Keramikscherben zählen zu den wichtigsten Funden an der Grabungsstelle in Habinghorst. Sie zeugen von einer Siedlung von ein bis zwei Familien mit gut einem bis zwei Dutzend Mitgliedern. © Tobias Weckenbrock
Ausgrabungen
Archäologen finden eisenzeitliche Siedlung an der Emscher im Baugebiet
Es ist ein Zeitsprung zurück in die Hallstattzeit. Zwischen 800 und 500 vor Christi Geburt siedelten hier an der Emscher in Castrop-Rauxel wohl zwei Familien. Bald sollen es weit mehr sein.
Eigentlich soll hier bald gebaut werden. Vorher aber wird noch abgerissen. Und geforscht. In Habinghorst sind Archäologen des Unternehmens Goldschmidt aus Düren auf der Fläche am Emscherufer tätig, auf der einmal das Wohngebiet „Am Emscherufer“ (früher: „Wohnen an der Emscher“) entstehen wird.
Etwa drei Wochen lang graben sie in fachwissenschaftlicher Begleitung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und im Auftrag des Bauherrn Dreigrund. Das muss so sein, denn vor Monaten meldete ein Anwohner den Fund eines Mühlsteins auf dieser Fläche. Zeichen einer früheren Besiedlung? Ja, urteilte die LWL-Archäologie für Westfalen, erhob im August den Sachstand zwischen Heerstraße und Emscher und fand Reste einer Siedlung aus der frühen Eisenzeit.
Archäologen bei der Arbeit: Auf der Fläche Am Emscherufer laufen Grabungen, die eine kleine Siedlung untersuchen, die hier vor mindestens 2500 Jahren ansässig war. © Tobias Weckenbrock
Konkreter: die späte Hallstattzeit, wie Grabungsleiter Dr. Wolfgang Messerschmidt unserer Redaktion bei einem Besuch vor Ort am Freitag (22.10.) erläutert. Die lag praktisch unmittelbar vor der Römerzeit und war eine Epoche, in der die Menschen noch nicht längerfristig sesshaft waren. Er leitet dies aus Keramik-Funden her: Scherben von Schüsseln, Krügen, Vasen oder Tellern, die hier unterhalb der Erdoberfläche im Boden gefunden wurden.
Hier standen Pfostenhäuser
„Die Menschen haben damals Pfostenhäuser gebaut“, erklärt Messerschmidt. Eine Bauweise aus dicken Stämmen, Lehm und Weidenzweigen, die nicht ewig hielt. „Nach sechs bis sieben Jahren wurden die umliegenden bewirtschafteten Böden aufgegeben. Dann zog man mit der Siedlung einige Hundert Meter oder wenige Kilometer weiter.“ Die Bewohner rissen Pfosten raus und nahmen sie mit. Die Gruben sind bis heute sichtbar.
Auf einer 1500 Quadratmeter großen Fläche untersuchen Archäologen und Grabungstechniker, an diesem Freitag sind es vier Männer, nun genauer die unterschiedlich eingefärbten Teile des Bodens, zum Teil locker eingekreist und mit kleinen nummerierten Fähnchen ausgestattet. Sie graben mit Kellen, koffern kleine Mulden aus, um Profile zu schaffen: Hier zeichnen sich dann die Gruben ab, in denen die Häuser gestanden haben.
Diese sogenannten „Befunde“ (immobile Dinge) werden fotografiert, markiert und dann auf einer Karte eingezeichnet. Sie stehen in Abgrenzung zu den „Funden“: Dabei handelt es sich um Gegenstände, die sich unter anderem in einer zweiten Grube etwas weiter östlich befanden. Keramikteilchen, die von der Fachfirma mitgenommen und gereinigt werden. Anhand der Texturen der Oberflächen, das können Verzierungen oder Fingerdruckstellen sein, werden ihre Herkunft und ihr Alter ermittelt.
Dr. Wolfgang Messerschmidt leitet die Grabung am Emscherufer. Hier zeigt er eines der ausgehobenen Profile und verdeutlicht, dass hier einmal der Pfahl eines Wohnhauses gestanden haben muss. © Tobias Weckenbrock
Eine Sensation seien diese Funde und Befunde bei weitem nicht, aber sie ergäben in Summe aller anderen Funde ein Bild der Siedlungsformen von einst. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe selbst spricht von „reichhaltigen Funden“ aus einem heute weitgehend verfüllten Nebenarm der Emscher, „in dessen oberen Bereich eine Abfallschicht aus der selben Zeit nachgewiesen wurde“.
LWL: „Wichtige neue Erkenntnisse“
„Die Ergebnisse lassen schon jetzt wichtige neue Erkenntnisse zur Leben- und zur Siedlungsweise der Menschen der vorrömischen Eisenzeit im Lippe-Emscherraum erwarten“, sagt Dr. Bernhard Stapel, wissenschaftlicher Referent des LWL.
Bis Ende kommender Woche sollen die Grabungen beendet sein. Dann könnte vielleicht auch der Abriss der einstigen „Futterrampe“ bzw. von „Nachtigäller und Rath“ anstehen. Der wird gerade parallel vorbereitet: Das Gebäude scheint belastet zu sein und wird von einer Fachfirma abgedichtet, damit sich kein Staub beim Abriss in der Umgebung verteilt.
15-minütige Hör-Reportage, 3-Minuten-Video und Fotostrecke auf rn.de/castrop
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