Das Schreiben von Thomas Frauendienst an Papst Franziskus. Der Castrop-Rauxeler kämpft um Anerkennung, Sühne und Gerechtigkeit

© Tobias Weckenbrock

Castrop-Rauxeler zählt Woelki beim Papst an: Sühne für Missbrauchstaten

rnRücktrittsforderungen

Erst diverse Briefe an Kardinal Woelki, jetzt auch noch an Papst Franziskus: Missbrauchsopfer Thomas Frauendienst aus Castrop-Rauxel lässt nicht locker. Er will Aufarbeitung, Sühne – und Rücktritt.

Castrop-Rauxel

, 22.09.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Antworten, die Thomas Frauendienst aus Castrop-Rauxel bisher bekommen hat, kamen von Referentinnen: Jüngst, also am 12. August, schrieb ihm die Büroleiterin des Kardinal Reiner Maria Woelki, Erzbischof von Köln. Der Herr Kardinal, heißt es darin, habe „Ihr Schreiben vom 21. Juli gelesen und bat mich, Ihnen zu antworten.“

Die Antwort, die Thomas Frauendienst am 12. August erhielt, stellt den Castrop-Rauxeler nicht zufrieden. Sie fällt auch reichlich kurz aus. „Aufgrund der sehr vielen Termine als auch der zahlreichen Zuschriften ist es ihm leider nicht möglich, mit Einzelpersonen in einen inhaltlichen Diskurs zu gehen“, schreibt die Referentin. „Er bittet Sie um Ihr Verständnis. Deshalb empfiehlt er Ihnen, sich an das für Sie zuständige Bistum Paderborn zu wenden.“ Gerne dürfe sie ihm die besten Segenswünsche des Herrn Kardinal übermitteln.

Papst statt Paderborn

An den Erzbischof von Paderborn wenden? „Das mache ich nicht“, sagte Frauendienst. Und schrieb am 7. September stattdessen handschriftlich an Papst Franziskus. „Ich schreibe Ihnen diesen Brief in der Hoffnung, dass Sie als das Oberhaupt von zwei Milliarden Menschen diejenigen von ihrer Qual erlösen, die unsere Liebe, Mitgefühl und Hilfe brauchen. Nämlich die Missbrauchsopfer der katholischen und evangelischen Kirche.“

Der Castrop-Rauxeler Thomas Frauendienst ist anerkanntes Missbrauchsopfer und setzt sich aktiv auch für andere Missbrauchsopfer ein.

Der Castrop-Rauxeler Thomas Frauendienst ist anerkanntes Missbrauchsopfer und setzt sich aktiv auch für andere Missbrauchsopfer ein. © Marit Langschwager

Er erzählt von seinem Ersuchen nach Sühne beim „unnahbaren Erzbischof von Köln“: Anstatt den Missbrauchsopfern die Hand zu reichen, quittiere er sie mit Gutachten, die zurück gehalten würden. „Er scheint auch mehr gewusst zu haben über viele Missbrauchsvorgänge“, so Frauendienst. „Die Opfer haben zu lange gelitten und tun es noch. Seien Sie barmherzig und befreien Sie Kardinal Woelki von seinem Amt, denn er schadet der Mutterkirche.“

Ein einziges Signal an Anteilnahme erreiche viele Herzen und lasse die „dicken Mauern des Vatikan menschlich erscheinen“.

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„Ich schlage Ihnen vor...“

Den Brief sandte Frauendienst an die Apostolische Nuntiatur, die Botschaft des Heiligen Stuhls und des Vatikan in Berlin. Am selben Tag sendete er das Schreiben auch in Kopie an Kardinal Woelki mit einem erneuten Anschreiben an den Kardinal, das bisher ohne Antwort blieb: „Ich schlage Ihnen vor, dass wir uns in Köln zu einem Gespräch treffen, bei dem ich mir Ihre Argumente anhöre, Sie sich aber auch meine.“

Papst Franziskus war Mitte September in der Slowakei und Ungarn unterwegs. Ob er nach der Rückkehr Zeit für den Brief von Thomas Frauendienst hat?

Papst Franziskus war Mitte September in der Slowakei und Ungarn unterwegs. Ob er nach der Rückkehr Zeit für den Brief von Thomas Frauendienst hat? © dpa

Frauendienst will noch weiter gehen: Er fahre am Freitag (24.9.) zum letzten SPD-Wahlkampftermin von Olaf Scholz auf dem Heumarkt in Köln. Dann wolle er auch versuchen, bei Woelki vorbeizuschauen. Das wird schwierig: Der Erzbischof ist gerade mit den Mitbrüdern bei der Vollversammlung der Bischofskonferenz. Dann besuche er ihn eben künftig bei einem seiner Gottesdienste, um ihn direkt anzusprechen. „Ich lasse nicht locker“, so Frauendienst.

Kritik: Er weist jede Schuld von sich

Er sei nach wie vor der Meinung, dass Kardinal Woelki keine andere Wahl habe als zurückzutreten. „Er hat das erste Gutachten zurück gehalten, das zweite als die große Veröffentlichung bekannt gegeben, war neulich wieder in Rom und weist jede Schuld von sich“, so Frauendienst. „Es muss aber ein neuer Maßstab der Kirchen her, die müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen sehen.“

Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln, bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 20. September 2021.

Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln, bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 20. September 2021. © dpa

Woelki geriet Anfang des Jahres ins Visier des engagierten Castrop-Rauxelers, als ein intern in Auftrag gegebener Untersuchungsbericht über Missbrauchstaten im Erzbistum Köln von Woelki nicht zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Deckt er damit möglicherweise Täter? Es gab ein großes Medienecho und starke Kritik an Woelkis Vorgehen.

Frauendienst lässt nicht locker: Er, vielleicht als Contergan-Geschädigter mit verdrehten Füßen auf die Welt gekommen, wurde nach der Geburt 1964 ins Hagener Johanna-Helenen-Heim für Menschen mit Behinderungen gegeben, das er als die „Hölle von Volmarstein“ bezeichnet. Mit einmal 4000 und einmal 5000 Euro wurde er bisher als anerkanntes Opfer sexualisierter Gewalt entschädigt.