Warum haben Sie AfD gewählt? Umfrage ergibt vier Motive: Protest, Frust, Migration und der Sozialstaat

Warum AfD? „Weil ich die Schnauze voll habe von den alten Parteien“
Lesezeit

Am Ende waren es 17,5 Prozent für die AfD in Castrop-Rauxel. In einigen Wahlbezirken holte die Partei sogar die meisten Stimmen. Doch warum entscheiden sich so viele Menschen, es waren in Summe 5821 Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler, für eine teils rechtsextreme Partei?

Wir haben eine anonyme Umfrage gestartet und genau diese Frage gestellt. Jeder konnte an der Umfrage teilnehmen. Wir können nicht prüfen, ob die Teilnehmer wirklich aus Castrop-Rauxel kommen und ob sie wirklich AfD wählten. 87 Einsendungen erhielten wir zwischen Montagnachmittag und Dienstagmittag. Einige wenige waren strafrechtlich relevant. Viele Teilnehmer schrieben sehr ausführlich: von ihren Erlebnissen, Gefühlen und Ängsten. Vier große Motive konnten wir unter den Antworten ausmachen. Hier lassen wir einige AfD-Wähler mit ihren Stimmen zu Wort kommen.

1. Migration

Besonders oft wurde das Thema Zuwanderung angesprochen. Viele Menschen drücken ihre Ängste und Sorgen aus. Sie fühlen sich nicht mehr wohl in ihrer Stadt und haben das Gefühl, zu einer Minderheit zu werden.

„In erster Linie, wegen des Themas Migration, und der damit verbundenen Sicherheit. Das Thema ist ja völlig tabuisiert. Spricht man es an, ist man direkt ‚Nazi‘, dabei ist es tagtäglich sichtbar, um im Ruhrgebiet zu bleiben, bspw. in Dortmund, Herne, Duisburg, Essen usw. Auch und übrigens besonders Ihre Zeitung, macht dort mächtig mit. […] Kann man nachts allein als Frau – auch als Mann – an Bahnhöfen oder Städten entlang laufen? Nein, warum? Sie würden argumentieren… najaaaa Trinker und Obdachlose … Nein, nein daran liegt es nicht und JEDER, der ehrlich ist und die linksextreme Brille abnimmt, weiß das auch, nur traut man sich nicht oder will es einfach nicht sagen (Journalisten z. B.). Tut man es, ist man rechtsextrem und es wird gesagt ‚das gab es immer schon‘ … NEIN, das gab es verdammt nochmal nicht vor 2015! […]“

„Weil man sich mittlerweile fremd im eigenen Land fühlt. Immer mehr No-go-Areas sprießen hervor! Man weiß ja gar nicht mehr, wer sich überhaupt in diesem Land aufhält. Ganz Europa verschiebt sich nach rechts, weil die Flüchtlingspolitik das reinste Chaos ist.“

„[…] 2. Nach dem vereitelten Giftbombenanschlag auf der Lange Straße fühle ich mich nicht mehr sicher. 3. Es werden immer mehr Gegenden zu richtigen Ghettos. Als Frau gehe ich abends nicht mehr alleine vor die Haustür. 4. Abschiebungen sind dringend nötig! Es kann nicht jeder hier aufgenommen werden.“

2. Protest

Immer wieder wird davor gewarnt, AfD-Wähler als Protestwähler zu bezeichnen. Die Mehrheit sei inhaltlich vom Programm der AfD überzeugt. In unserer Befragung gibt es trotzdem einige, die mit ihrer Stimme für die AfD protestieren wollen.

„Aus Protest gegen die jetzige Politik, die gegen eigene Bevölkerung regiert!“

„Ich möchte nicht, dass diese ‚regieren‘, aber die anderen Parteien brauchen einen Denkzettel.“

3. Unzufrieden mit Alt-Parteien

Neben dem Thema Migration schreiben uns viele, dass sie sich von anderen Parteien nicht mehr abgeholt fühlen. Einige sind regelrecht wütend und werfen den etablierten Parteien abseits der AfD vor, die Menschen zu bevormunden. Besonders die Grünen werden scharf attackiert.

