
Kira und Zouhair Allali wohnen an der Vördestraße in Bladenhorst - wobei sie bislang glaubten, Rauxeler zu sein. An der Rütgers-Siedlung, in der sie wohnen, schätzen sie sehr, dass auf Kinder Rücksicht genommen wird. © Jens Lukas
Bladenhorst: Viel Grün und Spitzen-Anbindung, aber der Bahnübergang nervt viele kolossal
Stadtteilcheck
Eine alte Siedlung für Familien, viel Grün und ein Schloss: Das alles ist Bladenhorst. Ein Manko neben dem nervigen Bahnübergang: Einige wissen gar nicht, dass sie Bladenhorster sind.
Zouhair und Kira Allali sind Bladenhorster, fühlen sich allerdings als Rauxeler. Sie leben an der Vördestraße, der Hauptschlagader der Rütgers-Siedlung. Diese liegt hinter dem Bahndamm, der parallel zur Victorstraße die Stadtteile Bladenhorst und Rauxel durchzieht.
Schon seit seiner Kindheit wohnt der heute 37-jährige Zouhair Allali an der Vördestraße und bekam jetzt erstmals die offizielle Karte der Stadtverwaltung mit den Stadtteilgrenzen vor Augen geführt. Der Physiotherapeut betont: „Ich war felsenfest der Meinung, dass ich ein Rauxeler bin, zumal ja auf der anderen Straßenseite der Sportplatz des VfR Rauxel ist. Wenn ich mir die Karte anschaue, sehe ich aber auch, dass ich offenbar Bladenhorster bin.“ Seine Gattin Kira (34), die aus dem Dortmunder Süden stammt, hatte schon vor einiger Zeit einen Verdacht. Sie berichtet: „Einer meiner Arbeitskollegen hatte gemeint, dass er den Stadtteil Bladenhorst, in dem ich wohne, kennen würde. Da war ich allerdings auch der Meinung, hier sei Rauxel.“

Wer an den Stadtteil Bladenhorst denkt, dem fällt zuerst das Schloss mit gleichem Namen am Westring ein. © Jens Lukas
Der Stadtteil Bladenhorst erstreckt sich nicht nur über das Castroper Holz, die zwei Reitanlagen, das Schloss Bladenhorst sowie den Waldfriedhof mit der Siedlung am Gartenweg. Auch die Rütgers-Werke mit ihrer Siedlung gehören dazu. Die einzige Zufahrt zur Vördestraße ist der enge Bahntunnel, der auf die Victorstraße führt. Dieses Nadelöhr sieht Zouhair und Kira Allali nicht als Nachteil an. Zouhair Allali meint: „Dadurch gibt es bei uns keinen Durchgangsverkehr in einen anderen Stadtteil – und es ist bei uns sehr ruhig.“ Die Kinder könnten daher hier auch auf der Straße spielen. Auf sie werde Rücksicht genommen – nicht nur wegen der Schilder, die an den Bäumen hängen.
Geht es um den Begriff Nahversorgung, einer der vielen Themenbereiche in unserer großen Umfrage mit über 1300 Teilnehmern, würde Kira Allali die Silbe „Nah“ am liebsten streichen. Denn Geschäfte gibt es in Bladenhorst keine, nur einen Kiosk an der Vördestraße. Deshalb führt sie ihr Weg für Einkäufe weg bis zur Wartburgstraße, mit dem Auto, durchaus aber auch mal zu Fuß. Das sind 1,5 Kilometer. „Wir fahren aber auch oftmals die drei Kilometer Richtung Castrop in das Gewerbegebiet am Westring“, sagt Zouhair Allali. Er selbst kann sich noch an die Zeit erinnern, in der es einen Tante-Emma-Laden mit einem Schaufenster gab. Kein Wunder: In diesem Haus lebt er jetzt. Bis 1986 war das der Fall. Es ist lange her.
Einige seiner Nachbarn sind nicht komplett auf Geschäfte angewiesen, denn sie bauen in ihren Gärten Obst und Gemüse an. Zouhair Allali schwelgt in Erinnerungen und sagt: „Die Kinder hier sind nicht selten auf Möhrenjagd gegangen.“ Überhaupt liebe er das Wohnen in der Siedlung. Allali erklärt: „Hier hilft jeder wirklich jedem. Egal ob es darum geht, Werkzeug auszuleihen oder bei Pflasterarbeiten mitzuhelfen.“

Das weiß nicht jeder: Auch die Rütgers-Werke und die dazugehörende Siedlung entlang der Vördestraße gehören, wenn man sich streng an den städtischen Stadtteilgrenzen orientiert, zu Bladenhorst - mitsamt dem Waldstadion des VfR Rauxel. © Jens Lukas
Für die Fahrten zur Arbeit sei die Anbindung zu gefühlt allen Ruhrgebiets-Autobahnen in Bladenhorst optimal, meint Zouhair Allali. Er steuert morgens Marl an, seine Frau fährt nach Dortmund. Schnell sei man auf der A42 und von dort auf der A43, A45 und der A2.
Für Fahrradtouren sei Bladenhorst optimal als Start- und Zielort geeignet, so Allali: „Wir sind hier mitten im Grünen. Schnell ist man am Schloss oder am Rhein-Herne-Kanal. Und wenn man in die anderen Richtungen fährt, ist man von Natur umgeben.“

