Bauern holen Weizen viel zu spät vom Acker Korn ist für die Mühle nicht mehr geeignet

Regen-Sommer: Bauern ernten grauen Weizen, den keine Mühle mehr nimmt
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Der Weizen stand zu lange auf dem Feld von Cornelius Hubbert. Es liegt in Dingen, einem zweigeteilten Dorf an den Stadträndern von Castrop-Rauxel und Dortmund. Ein Mähdrescher bläst am Montagabend (21.8.) Getreide auf den Hänger hinter einem der beiden Traktoren am Feldrand. Zwischen den Spuren, die seine tiefen Profile in den Ackerboden gezogen haben, liegt eine Reihe dieses gräulich-fahlen Strohs. Die Ernte ist ziemlich im Eimer.

Sommer 2023 in der Emscher-Region: Den ganzen Juli und den halben August über gab es Regen. Zwei Unwetternächte mit Jahrhundert-Ausmaßen hat dieser Sommer gesehen, und auch sonst gefühlt mehr Regen- als Sonnentage. An so einen nassen Sommer kann er sich nicht erinnern, sagt Hubbert. „Man war die letzten Jahre eher verwöhnt durch trockene Sommer. In dieser Ausprägung gab es das noch nicht. Auch nicht in den 50er- und 60er-Jahren. Der Klimawandel liegt da schon sehr nahe“, meint der Landwirt aus Mengede.

Gerste noch gut, Roggen und Weizen verloren

Während das Gersten-Feld an der Fuckmühle Anfang Juli noch mit einem guten Ertrag abgeerntet werden konnte, ist es Mitte/Ende August eigentlich zu spät für das noch stehende Getreide. Mehl, das dem Bauern den größten Umsatz brächte, ist daraus gar nicht mehr zu machen. Denn die Körner keimen schon, statt fest und goldig zu sein. So nimmt sie keine Mühle mehr. Einiges geht noch als Tierfutter raus. Aber einige Teile seiner Felder sind so verloren: Alles, was gedroschen und geschnitten wird, geht von hier aus in die Biogasanlage. Das bringt nur noch einen Bruchteil des Umsatzes.

Cornelius Hubbert, der selbst auf einem Mähdrescher sitzt, als wir ihn am Telefon erreichen, hat in diesem Jahr 45 Prozent seiner Flächen mit Roggen und Weizen bestellt. Das ist viel, aber er kenne Kollegen aus der Region, die noch mehr Flächen mit Getreide bewirtschaftet haben. „Das ist für mich persönlich kein wirtschaftlicher Niedergang“, sagt er. Aber gutes Stroh zu bekommen: Das werde das nächste Problem sein dieses Jahr.

Das sonst goldige Getreide wirkt fahlgrau und liegt an vielen Stellen auf dem Feld auf dem Boden.
Das sonst goldige Getreide wirkt fahlgrau und liegt an vielen Stellen auf dem Feld auf dem Boden. Der viele Regen hat es schwer und das Stroh auf Dauer mürbe gemacht. Am Boden keimen die Körner dann auf und bilden neues Grün. Unbrauchbar für Landwirte. © Tobias Weckenbrock

Der Rheinische Landwirtschafts-Verband erklärte Mitte August schon, dass mit jedem Tag der Ernteverzögerung die Qualität sinke und die Verluste beim Ertrag stiegen. Die Qualität von Brotgetreide sei nicht mehr gegeben. Rund ein Viertel der Getreidefelder seien noch nicht abgeerntet. Immerhin wird auf rund 500.000 Hektar Ackerland in NRW Getreide angebaut. Das ist rund die Hälfte, wie die Deutsche Presseagentur Mitte des Monats berichtete.

Weizen, Triticale, Roggen, Hafer: Sie standen mehrere Wochen reif auf den Feldern. Das Problem: Sie konnten einfach nicht geerntet werden. Dafür brauchen Bauern und die oft zur Ernte hinzugezogenen Lohnunternehmer mit ihren riesigen Erntemaschinen zumindest trockenes Wetter, und das nicht über ein paar Stunden, sondern mindestens ein paar Tage. „Man hat nicht die geringste Chance“, sagt Cornelius Hubbert. Ein bisschen Feuchtigkeit, das ließe sich noch regeln. Aber so? „Wir mussten warten.“

Getreide keimt und wird unbrauchbar

Und mit ansehen, wie der Regen die Halme mürbe machte. Viele knickten ab. Die Körner keimten auf dem feuchten Untergrund aus. Körner mit Keimlingen: so gut wie unbrauchbar, weil die darin befindliche Stärke sich schon in Zucker umgewandelt hat. Der Futterwert: stark gemindert. An den Halmen machte sich ein Pilz breit, der das sonst goldige Stroh aschfahl aussehen lässt. Gleichzeitig wuchsen Beikräuter, die unten im Acker schlummern. Licht und Wasser ließen sie gedeihen.

„Ich persönlich habe zum Glück nicht so einen ganz großen Schaden“, sagt Cornelius Hubbert. Er will nicht klagen, betont er. „Es ist für mich persönlich kein wirtschaftlicher Niedergang.“ Für seinen Mais, die Zuckerrüben und die Kartoffeln, die er zum Teil in seiner Kartoffelhütte an der Strünkedestraße selbst direkt zum Kunden vermarktet, sei der viele Regen kein Problem. Aber er denkt auch an die Kollegen.

Auf diesem Acker in Bodelschwingh sieht es schlecht aus. Wasser steht auf dem Feld und macht es stellenweise unbefahrbar für Mähdrescher. Die Körner sind aber offensichtlich eh schon verloren.
Die Getreideernte ist im Sommer 2023 ein Thema für sich: Viele Landwirte haben erhebliche Ertragseinbußen, weil sie trotz der Kornreife wochenlang nicht ernten konnten. © Tobias Weckenbrock

„Das Wetter kann keiner ändern“, sagt Hans-Heinrich Wortmann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe, dem die Bauern aus Bochum, Dortmund, Hamm, Herne und dem Kreis Unna angehören, in einer Mitteilung. „Aber die Politik darf uns in dieser Situation nicht noch zusätzlich Knüppel zwischen die Beine werfen.“

Was er meint? Es sei nicht vertretbar, dass die Landwirte im kommenden Jahr auf vier Prozent ihrer Fläche nach aktuellen politischen Vorgaben nichts anbauen dürften. „Das Brotgetreide, das es in diesem Jahr aus unserer Region nicht geben wird, darf doch nicht auch noch im nächsten Jahr reduziert werden“, fordert Hans-Heinrich Wortmann.

Cornelius Hubbert lässt den Mähdrescher wieder an. Er erntet, was er gesät hat. Es ist weniger als sonst. Aber es muss nun eingeholt werden. Bis der nächste Regen kommt.


Luftbilder und Detailaufnahmen zeigen miesen Zustand der Getreidefelder auf rn.de/mengede