So gut ist das Ruhrical
Bergmanns-Romantik, Schnulze und Musik-Lexikon des Ruhrgebiets: Radio Ruhrpott begeistert
25-köpfiges Ensemble, 500 Zuschauer im Saal, 20 Songs mit Lokalkolorit zum Mitgehen und eine schnulzig-romantische Love-Story: die Zutaten fürs Ruhrical „Radio Ruhrpott“. Eine Show-Kritik.
Radio Ruhrpott ist auf Sendung: Das Ruhrical hat in Castrop-Rauxel in der Stadthalle Premiere gefeiert. Rund 500 Zuschauer feierten das 20-köpfige Ensemble. © Tobias Weckenbrock
Für wen lohnt sich das Musical „Radio Ruhrpott - das Ruhrical“, das am Donnerstag, 2. Mai, in der Castrop-Rauxeler Stadthalle Premiere feierte? Die zweieinhalbstündige Show macht Laune, verbindet Künstler und Songs aus dem Ruhrgebiet mit der Bergbau-Tradition der Region. Wer beim Steigerlied Gänsehaut bekommt und „Wir sind das Ruhrgebiet“ von Wolfgang Petry gern mitgrölt, der ist in diesem neuen Musical richtig.
Vor der Kulisse eines Röhrenradios, in dem eine fünfköpfige Band den Abend live bespielt, kommen 20 Akteure in wechselnden Rollen auf die Bühne: Tänzer, Sänger, der knorrige Hausmeister Bernd Machulke (Regisseur und Macher Bernd Böhne) mit den schiefen Schneidezähnen und dem unverkennbaren Ruhrpott-Charme - und Bergmann Peter Richard, genannt Ritchie, mit Petra, der Tochter des Obersteigers von Zeche Erin.
Die Hauptfiguren Ritchie und Petra unter dem „Mond von Wanne-Eickel“. © Tobias Weckenbrock
Hin und wieder wechselt das Bühnenbild, das mal eine Kneipe darstellt, mal den Mond hinter dem Erin-Förderturm zeigt, mal die Cranger Kirmes und mal einen Streb, in dem die Bergleute vor Kohle arbeiten. Und immer wieder wechselt der Blick des Zuschauers an die Seite in ein kleines Radio-Studio.
Das ist der musikalische „Spielfilm“:
Auch wenn sich nicht alles immer ganz schlüssig ineinander fügt: Der sympathisch-aufgedrehte Radio-Moderator Sam Maldock moderiert über den Abend hinweg eine Radio-Show, die „Musik von hier“ heißt. Herbert Grönemeyer, gesungen und wunderbar imitiert von Seven-Cent-Frontmann Marc Stahlberg, bestreitet den Anfang mit „Bochum“. Dann geht es Schlag auf Schlag: Ritchie lernt Petra kennen („Nichts ist so schön wie der Mond von Wanne-Eickel“). Sie verlieben sich schnell („Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“) und hangeln sich von Lied zu Lied.
Das Studio des Radiosenders mit Moderator Sam Maldock rahmt die Handlung auf der Bühne ein. Er legte stets die Platten auf, die dann mit Live-Band von der Bühne aus erklangen. © Tobias Weckenbrock
„Flieger“ von Extrabreit (Marc Stahlberg), das in den Kontext der Geschichte nicht recht passt, wird gefolgt vom Eurofighter-Jahr 1997, in dem erst Werner Hansch per Radio-Kommentar Schalke 04 zum Uefa-Cup-Sieg begleitet und dann Manni Breuckmann gleiches mit dem Champions-League-Sieg des BVB im Münchner Olympiastadion tut. Nenas „99 Luftballons“ (gesungen u.a. von Julia Breier), die „Motorbiene“ - und dann der erste Kuss zu „If you believe“ des Dortmunder Popstars Sasha: Da ist es um Ritchie und Petra geschehen.
