Sundayclub-Sänger (66) muss hinter Gitter Wie Häftlinge der JVA Castrop-Rauxel Schauspieler werden

JVA Meisenhof wird zur Kulisse für Sundayclub-Musikvideo
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Vier Männer sitzen an einem Tisch und spielen Poker. Der Haufen Geldscheine in der Mitte wird immer größer. Die Männer teilen sich eine Flasche Whiskey. Plötzlich springt einer der Männer auf, zieht einen anderen am Kragen zu sich und holt zum Faustschlag aus. Er trifft den Mann mitten im Gesicht. Dann grinsen beide Männer. „War das jetzt gut?“, fragen sie.

Hobby-Regisseur Stephan Aschenbach nickt zufrieden. Der Schläger heißt Torsten Grimm und ist Häftling in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Meisenhof in Castrop-Rauxel-Ickern. Der Geschlagene ist Andreas Knieper, Sänger der bekannten Castrop-Rauxeler Band Sundayclub. Der Faustschlag war gespielt, das Geld auf dem Tisch falsch und der Whiskey eigentlich schwarzer Tee.

JVA Meisenhof inspiriert Songtext

Stephan Aschenbach und sein Video-Team drehen in der JVA ein Musikvideo für Kniepers Band. Die Darsteller sind neben dem Sänger fast ausschließlich Häftlinge der Castrop-Rauxeler JVA. Einzige Ausnahme neben dem Musiker: JVA-Chef Julius Wandelt ist sich nicht zu schade, sich für die Kamera mit langer grauer Perücke und Schiebermütze an den Pokertisch zu setzen

Außenansicht der JVA Meisenhof in Castrop-Rauxel-Ickern
Die JVA Meisenhof in Castrop-Rauxel-Ickern ist ein offener Vollzug. Ausnahmsweise ist sie aber auch die Kulisse für ein Musikvideo. © Julia Segantini

Das Musikvideo erzählt die Geschichte der Sundayclub-Version vom bekannten The Animals-Hit „House of the Rising Sun“. Allerdings wurde der Text auf die JVA Meisenhof umgedichtet. Statt „There is a house in New Orleans / They call the Rising Sun“ heißt es nun: „There is a house near Ickern-End / They call it Meisenhof („Es gibt ein Haus in Nähe von Ickern End / Man nennt es Meisenhof“). Im neuen Text geht es darum, dass ein Vater seinen Sohn dazu verleitet, auf die schiefe Bahn zu geraten. „Der Junge landet dadurch irgendwann im Gefängnis. Dort bereut er einige Dinge und er soll durch die Unterstützung im Meisenhof wieder auf den geraden Weg gebracht werden“, erklärt Sänger Andreas Knieper den Text.

Vom Weihnachtsmarkt in die Gefängniszelle

Umgedichtet hat den Text Hobby-Regisseur Stephan Aschenbach. Er soll widerspiegeln, was für viele Häftlinge in der JVA Alltag ist. Im offenen Vollzug werden sie wieder auf ein Leben außerhalb der Gefängniswände vorbereitet. So können sie dort zum Beispiel eine Ausbildung machen. Ein Konzept, das Stephan Aschenbach fasziniert. Die Arbeit der JVA hat er auf dem beliebten Weihnachtsmarkt kennengelernt. So entstand die Idee zum Musikvideo. Musiker Andreas Knieper ist ein guter Bekannter und war von der Idee sofort begeistert, genau wie JVA-Chef Julius Wandelt.

(v. l. n. r.) Wolfgang Lehmann, Andreas Knieper, Stephan Aschenbach und Julius Wandelt beim SUNDAYCLUB-Musikvideodreh in der JVA Meisenhof
(v. l. n. r.) Wolfgang Lehmann, Andreas Knieper, Stephan Aschenbach und Julius Wandelt. Lehmann und Aschenbach vom Filmteam geben Sänger Knieper und JVA-Chef Wandelt genaue Anweisungen. © Julia Segantini

Warum es gerade dieser Song sein musste? Aschenbach hat früher selbst in einer Band gespielt. „Ich war nie besonders gut, aber ‚House of the Rising Sun‘ war der einzige Song, den ich auswendig konnte“, sagt Aschenbach lachend. In der JVA steht noch mindestens ein Drehtermin im Mai an. „Wir müssen in einer Zelle noch was nachdrehen“, erklärt er.

Sundayclub spielen in der JVA

Andreas Knieper hat eine seltene Erfahrung gemacht: Er saß in einer Zelle und musste an den Gitterstäben rütteln – und konnte dann wieder hinausspazieren. „Wenn ich da stehe, weiß ich ja, dass ich in den nächsten Sekunden wieder rausgehen kann. Also, ich möchte da nicht lange eingesperrt sein“, sagt der Sänger über sein Erlebnis. Ein mulmiges Gefühl dabei, in einem Raum voller Sträflinge zu sitzen, hat er nicht. Dabei laufen in der JVA Meisenhof vom Schwarzfahrer bis zum Mörder alle möglichen Straftäter herum. Trotzdem ist für den Musiker klar: „Für mich sind das ganz normale Menschen. Keiner ist wie ein Sträfling rübergekommen. Wenn mir das keiner gesagt hätte, hätte ich es gar nicht gemerkt.“

Ungewohnt war für ihn eher, das Mikrofon gegen eine Kamera auszutauschen. „Ich muss mich hier von einigen Kollegen verhauen lassen, das ist auf der Bühne noch nie passiert“, sagt er schmunzelnd über die Szene am Pokertisch. Er freut sich auf das Endergebnis. Und auf das Konzert am nächsten Mittwoch (26.4.) in der JVA. Seit 35 Jahren spielen Sundayclub auf allen möglichen Veranstaltungen Coversongs von Rock- und Pop-Hits. Das Konzert in der JVA spielen sie als Dankeschön dafür, dass sie dort ein Musikvideo drehen dürfen.

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