Einschneidend ist für Kira und Zouhair Allali die Situation am Bahnübergang am Schloss Bladenhorst: Auch sie gehören zu den vielen Kritikern, die nicht verstehen können, dass seit Sommer 2017 dort die Wartezeiten enorm sind. Aus diesem Grund musste Familie Allali auch einen Plan verwerfen: Für den Kindergarten in Pöppinghausen machte für Tochter Amira eine Bewerbung keinen Sinn. Denn die Fahrten dorthin und zurück sind zeitlich kaum zu kalkulieren. Das Töchterchen besucht nunmehr den Wunsch-Kindergarten „Am Wald“ (neben der Waldschule) in Rauxel.
Seit einem Jahr hat sich auch für die aus Bladenhorst stammenden Schüler die Situation verschlechtert, weiß Kira Allali: „Die Busanbindung hat sich verschlechtert. Der Bus kommt nur noch jede Stunde bis zur Victorstraße. Daher müssen die Schüler jetzt bis zur Bahnhofstraße gehen, um einen Bus zu erwischen.“
Das wurde positiv bewertet
Grünflächen: Bladenhorst erzielt hier 8 Punkte. Das Ergebnis liegt nur knapp unter dem stadtweiten Durchschnitt (9 Punkte). „Wir leben hier mitten im Grünen“, sagt Bodo Möhrke, Schlossherr auf Bladenhorst. Tatsächlich ist der Stadtteil überwiegend grün – durch den Waldfriedhof, der Anteil am Castroper Holz, aber auch durch die Wälder an und in der Rütgers-Siedlung.
Nahversorgung: 8 von 10 Punkten. Hier werden überwiegend die Anwohner der Victorstraße und der benachbarten Stichstraßen eine gute Bewertung gegeben haben. Allerdings müssen auch diese nach Rauxel oder zum Westring nach Castrop für ihren Einkauf „ausreisen“. In Bladenhorst selbst gibt es kein Geschäft. Von der Versorgung zeitweise abgeschnitten fühlen sich die Bewohner des Schlosses Bladenhorst, so Bodo Möhrke. Denn am benachbarten – meist geschlossenen – Bahnübergang geht bekanntlich viel (Warte-)Zeit verloren. Möhrke fährt auch daher oft mit dem Fahrrad – durch die Rütgers-Siedlung nach Rauxel oder Habinghorst.
Verkehrsanbindung: Durch die Nähe zur Autobahn 42 geben die Umfrage-Teilnehmer bei diesem Thema 7,5 von 10 möglichen Punkten. Von hier sind die weiteren Ruhrgebiets-Autobahnen schnell erreichbar. Über die nahe Bahnhofstraße ist auch die Castrop-Rauxeler Nord-Süd-Achse nicht fern. Ein Teilnehmer der Umfrage schrieb: „Ich wohne seit über 70 Jahren in Bladenhorst und fühle mich sehr wohl. Der Bus fährt jede halbe Stunde in die Altstadt. Somit sind Arztbesuche kein Problem.“
Wohnen: Hier schneidet Bladenhorst mit 6,5 Punkten leicht besser ab als die Gesamt-Stadt (6). Vermutlich auch, weil Familien hier in Eigentum wohnen können, das noch erschwinglich ist.
Das wurde negativ bewertet
Grundsätzliche Benachteiligung: Neben dem Bahnübergang am Westring ist der Schwerlast-Verkehr ein Thema: Ein Leser meint: „Der Verkehr ist unerträglich geworden, vor allem durch den Lkw-Verkehr auf dem baufälligen Westring. Zudem scheinen diese Fahrzeuge eine Soundanlage als Auspuffanlage eingebaut zu haben.“ Der Lärm sei hochgradig störend.
Wenn Zouhair Allali und seine Frau Kira vor die Tür treten, sehen sie ihren Teil von Bladenhorst, wie ihn Zouhair noch aus seiner Kindheit kennt: Kaum eine Fassade hat sich hier verändert. Gattin Kira rät ihrem Gatten sogar von Renovierungsarbeiten außen ab. Sie sagt: „Drinnen haben wir modernisiert. Aber ich möchte den Putz so lassen. Wir wollen ja schließlich nicht aus der Reihe tanzen.“
Als Bladenhorst noch zu Herne gehörte
Die erste geschichtliche Erwähnung von Bladenhorst war zu Beginn des 13. Jahrhunderts – in der Limburger Vogtrolle aus dem Jahr 1220. 1908 wurde Bladenhorst zusammen mit Pöppinghausen in Herne eingemeindet. Am 1. April 1926 löste sich Bladenhorst aus dem Landkreis Bochum und ging mit 2028 Einwohnern als Stadtteil der neugegründete Stadt Castrop-Rauxel auf. 
Auch früher schon ein Ausflugsziel für Castrop-Rauxeler: der Rhein-Herne-Kanal in Bladenhorst. © Helmut Orwat
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
