Die Stadt hat verschiedene Einnahmequellen - unter anderem Steuern. Wofür diese ausgegeben werden wird deutlich, wenn man sich die Ausgaben auf jeden Einwohner heruntergerechnet anschaut.
Familie Krumme, das sind Reinhold Beck (47), Wiebke Krumme (39) und die Kinder Klara (6) und Jakob (8). Sie wohnen in einem Einfamilienhaus in Merklinde. Seit diesem Jahr gehen beide Kinder in die Schule. In ihrer Freizeit gehen sie gerne ins Westfälische Landestheater und Schwimmen. Die Kinder spielen zudem Korfball beim Schweriner Korfball-Club.
Für manches muss die Familie Eintritt bezahlen - wie beispielsweise das Schwimmbad. Anderes kostet sie im ersten Moment nichts - wie beispielsweise ein beleuchteter Bürgersteig auf dem winterlichen Weg nach Hause. Doch auch die Laternen müssen finanziert werden. Und jemand mäht den Rasen im Erin-Park - nicht ehrenamtlich. Mit den 3,50 Euro Eintritt ins Hallenbad ist Personal, Instandhaltung und Sanierung ebenfalls nicht abgedeckt.
Dafür - und für viele andere Ausgaben - gibt es den Haushalt der Stadt. Der Geldbeutel für alle Castrop-Rauxeler wird gefüllt durch
- Gebühren (Friedhofsgebühren, Verwaltungsgebühren etc.)
- Schlüsselzuweisungen und Konsolidierungshilfen vom Land NRW
- Förderprogramme (z.B.: „Gute Schule 2020“)
- Zuweisungen und Zuschüsse (z.B. für die Kita/Tagesbetreuung)
- Steuereinnahmen wie Grundsteuer und Gewerbesteuer
Die Gesamterträge belaufen sich auf 213.088.952 Euro pro Jahr (Haushaltsplan 2018). Die Stadt hat also 2870 Euro, die sie für jeden Einwohner ausgeben kann (bei einer Einwohnerzahl von 74.220). Doch wofür eigentlich?
Das sollte man zu diesem Bericht wissen

Iris Müller © Stephan Schütze
Anschaulicher werden diese nackten Zahlen, wenn man die Summen auf jeden Castrop-Rauxeler herunterrechnet, auch wenn nicht jeder Castrop-Rauxeler Steuern zahlt, weil er beispielsweise noch ein Kind ist und einige Steuer-Einnahmen kommen auch von Auswärtigen, die beispielsweise ein Gewerbe in der Stadt haben. Durch das Herunterbrechen zeigt sich jedoch im Verhältnis, was die Stadt zum Beispiel dafür ausgeben muss, damit Familie Krumme günstig ins Schwimmbad gehen kann und was sie andererseits für Sozialausgaben bereithalten muss.
Bei den folgenden Beispielen betrachten wir immer den Zuschussbedarf pro Jahr und Einwohner. Von den Gesamtaufwendungen sind dann schon die Erträge, etwa durch Gebühren, Zuwendungen und Zuschüsse, abgezogen. Übrig bleibt das, was jeder Castrop-Rauxeler noch zahlen muss.
Da die Stadt Castrop-Rauxel kreisangehörig ist, ist beispielsweise die Polizei ausgelagert. Der Kreis Recklinghausen finanziert sich jedoch über die angehörigen Kommunen. Die Stadt Castrop-Rauxel zahlt dem Kreis also eine sogenannte Umlage, damit Polizei, Straßenverkehrsamt, Gesundheitsamt, Veterinäramt etc. von dort finanziert und unterhalten werden. Damit ist der Betrag, den die Stadt pro Einwohner ausgeben kann, schon geringer geworden.
Bereich öffentliche Ordnung
Feuerwehr
39,15 Euro kostet Brandschutz und Gefahrenabwehr je Einwohner. Dazu zählen auch Personal, Sach- und Dienstleistungen (zum Beispiel neue Uniformen für die Feuerwehrbeamten) und Abschreibungen zum Beispiel auf Geräte, Autos und die Feuerwehrwachen.
