Die Altstadt und das, was Richtung Westring liegt: Castrop lebt durch seine Innenstadtfunktion. Fabian Schilberg zog von Dortmund hierher. Er schätzt sein neues Zuhause. Eines mit Macken.

Castrop

, 30.03.2019, 04:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Wenn Fabian Schilberg den Zebrastreifen auf dem Biesenkamp überquert, dann ist er im Herzen einer Stadt, die er schätzt. Seit Jahrzehnten. Und in der er wohnt – seit wenigen Monaten. Der Dortmunder, Oberleitungsmonteur bei der DSW21, also für U-Bahn und Straßenbahn in der großen Nachbarstadt zuständig, ist nach Castrop umgezogen. Der 29-jährige tat es aus Liebe zu seiner Freundin, mit der er seit vier Jahren zusammen ist. Aber zugleich aus Überzeugung. Jetzt wohnt er an der Holzstraße und hat viele Gründe, das gut zu finden.

Castrop, die Altstadt, die Innenstadt von Castrop-Rauxel: 122 Teilnehmer unserer großen Stadtteilcheck-Umfrage mit insgesamt über 1300 Teilnehmern leben hier. Fasst man die Ergebnisse aus der großen Befragung zusammen, landet dieser Stadtteil, dem wir auch den bloß statistisch existierenden Bezirk Behringhausen (Westring) zugeschlagen haben, auf Rang 5 von 15.

Gastronomisch ist er – wie sich das für eine Innenstadt gehört – bei seinen Bewohnern weit vorn, auch die Lebensqualität, Nahversorgung, Gesundheits-Infrastruktur und Verkehrsanbindung wird als verhältnismäßig positiv empfunden. Und sogar bei den Grünflächen, nicht unbedingt gewöhnlich für einen Innenstadtbezirk, gibt es 8 von 10 Punkten. „Ich wohne seit 44 Jahren im Stadtteil Castrop und fühle mich sehr wohl hier“, schreibt ein Teilnehmer der Umfrage. „Alles gut und fußläufig erreichbar“ ein anderer, der schon über 70 Jahre alt ist. Eine Teilnehmerin im selben Alter kritisiert das Pflaster in der Fußgängerzone als „eine Zumutung“ und „furchtbar“ sowohl für Ältere als auch für Familien.

Fabian Schilberg zählt nicht zu den Adressaten dieser Aussage: Er hat keine Kinder und ist nicht alt und dazu noch sehr sportlich: Er spielt American Football in der Nachbarstadt bei den Black Barons in Herne. Er stammt aus dem Dortmunder Süden und hatte eigentlich stets beteuert, er werde für immer Dortmunder bleiben. Aber seine Freundin Katharina Talarowski, eine Ur-Castrop-Rauxelerin, wünschte sich, dass er in ihre Stadt umzieht. Und dann kam die Gelegenheit mit der freien Wohnung im Haus der Oma seiner besten Freundin, direkt über dem eigenen Patenkind, das im Dezember geboren wurde...

Castrop: Gastronomisch ist die Altstadt top, aber nicht überall sicher

Nun ist er Castroper und sagt: „Der Kontrast zu Dortmund ist schon sehr stark.“ Dort wohnte er am Rande der City, hier mittendrin. „Aber es ist für mich wie ein Dorf“, sagt Schilberg – und meint das aber positiv: „Es ist sehr ruhig hier“, findet er, „aber sehr schön.“ Er vermisse ein wenig den Lärm der Straßenbahn direkt vor seiner Wohnung. Und dass die Läden schon gegen 18 Uhr schließen, daran müsse er sich erst noch gewöhnen. „Hier kennt jeder jeden, zumindest über Umwege. Und wenn man in die Kulisse geht, trifft man immer Leute, die man kennt.“

Nur zwei, drei Boutiquen in der Innenstadt, wie er sagt, seien für ihn kein Problem: Er sei keiner, der aufs Shoppen Wert lege, und zur Not fahre er in den Ruhrpark. „Man ist ja in 15 oder 20 Minuten praktisch überall“, sagt Schilberg. Oder schneller: Den Burgerladen „Acht34“ hält er für richtig gut, das Kaffeehaus, die Kulisse, das Café del Sol und die L‘Osteria, das Restaurant Vicino: alles nah, alles gern besucht. Es sei sauberer in Castrop als in Dortmund, findet er, und das Sportangebot für ihn mit dem Fitnessstudio an der Herner Straße und im Sportforum passend.

