Mittagszeit in Ickern: Verliefe die A2 nicht parallel zu der kurzen Wohnstraße, wäre es ganz ruhig Im Hagen. Vor zwei Wochen aber war es zur gleichen Zeit am gleichen Ort ganz anders: Überall blinkte Blaulicht, Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei waren da. In einem Fünf-Parteien-Haus hatte ein Rauchmelder in der Wohnung im Obergeschoss angeschlagen. Die Nachbarn hatten die „112“ gerufen (wir berichteten), weil der Bewohner nicht reagierte. Und das nicht zum ersten Mal.
Denn in dem Haus lebt ein Mieter, der immer wieder auf die Hilfe von Rettungssanitätern oder auch Feuerwehrleuten angewiesen ist. Weil er oft so viel trinkt, dass er die Kontrolle verliert. Und dann seine Kohlrouladen auf dem Herd verbrennen lässt, gegen andere Wohnungstüren hämmert, Bierflaschen oder ihre Scherben im Hausflur verteilt... So berichten es uns Nachbarn.
Aus Angst wurde Wut
Die Nachbarn sind deshalb in Sorge. „Irgendwann fackelt der uns hier noch alle ab“, fürchtet Heidrun, die im Erdgeschoss wohnt. Eigentlich heißt sie anders, möchte ihren Namen jedoch nicht in der Zeitung lesen. Es reiche schon aus, dass ihre Bekannten sie ständig auf den Nachbarn ansprächen, sagt sie. „Hömma, heute haben sie ihn an der Bushaltestelle eingesammelt“, bekommt sie dann beispielsweise zu hören.
An anderen Tagen ist die Rede vom Parkplatz des benachbarten Supermarktes, an wieder anderen vom Friedhof. „Es wird auf jeden Fall von Jahr zu Jahr schlimmer“, sagt sie. „Ich weiß nicht mehr, wie oft ich den Notruf gewählt habe – aber es ist schon ein paar Mal vorgekommen.“

Wenn Heidrun also rausgeht, so wie jetzt kürzlich zur Frühjahrskirmes in der Altstadt, dann fragt sie sich jedes Mal auf dem Nachhauseweg: „Was ist wohl dieses Mal zu Hause los? Steht meine Hütte noch?“ Die Angst sei immer da, erzählt sie. „Aber ich bin ja schon abgebrüht. Es ist mittlerweile eher Wut, die er bei mir auslöst.“ Dem Vermieter, das ist Vivawest, habe sie die Probleme bereits mehrfach schriftlich geschildert. Vor Jahren schon. Und auch nach dem Feuerwehreinsatz vor zwei Wochen wieder.
„Ich hatte gehofft, dass wenigstens mal jemand von Vivawest vorbeikommt und sich das anschaut. Sonst kümmern die sich eigentlich immer, da kann ich mich nicht beschweren“, sagt Heidrun. „Aber dazu gab es leider keine Reaktion bislang“, bedauert sie. Das müsse anders sein. „Hier wohnen schließlich auch kleine Kinder im Haus. Die Fünfjährige, die mit ihrer Familie oben wohnt, hat mittlerweile Angst.“
Dreck, Scherben und Blut
Die angesprochene Familie ist zu Viert und wohnt im ersten Stock. Das fünfjährige Mädchen und ihre drei Jahre jüngere Schwester sind etwas schüchtern, als die Reporterin sie anspricht. Die zur Sprache gekommene Angst aber bestätigt die Größere mit einem kräftigen Nicken. Es sei oft laut im Flur, erzählt sie. Und sie erschrecke sich immer wieder, weil jemand an der Tür klingele oder auch hämmere.

Ihr Vater Manuel, der seinen richtigen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen möchte, zeigt ein Foto, das er im Flur gemacht hat: Mehr als ein halbes Dutzend Bierflaschen ist darauf zu sehen, überall liegen Scherben. „Manchmal ist auch Blut irgendwo“, erzählt er.
„Wir kommen nicht zur Ruhe“
Die Situation sei nicht mehr schön. „Wir wohnen nun seit sechs Jahren hier und fühlen uns eigentlich wohl: Wir haben einen Garten hinter dem Haus, wohnen nicht so weit oben. Aber trotzdem suche ich seit etwa einem Jahr nach einer anderen Wohnung. Bislang leider ohne Erfolg“, sagt Manuel.
Der Grund für die Wohnungssuche liegt auf der Hand: „Wir haben halt die ganze Zeit Polizei und Feuerwehr hier. Und manchmal gibt es Ärger um 12 Uhr mittags, manchmal aber auch mitten in der Nacht. Wir kommen nicht zur Ruhe.“ Auch die Familie hat das dem Vermieter bereits geschildert. „Es gab aber keine Antwort“, sagt Manuel.
Neben den zuvor bereits erwähnten Eskapaden teilen die Mieter in dem Fünf-Parteien-Haus noch eine Sorge: Weil besagter Nachbar offenbar keinen Haustürschlüssel mehr habe, lasse er regelmäßig die Haustür unten offen stehen oder angelehnt, erzählen sie. „Ich gehe ständig in den Flur und gucke nach, ob die Tür denn zu ist“, sagt Heidrun. „Und zusätzlich schließe ich mich auch hier in meiner Wohnung noch ein.“ Auf Dauer sei das kein schöner Zustand. „Ich habe mich bisher immer sehr wohl hier gefühlt. Aber mittlerweile denke ich manchmal darüber nach, ob es woanders vielleicht besser wäre“, bedauert die Mieterin.
Das sagt der Vivawest-Sprecher
Jens Rospek, Pressesprecher von Vivawest, erklärt auf Anfrage unserer Redaktion, dass die Probleme in dem Haus durchaus bekannt seien. „Die ersten Hinweise darauf haben wir bereits im Jahr 2019 erhalten und stehen seitdem mit dem betreffenden Mieter beziehungsweise seinem Rechtsbeistand in Kontakt, um eine zufriedenstellende Lösung zu finden“, erklärt er.
Dass es einen Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsatz am 14. April gegeben habe, sei dem Unternehmen jedoch neu – ebenso wie eine anschließende Kontaktaufnahme einer oder mehrerer Mieter. „Die letzte dokumentierte Kontaktaufnahme mit Vivawest hat Anfang März 2023 stattgefunden, als eine Mietpartei sich schriftlich bei uns gemeldet und uns auf die Situation aufmerksam gemacht hat“, sagt Rospek. Vivawest habe der Mieterin daraufhin „innerhalb weniger Tage geantwortet und auch den Rechtsbeistand des betreffenden Mieters informiert“.
Gleiches werde nun nach den neuesten Hinweisen wieder passieren. „Zudem werden wir den Rechtsbeistand des Mieters erneut kontaktieren und gegebenenfalls weitere Maßnahmen im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten ergreifen, um die Sicherheit der Hausgemeinschaft bestmöglich zu gewährleisten“, erklärt Rospek.
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