Schlüsseldienst zockt Gundi Braukhoff (84) ab „Da lief es mir eiskalt den Rücken runter“

Schlüsseldienst zockt 84-Jährige ab: „Es lief mir eiskalt den Rücken runter“
Lesezeit

Mit einem Einkauf nimmt das Unheil seinen Lauf: Die 84 Jahre alte Gundi Braukhoff will mittags eigentlich nur Besorgungen bei Aldi und Edeka in Merklinde machen. Mit ihrem Rollator macht sie sich auf den Weg. Doch als sie anschließend wieder zu Hause ankommt, merkt sie, dass ihr Schlüsselbund nicht mehr da ist. „Der muss mir gestohlen worden sein“, sagt sie und erklärt, dass der dicke Schlüsselbund in einem roten Etui war, der auf den ersten Blick leicht für ein Portemonnaie gehalten werden kann.

Sie gerät in Panik: „Mein Kopf war wie vernebelt.“ Ihre Nachbarn lassen Gundi Braukhoff zwar ins Haus, doch in die Wohnung kommt sie nicht und es gibt keinen Zweitschlüssel. Gemeinsam mit ihrem Nachbarn ruft sie den Schlüsseldienst. Einen Festpreis gebe es nicht und 300 Euro würde die Öffnung der Tür kosten, erklärt ein junger Mann. Dass das ein Wucherpreis ist, weiß Gundi Braukhoff in diesem Moment nicht: „Mein Schreckmoment wurde ausgenutzt.“

400 Euro für eine Türöffnung

Weil sie so viel Bargeld nicht zu Hause hat, möchte sie mit Karte zahlen. Doch das Kartenlesegerät sei kaputt, erklärt der Mann – und setzt sie unter Druck: Ohne Bezahlung werde er die Tür nicht öffnen. „Da lief es mir eiskalt den Rücken

runter“, sagt die 84-Jährige: „Da hätte ich wach werden müssen.“ Stattdessen drängt sie der Mann, mit ihm zur Sparkasse nach Bövinghausen zu fahren, damit sie in bar bezahlen kann. Er möchte keine Spuren hinlassen. Die kleine Rechnung, die er ihr später ausstellt, ist kaum lesbar, das handschriftlich angegebene Unternehmen gibt es nicht.

Wenn die Tür zugezogen wird und der Schlüssel innen steckt, ist die Not oft groß. Da können meist nur Profis helfen. Doch die Suche nach einem guten Schlüsseldienst ist nicht einfach.
Wenn die Tür zugezogen wird und der Schlüssel innen steckt, ist die Not oft groß. Da können meist nur Profis helfen. Doch die Suche nach einem guten Schlüsseldienst ist nicht einfach. © dpa

Zusammen fahren die beiden in seinem Auto zur Bank und heben das Geld ab. „Er schien mir wie ein stinknormaler Mensch und hatte eine ganz komische Art, einen in Sicherheit zu wiegen.“ Zurück an der Wohnung bohrt er das Schloss auf und setzt einen neuen Zylinder ein. Das mache nochmal 100 Euro. „Der Zylinder war nur ein paar Pfennige wert“, erfährt Gundi Braukhoff später und merkt: „Ich wurde total über den Löffel gezogen.“

Tägliche Abzocke

So eine Abzocke passiert täglich – „auch in Castrop-Rauxel“, weiß Martin Dietberg von „Tool of Time“. Sein Unternehmen an der Ringstraße vermietet hauptsächlich Werkzeuge, Garten- und Baustellengeräte. Allerdings bietet er auch Schlüsseldienstleistungen an. Dazu zählen Türöffnungen zu Festpreisen. Gundi Braukhoff möchte mit ihrer Geschichte andere Menschen auf die Abzocke von Schlüsseldiensten aufmerksam machen. Viele andere schämen sich jedoch anschließend. Das Dunkelfeld ist groß, schätzt Dietberg. Auch seien nicht nur ältere Menschen betroffen. Er kenne auch Fälle von jungen Erwachsenen, die um mehrere hundert Euro abgezockt wurden.

Martin Dietberg aus Castrop-Rauxel setzt bei seinem Schlüsseldienst auf Festpreise.
Martin Dietberg aus Castrop-Rauxel setzt bei seinem Schlüsseldienst auf Festpreise. © Roman Lachowicz

Doch Martin Dietberg hat einige Tipps gegen den Betrug auf Lager. Das fange schon bei der Suche an. Weder die Gelben Seiten noch das Internet seien da besonders hilfreich. „Eigentlich gibt es nur zwei Schlüsseldienste in Castrop-Rauxel, aber online findet man Dutzende“, sagt er. Stattdessen solle man lieber Freunde oder Nachbarn nach guten Erfahrungen mit Schlüsseldiensten fragen. Wer doch online suchen möchte, sollte darauf achten, dass eine Castrop-Rauxeler Festnetz-Telefonnummer und nicht nur eine Handynummer angegeben ist und gleich am Telefon nach den Preisen fragen. Der ADAC habe außerdem eine Liste mit seriösen Betrieben, die alle für den gleichen Festpreis arbeiten.

Auf Festpreise achten

Überhaupt seien Festpreise ein gutes Zeichen. Martin Dietberg zeigt auf dem Smartphone ein besonders günstiges Angebot für 39 Euro für eine Öffnung und erst im Kleingedruckten steht, dass es dabei um einen Briefkasten geht und eine tatsächliche Türöffnung natürlich teurer sei. „Für einfache Türöffnung sind 112 Euro üblich“, schreibt Stiftung Warentest. Dass es abends, nachts und am Wochenende teurer werde, sei normal, aber auch nur in Maßen. Bei Martin Dietberg kostet die einfache Türöffnung einer zugefallenen Tür von 8 bis 20 Uhr 89 Euro. Von 20 bis 22 Uhr kostet das Öffnen 139 Euro und nachts von 22 bis 8 Uhr werden 169 Euro berechnet.

„Wenn nur auf Bargeld geschaut wird, dann ist das verdächtig“, sagt Martin Dietberg mit Blick auf den Fall von Gundi Braukhoff. Wer skeptisch wird, sollte sich die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer und auch das Kennzeichen notieren und möglichst nicht bar, sondern auf Rechnung zahlen. All das hat Gundi Braukhoff nicht getan: „Da hat er es einfach mit mir gehabt.“ Inzwischen können sie darüber schmunzeln.