Rekordzahlen vom Amtsgericht 2022 traten mehr Castrop-Rauxeler aus der Kirche aus als je zuvor

2022 traten mehr Castrop-Rauxeler aus der Kirche aus als je zuvor
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Die Zahl der Menschen, die die katholische und evangelische Kirche verlassen, steigt weiter: In Castrop-Rauxel meldet das Amtsgericht auf Anfrage unserer Redaktion Rekordzahlen. Während zur Jahrtausendwende noch 41 Prozent der Castrop-Rauxeler katholisch und 35 Prozent evangelisch waren, sind es heute noch 31 und 26 Prozent.

Im vergangenen Jahr, also über 2022 hinweg, zählte das Amtsgericht Castrop-Rauxel 229 evangelische Kirchenaustritte. Im Vorjahr waren es 187 Austritte. Aus der katholischen Kirche traten sogar 359 Menschen aus. Ein Jahr davor waren es 240 Menschen.

Diese Rekordzahlen nennt Richter Dirk Brahm, der zurzeit als Stellvertretender Behördenleiter am Amtsgericht Castrop-Rauxel als Sprecher fungiert. Der einstige Direktor des Amtsgerichts Lutz Grimm ist jetzt Direktor am Amtsgericht Recklinghausen. Seine Nachfolge in der Leitung ist noch nicht geregelt.

Im Jahr 2000 waren noch 32.360 Castrop-Rauxeler katholisch, 27.624 gehörten der evangelischen Kirche an. Heute sind es noch rund 23.500 Katholiken und 19.800 Protestanten. Nicht konfessionell gebunden oder Teil des Islam sind heute 43 Prozent der Castrop-Rauxeler. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug im Jahr 2000 noch 24 Prozent.

Das sind die Gründe für Austritte

Ein simpler Grund, sich für einen Austritt aus der Kirche zu entscheiden, sind die Kosten. Wer Mitglied einer der christlichen Kirchen ist, zahlt Kirchensteuer. In NRW liegt der Satz bei 9 Prozent von der Lohnsteuer. Der Betrag wird auf Basis einer fiktiven Lohnsteuer berechnet, die Freibeträge für Kinder einbezieht. Wer einen monatlichen Bruttolohn von 3000 Euro hat, zahlt in der Steuerklasse I im Monat 31 Euro. Bei 5000 Euro Monatslohn zahlt man in Steuerklasse I 78 Euro.

Ein anderer Grund sind Querelen innerhalb der Kirchen. Hier spielten zuletzt oft Missbrauchs-Skandale, vor allem aber der kircheninterne Umgang damit eine Rolle. Hinzu kommt der heute als unzeitgemäß empfundene Umgang mit Homosexualität vor allem in der katholischen Kirche.

Grundsätzlich gibt es überdies eine allgemeine Tendenz zu einer Säkularisierung unserer Gesellschaft: Viele Menschen nutzen die Angebote der Kirchen, zum Beispiel Gottesdienste, aber auch andere Gruppen, Treffen, Fahrten etc. nicht mehr. Warum also, fragen sie sich, sollen sie dann noch finanzielle Beiträge leisten?

Auf der anderen Seite stehen Angebote der Kirchen, die die Gesellschaft mittragen: Kinder- und Jugendarbeit in Stadtteiltreffs wie dem evangelischen Café Q in Habinghorst zählen ebenso dazu wie die Trägerschaft von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Kindergärten. An Wendepunkten des Lebens wie Geburt, Kommunion und Konfirmation, Hochzeit und Tod steht die Kirche mit ihren seelsorgerischen Angeboten bereit. Auch Angebote für Bedürftige wie Tafel und Suppenküche sowie für Familien, Alte und Einsame gäbe es ohne die Kirchen nicht.

  • Wer nicht mehr Mitglied in der Kirche sein will, muss beim Gericht einen Antrag stellen. Auf den Antrag folgt ein persönlicher Termin. Dazu muss man einen Personalausweis oder einen Reisepass mit Meldebescheinigung mitbringen. Für Kinder unter 12 Jahren entscheiden die Eltern. Kinder von 12 bis 14 Jahren müssen zum Gericht mitkommen. Kinder über 14 Jahre können selbst entscheiden. Für den Austritt entrichtet man am Gericht eine kleine, einmalige Gebühr.
  • Infos zur Terminvereinbarung unter Tel. 02305 / 10090 oder per Mail an poststelle@ag-castrop-rauxel.nrw.de.
  • Wer in eine Kirche eintreten möchte, wendet sich an die Gemeinde vor Ort.

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