Bereich Kultur
WLT
4,07 Euro kostet das Westfälische Landestheater je Einwohner. Das Theater wird darüber hinaus unter anderem vom Land NRW und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe finanziert, spielt aber als Theater auf Rädern auch nicht nur in Castrop-Rauxel.
Stadtbibliothek
3 Euro kostet das Angebot der Stadtbücherei je Einwohner. Dazu zählen Personal und Beschaffung neuer Medien. Derzeit stehen rund 61.250 Medien zur Verfügung, die im Jahr 2017 von 2231 Nutzern 112.405 mal ausgeliehen wurden. Zudem ist die Stadtbibliothek an der elektronische Ausleihe im Rahmen der „Digitalen Virtuellen Bibliothek“ (DiViBib) angeschlossen. Hierbei können Leser von zu Hause aus digitale Medien auf den eigenen Rechner bzw. mobile Endgeräte (Tablet-PC, EBook-Reader, MP3-Player, Smartphone) herunterladen und zeitlich begrenzt nutzen. Derzeit umfasst der virtuelle Bestand 24.060 E-Medien.
Städtepartnerschaften
0,64 Euro zahlt jeder Einwohner für die acht Städtepartnerschaften der Europastadt. Der europäische Gedanke soll so auch in Vereine, Schulen, Kultur und Wirtschaft getragen werden. Hierfür gibt es keinerlei Zuwendungen oder Zuschüsse. Die Gesamtaufwendungen von 47.500 Euro inklusive Personal müssen also komplett durch die Castrop-Rauxeler finanziert werden.
Stadtarchiv
1,47 Euro zahlen Bürger für das historische Gedächtnis der Stadt. Es verfügt über Archivalien seit dem 17. Jahrhundert.
VHS
6,35 Euro kostet das Angebot der Volkshochschule je Einwohner. Die Volkshochschulen finanzieren sich in Deutschland aus den Teilnahmegebühren (ca. 40 Prozent), öffentlichen Zuschüssen von Kommunen (ca. 27 Prozent) und Ländern (ca. 14 Prozent) sowie Drittmitteln aus SGB-III, Bundes- und EU-Mittel (ca. 19 Prozent).
Bereich Soziales
Betreuung von Kindern
132,98 Euro kostet die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege je Einwohner. Das ist ein großer Posten im Haushalt der Stadt - und das, obwohl die Eltern für die Betreuung der Kinder Beiträge zahlen müssen. Doch nur der geringste Teil der Kita-Aufwendungen wird nach Angaben der Stadt über Elternbeiträge finanziert. Eigentlich sollten durch Elternbeiträge 19 Prozent gedeckt sein, aufgrund der Sozialstruktur sind es in Castrop-Rauxel nur knapp 11 Prozent. Zum Teil gibt es spezielle Zuweisungen des Landes. Ansonsten kommt die Stadt Castrop-Rauxel selbst auf.
Für die städtischen Kitas zahlt die Stadt alle erforderlichen Aufwendungen, also insbesondere Personalaufwendungen und Sachleistungen (z.B. im Kontext mit der Essensversorgung in Kitas). Die Stadt zahlt auch notwendige Investitionen in Gebäude, Ausstattung, Inventar. Für Kitas anderer, beispielsweise konfessioneller Träger zahlt die Stadt Zuschüsse, die nur zum Teil über Landesmittel refinanziert werden.
Schulen
64,40 Euro - und damit etwa die Hälfte im Vergleich zur Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen - kostet die Beschulung. Das liegt vor allem daran, dass die Lehrer vom Land NRW bezahlt werden. Die Stadt Castrop-Rauxel ist Schulträger und zahlt für die Sachausstattung, also Schulgebäude, Inventar, Lehr- und Lernmittel sowie die Aufwendungen für das nicht-lehrende Personal (Sekretariate, Hausmeister, OGS-Kräfte). Schulsozialarbeiter werden aktuell durch den Kreis Recklinghausen refinanziert. Das Berufskolleg liegt ebenfalls in den Händen (beziehungsweise im Geldbeutel) des Kreises.