Die Einkaufsstraße mit ihren Läden und Lokalen: Die Kulisse nennt sich selbst „Das Wohnzimmer in der Altstadt“ und ist auch bei Fabian Schilberg bekannt und beliebt. Es gibt auch verschiedene Restaurants, Imbissbuden und mehr. So strahlt Castrop Innenstadtflair aus.

Die Einkaufsstraße mit ihren Läden und Lokalen: Die Kulisse nennt sich selbst „Das Wohnzimmer in der Altstadt“ und ist auch bei Fabian Schilberg bekannt und beliebt. Es gibt auch verschiedene Restaurants, Imbissbuden und mehr. So strahlt Castrop Innenstadtflair aus. © Matthias Stachelhaus

Das wurde positiv bewertet

Gastronomie: 8 von 10 Punkten – besser schnitt bei der Umfrage kein Stadtteil ab. Die verschiedenen Lokale ballen sich hier in der Tat, auch wenn es früher mal mehr Kneipen gab. Innenstadt eben.

Gesundheit: 9 von 10 Punkten – ebenfalls Bestwert bei einem Stadt-Durchschnitt von 8 Punkten. Viele (Fach-)Ärzte, das Rochus-Hospital, zahlreiche Apotheken: Es ist alles da.

Nahversorgung: Auch wenn der Rewe am Biesenkamp einigen (älteren) Menschen auch Jahre nach der Schließung noch fehlt: Bäckereien, der Edeka Gronemann, Discounter an Herner Straße und Westring, Fleischer am Markt und der Kaufland im EKZ: Es mangelt eigentlich an nichts. Und dann ist da noch dreimal in der Woche der Wochenmarkt: 9 von 10 Punkten.

Das Einkaufszentrum Widumer Platz beheimatet den Vollsortimenter Kaufland, ein Schuhgeschäft, zwei Bäcker, Imbissstände, einen Schlüsseldienst und ein Bekleidungsgeschäft.

Das Einkaufszentrum Widumer Platz beheimatet den Vollsortimenter Kaufland, ein Schuhgeschäft, zwei Bäcker, Imbissstände, einen Schlüsseldienst und ein Bekleidungsgeschäft. © Tobias Weckenbrock

Das wurde negativ bewertet

Familienfreundlichkeit: Fabian Schilberg zählt zwar ein paar Spielplätze in der Umgebung auf, aber die Umfrage ergab „nur“ 5 von 10 Punkten – einer weniger als im stadtweiten Mittel. Ein Teilnehmer merkt an, er würde sich mehr Spielplätze wünschen. Kitas und Schulen gibt es, die Stadtbibliothek hält Angebote für Kinder vor, und für die Jugend (ebenfalls 5 von 10 Punkten) gibt es den Jugendtreff BoGi‘s.

Verkehrsbelastung: Mit 6 Punkten liegt Castrop knapp unterm Durchschnitt (7). Klar, dass in einer Innenstadt der Bus- und Autoverkehr größer ist als in Randlagen. Dafür ist die ÖPNV- und allgemein die Verkehrsanbindung mit Busbahnhof und Bahnhof Süd (8 von 10 Punkten) ein Pluspunkt.

Der Lambertusplatz ist nicht immer so bunt wie bei diesem Street-Art-Kunstprojekt im Jahr 2017. Viele Castroper fühlen sich hier unsicher.

