Wäre die Stadt Castrop-Rauxel ein Unternehmen, wäre sie pleite. Das war in der Sonder-Ratssitzung am Donnerstag (28.9.2023) das Haupt-Thema. Und Bürgermeister Rajko Kravanja brachte ein Symbol-Tier zu seiner Haushaltsrede mit: den Pleitegeier.
Das sei ein Vermächtnis von Peter Jost, dem einstigen langjährigen Personalrats-Vorsitzenden der Stadtverwaltung, der ihn als Türstopper für sein Büro genutzt habe. Als er in Ruhestand ging, schenkte er ihn dem Bürgermeister, wohlwissend um die Finanzlage der Stadt.
Kravanja wollte damit versinnbildlichen, wie es um die Stadt bestellt ist: ärger denn je, kann man angesichts der dramatischen Zahlen vielleicht sagen. Denn der Haushalt für 2024 wird mit einem Minus von 41 Millionen Euro kalkuliert. Bei einem Etat von rund 270 Millionen Euro ist das eine satte Unterdeckung von rund 15 Prozent. Wenn man dann noch eine Schuldenlage von rund 130 Millionen Euro einkalkuliert, wird die Dimension deutlich.
Aber sie resultiert offenbar vor allem aus einer neuen Ehrlichkeit: In den vergangenen Haushalten konnte die Stadt sich auch nur mit „Bilanzierungs-Tricks“, so die Worte von Kravanja und seinem Beigeordneten für Finanzen, Michael Eckhardt, aus einer schon zuvor misslichen Lage helfen. In den Vorjahren konnte die Stadt einfach einen Schattenhaushalt auflegen, begründet mit außerordentlichen Kosten erst im Zuge der Corona-Pandemie, dann wegen des Kriegs in der Ukraine und den damit verbundenen stark gestiegenen Kosten unter anderem im Energiebereich.

„Wir können dem Pleitegeier gern einen Namen geben“, sagte Kravanja in seiner Rede. „Aber es ist, wie es ist: Nichts anderes als pleite sind wir. Und das ganz unverschuldet.“ Was man in diesem Jahr sehe, habe man so noch nie erlebt, so Kravanja mit einem Verweis auf die Regierung und Ministerien im Bund und im Land: „Erst sollten wir die Kosten für Corona und die Energiekrise isolieren, jetzt heißt es: Nö, das dürft ihr nicht mehr.“
Am Ende des Tages würde aber nur eines helfen: „bares Geld in der Kommune“. Demokratie fange in der Kommune an, und das Geld, das man dafür brauche, „wird uns nicht zur Verfügung gestellt. Der Pleitegeier wird nicht nur kreisen, er wird landen und sich an der Stadt Castrop-Rauxel weiden.“
Ehrlicher Haushalt ohne Sparrunden
Man habe bewusst einen „ehrlichen Haushalt“ vorgelegt. „Sonst haben wir immer Sparrunden gemacht, das haben wir diesmal aber nicht getan. Bei 41 Millionen Euro brauche ich gar nicht erst zu schauen, wo ich noch mal 3 Millionen Euro einsparen kann. Am Ende des Tages geht es nur darum: Kriegen wir bares Geld in die Kommunen?“
An die Politiker adressierte er einen Auftrag: „Wir müssen in die eigenen Parteien gehen, in die Landesfraktionen, um die Situation deutlich zu machen.“ Denn: Man habe erst kürzlich einen Brief von 354 Kommunen ans Ministerium übergeben. „Und das Ergebnis bisher: null.“ Es habe keine Antwort, kein gar nichts gegeben.
„Wir können gar nicht mehr gestalten“, so Kravanja weiter. „Eigentlich schließe ich diese Rede immer mit einem positiven Satz. Aber mir fällt keiner ein. Wir stehen nicht mehr vor der Frage, ob der Geier frisst, sondern was er zuerst frisst. Was wollen wir ihm geben, das Castrop-Rauxel lebenswert macht? Helfen Sie mit Ihren Parteien und Fraktionen, dass wir ihn doch noch verscheuchen können. In diesem Sinne freue ich mich auf die Zusammenarbeit, überparteilich und überfraktionell.“
Applaus erhielt er dafür nicht nur aus der Koalition aus SPD und Grünen, sondern zum Teil auch aus den Oppositions-Reihen. Die Fraktionen haben bei der nächsten Ratssitzung im November die Möglichkeit, sich in Haushaltsreden zur Lage zu äußern.
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