
Dem Team von „We are Pinsa“ (l.) gelang nur ein kurzes Gastspiel. Den anderen Neueröffnungen wie Venecia (M.) und Estilo Argentino (r.) ist mehr Erfolg zu wünschen. Sie starteten erst vor einigen Tagen mit ihren Geschäften in Castrop. © Weckenbrock/Varga/von Wangenheim
Castroper Altstadt: Elf Ladeneröffnungen und nur ein einziger Flop
Belebung der Innenstadt
Die Liste der Neueröffnungen von Geschäften in der Castroper Altstadt ist lang. So viele neue Läden wie zuletzt gab es lange nicht. Einige sind öffentlich gefördert, andere nicht. Ein Überblick.
Die Belebung der Altstadt in Castrop ist eines der Themen, über das seit Jahrzehnten gesprochen wird: Wann war die Innenstadt zuletzt ein richtiger Magnet? Wie kann sich eine mittelstädtische Altstadt bewähren, gerade in Nachbarschaft zu Dortmund, dem Bochumer Ruhrpark und anderen Zentren im Ruhrgebiet – und dazu dem Shopping im Netz?
Es hat sich etwas getan in der Castroper Altstadt: Aus einigen Leerständen sind in den vergangenen Wochen neue Geschäfte geworden. Bei zwei weiteren Leerständen sind Nachfolge-Nutzungen schon (so gut wie) in trockenen Tüchern. Einige nutzen das neue „Sofortprogramm Innenstadt NRW“ und kommen so auf sehr günstige und stark geförderte Mieten, andere lassen es links liegen. Wir geben einen Überblick (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) über elf Lokale, in denen sich in den vergangenen sechs bis sieben Monaten etwas getan hat – und erlauben uns eine vorsichtige Bewertung.
Innenstadtmanagement (seit Ende 2021): Eingezogen in ein Mini-Ladenlokal am Verbindungsweg zwischen Simon-Cohen-Platz und Fußgängerampel vor dem EKZ. Das Lokal ist oft nicht besetzt, aber die Mitarbeiter arbeiten im Hintergrund an der Belebung der Altstadt.

In der Münsterstraße 2c eröffnete Louis Burmann im Herbst Gelb Solar. Er organisiert für Kunden den Bau und die Planung von Photovoltaik-Anlagen und war der erste, der das Förderprogramm nutzte. © Natascha Jaschinski
Gelb Solar (seit Oktober 2021): Das Beratungsbüro für Photovoltaikanlagen zog an der Münsterstraße 2c ein, wo zuvor der Forum-Ticketshop war. Das Lokal ist klein und für Betreiber Louis Burmann für weniger als 100 Euro Ladenmiete absolut erschwinglich. TOP!
Knastladen (seit November 2021): Hier an der Lönsstraße werden Produkte verkauft, die in NRW-Gefängnissen hergestellt werden. Metall- und Holzarbeiten und andere Deko-Artikel, Marmeladen und kleine andere Geschenkartikel. Betrieben wird es von der JVA Essen und dem offenen Vollzug im Meisenhof in Ickern. TOP!
Bäckerei Auffenberg (seit November 2021): Magnus Heier vermietet die ehemalige Prosciutteria, die einige Jahre das Kaffeehaus am Münsterplatz war, jetzt an Castrop-Rauxels größte Bäckerei aus Ickern. Hier betreiben Isabell und Alexander Auffenberg einen ihrer größten Café-Standorte und sind sehr zufrieden mit der Resonanz. TOP!

„We are Pinsa“ eröffnete im November am Simon-Cohen-Platz. Rüstem Alemdar (M.) machte sich hier selbstständig, gab aber nach einem halben Jahr auf und ging wieder zurück in seinen Haupt-Job als Küchenchef im Café del Sol. © Tobias Weckenbrock
We are Pinsa (eröffnet im November, geschlossen im Mai 2022): Es war die erste Eröffnung im Ruhrgebiet, es hatte als Nachfolger von Backwerk einen guten Standort am Simon-Cohen-Platz (Im Ort 2). Aber die „Pinsen“ kamen offenbar nicht gut an in Castrop: Das Lokal schloss nach weniger als einem halben Jahr, die Pinsa gibt es nun nur noch im Café del Sol an der Grutholzallee, das zur gleichen Unternehmensgruppe gehört. EINEN VERSUCH WAR‘S WERT.
Bettenstudio Rega Prestige (eröffnet im Juli 2022): Gabriela Reffelmann hat gerade erst die Schlüssel erhalten und den Mietvertrag unterschrieben für das einstige Lichthaus am Biesenkamp an der Zufahrt zum Marktplatz. Sie wohnt seit 30 Jahren in Castrop-Rauxel, hat aber ihr Geschäft bisher in Lütgendortmund betrieben. Weil ihr dort gekündigt wurde, suchte sie einen neuen Standort. Hier nutzt sie nun das Fördergeld, auch wenn sie von dem großen Lokal mit über 600 Quadratmetern allein an Ausstellungsfläche nur etwa die Hälfte bezuschusst bekommt. Es ist auf 300 Quadratmeter gedeckelt. ABWARTEN.
Radstation (eröffnet im April 2022): Am Hauptbahnhof geschlossen, auf die Straße Im Ort zwischen Fußgängerzone und Busbahnhof gewechselt und damit eine der wenigen Radstationen mitten in einer Einkaufsstraße. Für Zug-Pendler fehlt derzeit am Bahnhof etwas.
Andere Berufs-Pendler werden die Altstadt-Option nur schwerlich nutzen können, es sei denn, sie pendeln auf der Emschertalbahn am Bahnhof Castrop-Süd. Der ist allerdings fast schon zu weit weg. Schön ist: Hier ist auch eine Werkstatt für kleinere Reparaturen. Das gab es in der Altstadt bisher nicht. Nutzt das Förderprogramm, steht aber auch unter dem Dach der Rebeq als sozialer Träger. WIRD SICH HALTEN.