Der Lambertusplatz ist nicht immer so bunt wie bei diesem Street-Art-Kunstprojekt im Jahr 2017. Viele Castroper fühlen sich hier unsicher. © Uschi Bläss

Sicherheit: 6 Punkte statt wie im Stadtmittel 7: Die Castroper fühlen sich unsicherer. Das hängt mit den Angsträumen zusammen, als die der Lambertusplatz, der Stadtgarten, der Platz von Kuopio am Taubenvatta oder die Obere Münsterstraße allgemein oft wahrgenommen werden. Der Kulturplatz Leo dagegen ist weitgehend entschärft. Der Kommunale Ordnungsdienst ist in Castrop weit häufiger unterwegs als in anderen Stadtteilen. Über eine mögliche Videoüberwachung am Lambertusplatz und mehr Licht im Stadtgarten debattiert die Politik seit Monaten.

Radfahren: 6 Punkte geben die Teilnehmer an unserer Umfrage. Es fehlen in der Tat auch in Castrop an manchen Stellen sichere Radwege. Am Biesenkamp geht es nur in eine Richtung, nämlich „bergab“, an der Herner Straße gibt es beidseitig einen Schutzstreifen, der auch als unsicher wahrgenommen wird. Für den Altstadtring rückt aber eine Neugestaltung näher. Die katastrophalen Bedingungen für Radler dort könnten in zwei Jahren der Vergangenheit angehören. Geplant ist ein breiter Radweg in beide Fahrtrichtungen, für den je eine der zwei Fahrbahnen für Autos geopfert werden soll. Martin Kühl-Lukas vom ADFC sagte im Herbst: „Das Konzept gefällt uns sehr gut.“ Straßen NRW will über 1 Million Euro investieren.

Dieser katastrophale Radweg am Altstadtring ist sicher auch ein Grund, warum es fürs Radfahren recht schlechte Noten gibt. Die Straße soll aber in diesem Jahr ganz anders werden - mit breiten Radwegen da, wo jetzt noch Auto-Fahrbahnen sind.

Dieser katastrophale Radweg am Altstadtring ist sicher auch ein Grund, warum es fürs Radfahren recht schlechte Noten gibt. Die Straße soll aber in diesem Jahr ganz anders werden - mit breiten Radwegen da, wo jetzt noch Auto-Fahrbahnen sind. © Jens Lukas

„Castrop ist zum Leben perfekt!“ schreibt ein Teilnehmer mittleren Alters in unserer Umfrage. „Im Herzen des Ruhrgebiets, nicht zu klein, nicht zu groß.“ Fabian Schilberg findet: „Zum Hinziehen muss man schon gute Gründe haben, es ist nicht für Jedermann etwas.“ Aber er ergänzt: „Es ist schön, hier zu leben, wenn man seine Ankerpunkte und Community hat. Durch meine Freunde bin ich schon lange hier; ohne sie wäre ich vermutlich nicht hierher gezogen.“

Stadtteilchronik

Die ersten Castroper hießen Waddo, Wilmund und Aldbraht
Straßenbahnen wie diese an der Münsterstraße verbanden früher die Stadtteile. Als letzte wurde Linie 7 1967 stillgelegt.

Straßenbahnen wie diese an der Münsterstraße verbanden früher die Stadtteile. Als letzte wurde Linie 7 1967 stillgelegt. © Helmut Orwat

  • Der Ortsname Castrop ist urkundlich erstmalig im Jahr 834 nachweisbar. Die ersten namentlich bekannten Bewohner hießen Waddo, Wilmund und Aldbraht.
  • Der älteste Friedhof in Castrop-Rauxel ist der heute noch zum Teil erhaltene jüdische Friedhof an der Oberen Münsterstraße. Dieser wurde 1743 angelegt.
  • Im Zuge der Eingemeindung im Jahr 1926 wurde Castrop Ortsteil von Castrop-Rauxel.
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