Jugendzentren
20,21 Euro kostet die Unterhaltung der Jugendzentren in den verschiedenen Stadtteilen je Einwohner. Dazu gehören Personal, Inventar und Programm.
Gleichstellung der Geschlechter
1,08 Euro gehen pro Einwohner an die Gleichstellungsstelle der Stadt. Seit 1984 ist die Gleichberechtigung von Frau und Mann eine gesetzlich festgeschriebene Aufgabe der Gemeinden. Ziele sind, für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen und jegliche Art der Gewalt gegen Frauen und Kinder zu bekämpfen. In Kooperation mit vielen Beteiligten veranstaltet die Gleichstellungsstelle zum Beispiel die Frauenkulturtage, den Girls- und Boys-Day, Ausstellungen, Fachvorträge, Podiumsdiskussionen und Theaterprojekte.
Städtische Angestellte
750 Euro steuert jeder Einwohner Castrop-Rauxels für die Städtischen Angestellten bei. Achtung: Hier konnte die Stadt den Zuschussbedarf nicht ermitteln, dies ist also der Bruttobedarf. Finanziert wird dieser Posten durch den Gebührenhaushalt, Personalkostenerstattung und die Steuergelder. Zum Stand 1. Juli 2018 waren 1.166 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stadtverwaltung tätig, davon 219 Beamte und 947 Beschäftigte. Im Durchschnitt verdient jeder städtische Angestellte demnach 3978 Euro im Monat. Faktisch gibt es große Unterschiede zwischen dem Verdienst einer Sekretärin und einer Beamtin.
Tierheim
0,73 Euro gibt jeder Einwohner für das Tierheim ab. Die Anfänge gehen in das Jahr 1953 zurück. Heute ist der Tierschutz Castrop-Rauxel ein eingetragener Verein, der allgemein anerkannten, gemeinnützigen Zwecken dient.
Bereich Bau/Stadtentwicklung
Pflege von öffentlichen Grünflächen
42,45 Euro kostet die Pflege von öffentlichen Grünflächen, Parks, Friedhöfen und Spielplätzen je Einwohner. Dazu gehören unter anderem Rasenschnitt und Baumpflege.
Sportanlagen
21,22 Euro zahlt jeder Einwohner für Investitionen, Instandhaltung und Unterhaltung von Hallen-/Schwimmbädern und Sportanlagen. Die Unterhaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem EUV.
Denkmalschutz
0,44 Euro kostet der Denkmalschutz und die Denkmalpflege je Einwohner. Unter Denkmalschutz stehen unter anderem Erin- und Hammerkopfturm sowie das Schloss Bladenhorst.
Straßenbeleuchtung
13,47 Euro kostet es je Einwohner, dass die Laternen im Stadtgebiet leuchten können.
Familie Krumme findet, Familien sollten entlastet werden
Einige dieser Angebote nutzt Familie Krumme, andere nicht. Grundsätzlich sind die Merklinder der Meinung, dass Familien steuerlich mehr entlastet werden sollen, da sie viel mehr in die Gesellschaft „reinpumpen“. Sie haben ein Haus - zahlen also anders als beispielsweise ein Single, der eine Wohnung mietet, selbst Grundsteuer. Durch die Aktivitäten der Kinder, die ja selbst keine Steuerzahler sind - Schule, Sport, Schwimmen, Theater - zahlen sie mehr.
