb gehüllt die Nationalhymne und riefen immer wieder „Slava Ukraini!“ – Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden.
Warum waren Sie dort?
Auf Frank Schwabes Vorschlag sind wir spontan am Samstag nach Berlin gereist, um am Sonntag dabei sein zu können. Bei einem so furchtbaren Ereignis stellt man sich immer die Frage: Kann ich irgendetwas dagegen tun? Wie kann ich helfen? Ich hätte nicht einfach zu Hause herumsitzen können, während der Krieg immer näher an uns herantritt. Meine Eltern kommen aus Syrien – einem Land, in dem es junge Menschen gibt, die nichts anderes als Krieg kennen.
Ich kann die Angst der Menschen in der Ukraine und auch hier in Deutschland um Freunde und Verwandte extrem gut nachvollziehen und wollte ihnen mit ganz vielen anderen Menschen zeigen, dass wir an ihrer Seite stehen. Auch den mutigen Menschen, die in Russland für den Frieden protestieren. Einen Krieg kann man einfach nicht gewinnen, am Ende verliert jeder.

Demonstrierte am Sonntag (27.2.) in Berlin gegen den Krieg, für Frieden in der Ukraine: Daniel Djan, Ratsherr der SPD aus Castrop-Rauxel © privat
Wie schätzen Sie die Situation ein: Bekommen wir bald Frieden oder wird alles noch viel schlimmer?
Das ist eine unglaublich schwierige Frage. Ich vertrete immer die Position Helmut Schmidts: Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen. Aber wie möchte man mit einem Wladimir Putin jetzt noch diplomatische Beziehungen führen? Wie soll man diesem Menschen in Zukunft noch vertrauen, der uns angelogen und im gleichen Zuge die Ukraine hinterrücks angegriffen hat? Wenn man sich die Angriffe Putins aus dem Norden, dem Osten, aber auch aus dem Süden über die Krim anschaut, wird deutlich, dass diese Invasion mindestens seit der Krim-Annexion 2014 akribisch geplant worden ist. Das war kein „Schnellschuss“.
Frieden bekommen wir nur mit einem geeinten Europa, zu dem unbedingt auch Russland gehören muss. Das wird mit Putin aber nicht mehr möglich sein, das Tischtuch hat er endgültig zerschnitten. Die größten Chancen auf Frieden sehe ich aktuell in den Protesten in Russland. Wenn immer mehr Menschen zeigen, dass sie die egomanische Kriegstreiberei Putins nicht unterstützen, könnte er seinen Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Auf lange Sicht wird es mit diesem Mann an der Spitze Russlands keinen Frieden geben können – nicht für die Menschen in der Ukraine, nicht für die Menschen in Europa und auch nicht für die Menschen in Russland.
Um zu zeigen, wie absurd Putins angebliche Sorgen vor der Nato-Osterweiterung sind, braucht man sich nur anzuschauen, wie groß der Anteil russischer Gasimporte am Gesamtverbrauch einiger Länder ist. Bei uns sind es knapp 50 Prozent, in Finnland fast 100. Putin behauptet, dass er sich nur vor dem Westen verteidigen wolle. Wieso sollte der Westen sich über Jahre vermehrt in eine Abhängigkeit begeben, um dann dieses Land anzugreifen? Es ist ein wirklich skurriles Ablenkungsmanöver eines Despoten, der versucht, seinen Krieg zu rechtfertigen und die Grenzen Russlands wieder auszuweiten.
Was würden Sie sich nun mit Blick auf Ihre Heimatstadt CAS für die Situation wünschen?
Dass wir jetzt zusammenstehen und die Hilfsangebote unterstützen. Die EU rechnet mit bis zu sieben Millionen Menschen, die aus dem Kriegsgebiet flüchten werden. Wenn es um die Verteilung dieser Menschen geht, ist es unsere humanitäre Pflicht, diesen Menschen Schutz zu bieten – schnell und unbürokratisch. Für die 67 Menschen mit Wurzeln in der Ukraine – aber auch für alle anderen Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt – wünsche ich mir, dass dieser Krieg möglichst bald vorbei ist.
Sie haben die Bilder von Frohlinde gesehen: Was können die Menschen in Castrop-Rauxel nun Gutes tun?
Wir haben die Bilder am Abend im Zug auf der Rückreise gesehen. Das war ein wirklich emotionaler Moment. Danke an all die Menschen, die auf irgendeine Weise an dieser Aktion beteiligt gewesen sind: Ihr seid der absolute Hammer!
Viele Menschen fühlen sich aktuell hilflos und glauben, dass sie nichts tun können. Doch es gibt so viele Möglichkeiten: Es gibt viele Hilfsorganisationen, die Spenden sammeln für Lebensmittel, oder Notunterkünfte und Hilfen zur Flucht. Man kann auf die Straße gehen und ein wichtiges Zeichen setzen, dass Putins Krieg nicht von uns gewollt ist. Aber auch auf lokaler Ebene gibt es ganz wichtige Aufgaben: Viele Menschen haben Angst vor diesem Krieg. Redet mit ihnen, hört ihnen zu! Lasst sie wissen, dass sie in dieser Zeit nicht alleine sind.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