„Aus voller Überzeugung und Verachtung der Altparteien, die in den letzten Jahrzehnten absolut nichts Positives für den Normalbürger zustande gebracht haben!“

„Weil ich die Schnauze voll habe von den alten Parteien die viel reden und nichts ändern.“

„Weil die anderen Parteien einfach nicht wählbar sind und damit sich endlich (eventuell) etwas ändert. […]“

„Die große Koalition hat durch ihre Klimapolitik und vor allem der Asylpolitik komplett versagt, daher ist es wichtig, eine Alternative dazu zu haben. Dass endlich Einsicht bei vielen ehemaligen Grünwählern gekommen ist, lässt ein wenig hoffen. Und ja, natürlich sind vermutlich einige Nazis in der AfD zu finden, aber nicht jeder Wähler ist gleichzeitig ein rechtsradikaler Nazi, sondern möchte einfach zum Ausdruck bringen, dass es einfach irgendwann mal genug ist.“

„Weil ich sie total glaubwürdig finde – im Gegensatz zu den anderen Parteien.“

4. Sozial- und Wirtschaftspolitik

Viele, die uns sagen, dass sie die AfD gewählt haben, fühlen sich wirtschaftlich und sozial abgehängt. Sie haben den Eindruck, dass der Sozialstaat zu großzügig ist und Menschen, die arbeiten, zu wenig profitieren. Gleichzeitig sind sie unzufrieden mit der aktuellen Wirtschaftspolitik und Förderprogrammen für andere Staaten.

„[...] Ich bezahle seit über 40 Jahren Steuern für mich und die anderen Deutschen und da werden Leute reingelassen, die nicht einen Cent in unserem System eingezahlt haben und bekommen alles von uns gestellt. […] Hätte ich nicht ein Haus würde ich auch nicht mehr Arbeiten gehen und würde mich auch vom Scholz bis zur Rente bezahlen lassen. Armes Deutschland.“

„Gehen sie mit offenen Augen durch diese Welt? Wir haben die höchsten Steuereinnahmen, die wir je hatten, und kein Sektor, den unsere Politik zu verantworten hat, ist ansatzweise zufriedenstellend. Bildung, Verkehr, Sicherheit u. v. m. Ich traue der etablierten Parteienlandschaft nicht mehr.“

„Weil es der deutschen Wirtschaft schlecht geht und es mit der Ampel nicht besser wird.“

„Deutschland immer zuerst – nicht das ganze Geld in andere Länder verschenken.“

Aber ist sie nicht rechtsextrem?

Mitte Mai wurde die AfD zum rechtsextremistischen Verdachtsfall. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt. Der Verfassungsschutz darf die Partei nun mit mehr geheimdienstlichen Mitteln beobachten als vorher.

Doch was sagen die Wähler der AfD zu dem Urteil? Schreckt es sie ab? Viele scheinen kein Vertrauen in die Justiz zu haben. Die Einstufung hat für den Großteil unserer Teilnehmer keine Bedeutung. Sie sehen die AfD in der Opferrolle. Sie gehen nicht auf den Verdachtsfall ein, sondern erheben Vorwürfe gegen die anderen Parteien.

„Die AfD wird also vom Verfassungsschutz als rechtsextrem bezeichnet! Glaubhafte Gründe dafür werden nicht bekannt gegeben. Der Verfassungsschutz ist durchsetzt von Mitgliedern der Altparteien und daher nicht neutral und deshalb nicht auch nicht glaubwürdig!“

„Absolut nicht! Einzelfälle bzw. Personen wie Herr Höcke, Herr Krah oder ähnliche sind für mich nur kleine Lichter! […]“

„Es hat für mich keine Rolle gespielt. Jede Partei hat ihre schwarzen Schafe und in Deutschland herrscht die Unschuldsvermutung. Von den öffentlich-rechtlichen Medien wurde extrem negativ über die AfD berichtet. Dass bei dem Remigrationstreffen auch die Altparteien anwesend waren, darüber wurde allerdings nicht berichtet. Diese Hetzkampagne gegen die AfD ist sehr scheinheilig!“

Natürlich hat das keine Rolle gespielt. Zum Verdachtsfall hochgeredet, um vom Versagen der eigenen Parteien abzulenken, aus Angst vor Stimmverlust. Keine neutrale Beurteilung.“

Hier hat jeder Vierte die AfD gewählt: Die große Analyse der Europawahl für Castrop-Rauxel

Anonyme Umfrage nach der Europawahl in Castrop-Rauxel: Warum haben Sie die AfD gewählt?

Nach AfD-Urteil: Faeser betont Eigenständigkeit