Dieser Text erschien zuerst im April 2019. Wir haben ihn im Mai 2023 anlässlich des letzten Bundesliga-Spieltages mit den Entscheidungen, ob der BVB Meister wird und Schalke oder Bochum absteigen, leicht aktualisiert. Die Daten sind nach wie vor die von 2014.
Das Büro „Stadtart“ hat für uns eine Auswertung erstellt, die auf der Zahl der verkauften Dauerkarten für die Veltins-Arena und den Signal-Iduna-Park beruht. Sie bezieht sich auf die Postleitzahl-Bezirke und entstammt den Daten, die Schalke 04 und Borussia Dortmund für die Erhebung herausgaben. Es sind Daten von 2014.
Ergebnis: Die Fußballfans in Castrop-Rauxel tendieren zu rund 75 Prozent zur Borussia – allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Postleitzahlgebieten. In den nördlichen, den „Arbeiterstadtteilen“ Ickern und Habinghorst vor allem, ist das Verhältnis ein Drittel Schalke 04 zu zwei Drittel BVB. Im Süden in Frohlinde, Schwerin, Castrop, Merklinde, gerade in der Nähe zur Dortmunder Stadtgrenze, liegt es bei einem Viertel zu drei Vierteln. Und Fans des VfL Bochum gibt es sicher auch ein paar.

Wenn also am Samstag der letzte Bundesligaspieltag ansteht, halten wohl mehr Castrop-Rauxeler den Schwarz-Gelben im Kampf um die Meisterschaft die Daumen als den Blau-Weißen im Kampf um den Klassenerhalt. Dem fiebern auch ein paar weitere Blau-Weiße entgegen, die dem VfL Bochum zugeneigt sind.
Ganz anders sieht es jenseits der westlichen Stadtgrenze aus: Herne und Recklinghausen zählen deutlich mehrheitlich zum Fußballrevier von Schalke 04. So verläuft also der unsichtbare „Fußball-Äquator“ entlang der Verwaltungsgrenzen zwischen den Städten Castrop-Rauxel und Herne bzw. Recklinghausen. Dieser setzt sich nach Norden und Süden entsprechend fort.
Und woran liegt das? Am derzeitigen Erfolg des BVB im Vergleich zur Lage des FC Schalke 04 im Tabellenkeller? Ganz sicher nicht, denn es geht hier eher um die langfristigen Entwicklungen: Während Schalke 04 ein ganz klassischer Arbeiterverein war, von Bergleuten gegründet, der sich heute der Bergbau-Geschichte auch besonders verpflichtet fühlt, ist Borussia Dortmund in einer Stadt aus Kohle, Stahl und Bier heraus entstanden. Einer Stadt, die sich zudem zu einem Versicherungs-Zentrum mit vielen Büros entwickelt hat, einer Einkaufsstadt, einem Oberzentrum für die Region östliches Ruhrgebiet / Westfalen. Gelsenkirchen hingegen ist neben dem größeren Nachbarn Essen nur wenig über die Arbeiterstadt hinweg gekommen.
Entfernung gibt einen Hinweis
Vermutlich, so Ralf Ebert von „Stadtart“, spielt bei der Herausbildung dieses nord-südlich verlaufenden Fußball-Äquators aber auch die Entfernung zwischen Wohnort und jeweiligem Fußballstadion eine Rolle. Eine schnelle Online-Abfrage zeigt, dass mit Ausnahme von Datteln, wo es ein Verhältnis von etwa 50:50 gibt, das näher gelegene Stadion bevorzugt wird. Wobei: Die Entfernungs- bzw. Zeitunterschiede sind vielfach sehr gering sind:
Castrop-Rauxel Hbf – Signal Iduna Park 19 Min. ca. 19 km
Castrop-Rauxel Hbf – Veltins Arena 21 Min. ca. 22 km
Vorteil BVB
Datteln Busbahnhof – Signal Iduna Park 31 Min. ca. 28 km
Datteln Busbahnhof – Veltins Arena 29 Min. ca. 28 km
Vorteil BVB
Waltrop Rathaus – Signal Iduna Park 23 Min. ca. 23 km
Waltrop Rathaus – Veltins Arena 26 Min. ca. 32 km
Vorteil BVB
Herne Bf – Signal Iduna Park 21 Min. ca. 25 km
Herne Bf – Veltins Arena 16 Min. ca. 14 km
Vorteil S04
Recklinghausen Hbf – Signal Iduna Park 32 Min. ca. 32 km
Recklinghausen Hbf – Veltins Arena 23 Min. ca. 22 km
Vorteil S04
Einzugsgebiete anderer Clubs
Aus den Zahlen lässt sich auch herauslesen: In Castrop-Rauxel haben beide Vereine zusammen je 1000 Einwohner 16 Dauerkarten verkauft – fast doppelt so viele wie in Herne und Recklinghausen mit jeweils 9. Rechnet man die Werte für Castrop-Rauxel hoch (wir haben dabei eine Grundlage von 75.000 Einwohnern für die Rechnung genommen), dann besitzen laut Stadtart 862 Personen eine Dauerkarte für den BVB. 337 Personen haben feste Plätze beim FC Schalke 04.
Ralf Ebert vermutet: „Bei den niedrigeren Werten für Herne und Recklinghausen machen sich mutmaßlich die Einzugsgebiete anderer Fußballvereine bemerkbar. Bezogen auf Herne dürfte dies insbesondere der VfL Bochum sein.“
Der hat aber mit einem zwar zurzeit immer ausverkauften, aber deutlich kleineren Stadion nicht die große Reichweite, die Schalke und Dortmund mit ihren Stadien und je rund 40.000 verkauften Dauerkarten erzielen. Während Schalke 04 stark ins (West-)Münsterland strahlt, ist der BVB bis tief ins Sauerland hinein extrem beliebt.
Prominenteste Schalke-Fans der Stadt sind wohl Bürgermeister Rajko Kravanja und Bundestagsmitglied Frank Schwabe. Der VfL hat in Brauhaus-Chef Elmar Bök und dem einstigen Fleischerei-Betreiber Willi Bols seine bekanntesten Anhänger.
Fanclubs gibt es sowohl von Schalke 04 (u.a. „Bottle Hawks“, „Blau-Weiße Eurofighter“) als auch Borussia Dortmund (u.a. Schwarz-Gelb Henrichenburg). Einen VfL-Fanclub aus Castrop-Rauxel suchte jemand kürzlich via Facebook. Auf der Website des Clubs sind zwei angegeben: „West 4620“ und „Victory“. Öffentlich traten sie bisher aber nicht groß in Erscheinung.