Stahlberg ist es wieder, der mit „Fitze fitze fatze“, „Supergirl“ und „Katzeklo“ ein umjubeltes Helge-Schneider-Medley darbietet. „Fahrn, farhn, fahrn auf der Autobahn“ und das vom Publikum gefeierte „Das ganze Leben ist ein Quiz“ von Hape Kerkeling schicken nach 60 Minuten in eine halbstündige Pause.
Dann geht es runter in den Streb. Ritchie legt sich nach „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“ von Falco mit dem Obersteiger von Bodelschwingh an, weil der die Sicherheit unter Tage nicht ernst nimmt - aber eigentlich, weil der seiner Tochter Petra eher ein Medizinstudium als die Liebe zu Ritchie zugestehen will. Wolfgang Petrys „Wir sind das Ruhrgebiet“ heizt das Publikum an. Dann folgt das „Bruttosozialprodukt“ von Geier Sturzflug und „Deine blauen Augen“ von Ideal.
Auch wenn nicht jedes Lied in die simpel gestrickte Love-Story passt: Der Moderator erklärt so manchen Hintergrund zu den Songs: Hier ist das Musical wie ein Musik-Lexikon des Ruhrgebiets. Marius Müller-Westernhagen mit „Pfefferminz“ (Marc Stahlberg) macht wieder Spaß, ehe Hausmeister Machulke aus „Griechischer Wein“ „Bottroper Bier“ macht: „... ist so wie der Saft des Lebens hier im Revier“.
Die rührendste Phase hat das Stück beim Steigerlied, begleitet von einem Beatboxer, der den Rhythmus allein mit Mund, Rachen und Hals erzeugt. Ritchie denkt dabei an seinen Vater, der beim Grubenunglück in Gelsenkirchen ums Leben kam. Daraufhin kommt Obersteiger von Bodelschwingh beim Kleingartenfest zur Einkehr, und nach „Alkohol“ von Herbert Grönemeyer und „Blame it on the boogy“ von Mardi Gras geht das Stück dem Ende entgegen: Ritchie und Petra verloben sich und singen „Radio Ruhrpott“, ein eigens für das Musical geschriebenes Musikstück. Die Queen-Abwandlung „Radio Ruhrpott“ („Radio Gaga“) von Erwin Machulke und Marc Stahlberg ist das Finale.
Nach fast zweieinhalb Stunden Netto-Spielzeit sind die Zugabe („Bochum“) gespielt und die meisten Zuschauer begeistert. Zwei Prisen Schnulze, drei Suppenkellen Bergbau-Romantik - und ab damit in einen Topf voll Musik-Brühe aus dem Revier. Das sind die Zutaten zu einem munteren Musical-Menü.
Das sagen die Zuschauer:
Tristan Schade (20, Dortmund): „Ich fand das richtig geil und bin jetzt im Grönemeyer-Fieber. Ich bin ohne große Erwartungen hier reingegangen und gehe glücklich raus.“
Uwe Bonan (55, Dortmund): „Mir hat es richtig gut gefallen, weil ich mich hierin sehr stark wiederfinden kann. Ich bin im Ruhrgebiet geboren und man merkte erst, wie viel Musik im Ruhrgebiet entstanden ist. Das Musical vermittelt eine gute Stimmung, es regt auch zum Mitmachen an.“
Radio Ruhrpott ist auf Sendung, Gäste und Macher sind zufrieden: Regisseur und Macher Bernd Böhne (l.) nach der Show mit Schalke-04-Repräsentant Olaf Thon und dem gastgebenden Forum-Geschäftsführer Peter Breuer (r.). © Tobias Weckenbrock
Olaf Thon (ehemaliger Schalke-Profi und Nationalspieler aus Gelsenkirchen): „Der Bernd Böhne hat die ganze Schalker Traditionself eingeladen. Wir waren mit 13 Pärchen hier und haben das sehr genossen. Ich als gebürtiger Gelsenkirchener fand, dass es ein schönes Potpourri war, wunderbar variantenreich. Wir konnten fast alle Lieder mitsingen.“
Helga Posny (63, Kamen): „Ich bin begeistert. Das war vom Mix her einfach toll. Ich habe den Besuch meinem Mann zum Geburtstag geschenkt - und der war auch zufrieden.“