Ein besonderer Dorn im Auge ist Wiebke Krumme die Betreuung: „Mein Mann kommt aus Bayern und dort kosten die Kindergartenplätze im Vergleich zu Castrop-Rauxel sehr wenig, nahezu nichts. Es ist unverständlich, warum man für den Kindergarten so viel bezahlt und für Schule ja eigentlich gar nichts.“
Da jetzt beide Kinder in die Schule gehen, wird sie an dieser Stelle finanziell zwar entlastet, hat dafür aber ein Betreuungsproblem: „Es sollte mehr Betreuungsplätze in der Schule geben. Alle Unter-Zweijährigen haben einen Anspruch auf Betreuung und viele nehmen diesen Platz mittlerweile in Anspruch. Der Bedarf in der Grundschule ist genauso da. Ein Sechsjähriger kann genauso wenig alleine zu Hause bleiben wie ein Fünfjähriger. Wenn beide Elternteile berufstätig sind, wenn die Kinder klein sind, bleiben sie ja nicht plötzlich zu Hause, wenn die Kinder in die 1. Klasse kommen.“
Wiebke Krumme beklagt, dass Stundenpläne, die teilweise schon um 11 Uhr enden, für arbeitende Eltern ein Problem seien. Sie und ihr Mann müssten jetzt sehr viel mehr „jonglieren“. „Mit Beginn der Schulzeit ist das Familienleben komplizierter geworden“, so Krumme. Sie seien zum Glück einerseits auf der Arbeit flexibel und andererseits gut mit anderen Familien vernetzt. Dass bei ihnen zu Hause noch zwei Kinder mehr rumspringen, ist keine Seltenheit. Anders herum kann sie Klara und Jakob zu Freunden schicken, wenn sie und ihr Mann noch einen dienstlichen Termin haben. Krumme betont: „Ich möchte aber nicht nur OGS-Plätze sehen. Ich würde mir viel mehr eine flexible Betreuung wünschen. Wir waren in einem super Kindergarten, der das ganz toll hinbekommen hat. Warum ist so etwas nicht flächendeckend in Grundschulen möglich? Ich finde, da müsste man mal über neue Konzepte nachdenken.“
Für Schulen sollte nach Ansicht der Merklinder Familie nicht nur mehr in Betreuung investiert werden, sondern auch in Inventar, Materialien und Auflüge. Wiebke Krumme: „Traurig, dass Lehrer sich für Kopien rechtfertigen müssen.“
Gepflegte Spielplätze gewünscht
Im Bereich Bau-/Stadtentwicklung sieht Wiebke Krumme ebenfalls Potenzial. Ihre Kinder gehen jeden Morgen einen kleinen Fußweg von der Katharinenstraße zur Elisabethschule. Reinhold Beck: „Der ist wirklich nicht schön. Er ist dunkel, verdreckt, man findet Brennesseln, Glasscherben und Hundehaufen.“ Attraktive, gepflegte Spielplätze in den Vororten fehlen der Familie ebenfalls. Wobei: „In der Parkanlage in Bövinghausen gibt es seit ein paar Jahren einen tollen Spielplatz“, findet Wiebke Krumme.
An welcher Stelle sparen?
Mehr Geld in Kitas und Grundschulen fordert die Familie also. Doch an welcher Stelle sparen? Wiebke Krumme ist überrascht, wie viel Geld beispielsweise in die Volkshochschule fließt: „Wenn ich ins Fitnessstudio gehe oder einen Nähkurs irgendwo anders besuche, wird das doch auch nicht subventioniert.“
Grundsätzlich sieht sie aber ein, dass viele Dinge einfach notwendig sind, wie beispielsweise die Wartung der Straßenlaternen. „Neulich haben die bei uns nur tagsüber geleuchtet, abends aber nicht. Da fiel einem auf, wie sehr man sich an so etwas gewöhnt hat.“ Auch die Pflege von Grünflächen sei wichtig: „Wenn ich im Frühling die Straße entlang fahre und die Blumen blühen überall auf dem Grünstreifen, dann denke ich doch, wir wohnen in einem gesegneten Land.
Mein Ziel ist es, Sie gut zu informieren und gut zu unterhalten. Thematisch bin ich offen – Bildung, Familie und Nachhaltigkeit liegen mir besonders am Herzen.