Das Sportschuh- und Kleidungsgeschäft Venecia eröffnete Ende Mai an der Münsterstraße in Castrop-Rauxel. Naji Hadad und sein Sohn Mohammad kamen als Geflüchtete vor vier Jahren nach Castrop-Rauxel. © Nora Varga
Schuh- und Sportgeschäft Venecia (eröffnet im Mai 2022): Naji Hadad hat sich einen Traum erfüllt und sich mit einem eigenen Laden an der Münsterstraße selbstständig gemacht. Der Syrer flüchtete mit seiner Familie vor vier Jahren aus der Heimat, kam in die Europastadt mit diesem Vorhaben und wartete die Corona-Pandemie ab, ehe er nun startete – allerdings ohne das Soforthilfeprogramm. TOI TOI TOI!
Friseur Hair Styling Musti am Biesenkamp (eröffnet im April 2022): Mustafa Kaya (40), bekannt aus dem Castroper Salon Haarzauber, machte sich hier noch einmal selbstständig und ist somit Nachfolger eines kleinen Fitnessstudios. Er nutzt das Sofortprogramm und freut sich auf sein neues Projekt. Allerdings. Es gibt eine hohe Friseursalon-Dichte und damit harten Wettbewerb. Auf der anderen Seite: Haarschnitte braucht jeder. WIRD SCHON.

Ajla und Tilo Pinkert eröffneten zu Pfingsten ihr Estilo Argentino am Markt in Castrop und haben Fleischliebhaber aus der ganzen Region im Blick. © Ronny von Wangenheim
Estilo Argentino (eröffnet im Juni 2022): Diese Geschichte ist kaum zu glauben: Die Lüner Ajla und Tilo Pinkert wollten nicht mehr bis nach Köln fahren, um „gutes Fleisch“ zu kaufen. Darum machten sie sich unter dem Dach des Unternehmens selbstständig und suchten heimatnah ein Geschäftslokal. Sie fanden das Inserat von Immobilienbesitzer Winfried Radinger, der mit seiner Frau die Galerie art.ist im Lokal aufgeben wollte.
Sie schauten es an und waren sich schnell handelseinig – ohne Förderprogramm. Für Nischen-Produkte im eher hohen Preissegment fahren Kunden oft kilometerweit. Dieser Standort soll Ost-Ruhrgebiet und Süd-Münsterland bedienen. Eine Bereicherung für den Boulevard am Marktplatz ist das Geschäft allemal. KÖNNTE KLAPPEN.
Ehemals Deutsche Bank / Fleischerei Schmidt am Markt (noch offen): Noch sind die Vertragsverhandlungen nicht beendet, könnte es eine andere Nutzung geben, aber am wahrscheinlichsten ist ein Mietvertrag zwischen einer Systemgastronomie und dem Vermieter der Toplage-Immobilie direkt am Reiterbrunnen. Hier könnte ein Café/Bistro eröffnen, das den Marktplatz weiter aufwertet und das Angebot von Leutholds 1910, der Eisdielen Hitzefrei und Adriano und dem Restaurant Martins in direkter Marktplatz-Nähe ergänzt. GUTE IDEE, ABER ENDE OFFEN.
Guter Nebeneffekt: Die Fleischerei Schmidt am Markt muss zwar ausziehen, Fleischer Detlef Holz bleibt aber am Standort und zieht ein paar Meter weiter in das Ladenlokal, in dem bis vor gut einem Jahr das Herrenmode-Geschäft von Uli Borgerding ansässig war. Hier ist mehr Platz, Detlef Holz wird sein Angebot erweitern. Und ein weiterer Leerstand ist Geschichte.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
