912 Euro Miete für Notunterkunft nach Großbrand Familie nach Brand sauer auf die Stadt

912 Euro Miete für Notunterkunft: Familie nach Brand sauer auf die Stadt
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David Köppen hat am 14. Oktober durch den Brand an der Wartburgstraße seine Wohnung verloren. Schon am Tag des Feuers, sagt Köppen, hätten Mitarbeiter der Stadt ihm klargemacht: „Man kann eine Unterkunft haben. Das kostet aber.“ Dass mit Hilfe von der Stadt Castrop-Rauxel in dieser Ausnahmesituation direkt Geld verbunden wurde, hat ihm gar nicht gefallen. „In einem Moment, wo man alles verloren hatte, ging es zuerst mal darum, dass hier jemand etwas zahlt“, bestätigt Köppens frühere Nachbarin Anika Koltermann. Sie wohnte mit ihrem Mann und drei Kindern an der Wartburgstraße. Auch Nazdar Bibo war überrascht, dass sie für sich und ihre elf Monate alte Tochter Miete für die Notunterkunft zahlen sollte. „Wir dachten eigentlich, das kostet nichts“, sagt sie.

182 Euro Miete pro Kind

Ein kräftiger Wasserstrahl der Feuerwehr trifft auf das brennende Dach an der Wartburgstraße.
Seit dem Brand an der Wartburgstraße ist das Haus unbewohnbar. © 7aktuell.de/Marc Gruber

Tatsächlich hätte Bibo eine Monatsmiete von 182,50 Euro zahlen müssen – pro Person. Für sich und ihr Baby wäre sie bei 365 Euro gelandet. Für die fünfköpfige Familie Koltermann hätte sich eine monatliche Miete von 912,50 Euro ergeben. Köppen und die Familie Koltermann haben sich stattdessen über ihr Umfeld Unterkünfte organisiert. Bibo nahm für einen Tag eine Notunterkunft in Anspruch und zog dann in eine neue Wohnung.

Insgesamt haben durch das Feuer an der Wartburgstraße 20 gemeldete Bewohner ihr Zuhause verloren. Allen Familien sei angeboten, sie in möblierten Wohnungen unterzubringen, sagt Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann auf Anfrage unserer Redaktion. Zwölf Personen hätten Unterkünften der Stadt in Anspruch genommen. Jede Person erhält bei Einzug „eine neue Matratze, Bettwäsche und ein Haushaltspaket“ – dazu gehörten zum Beispiel Geschirr und Kochtöpfe. „Eine Familie ist bereits wieder ausgezogen, weil sie eine eigene Wohnung angemietet hat.“

Zu den Kosten sagt Hilleringmann: „Die Gebühren pro Kopf liegen im vorliegenden Fall bei 182,50 Euro pro Person monatlich.“ Das gelte gemäß der Benutzungs- und Gebührensatzung auch für Kinder, „da auch für diesen Personenkreis ein Schlafplatz und Ausstattung sowie die Möglichkeit der Versorgung und Nutzung sanitärer Anlagen zur Verfügung gestellt werden muss“. Die Regelung der Gebührenpflicht unterliege dem „Gleichbehandlungsgrundsatz“. Es sei der Stadt nicht erlaubt, für bestimmte Personenkreise Gebühren zu erheben und für andere nicht. „Sollte eine Gebühr aufgrund der ‚pro Person – Abrechnung‘ einen erhöhten Bedarf darstellen, springen die zuständigen Sozialleistungsträger ein und berücksichtigen die Kosten bei einer eventuellen Bedarfsberechnung.“

Stadt antwortet auf Kritik

Nachdem sie das Angebot für eine Wohnung abgelehnt hatte, habe sie in der Woche nach dem Brand praktisch nichts mehr von der Stadt gehört, sagt Anika Koltermann. Sie sei weder an eine Kleiderkammer, noch an eine psychologische Beratungsstelle verwiesen worden. „Man wird nicht gefragt, was man macht oder was man braucht“, formuliert es David Köppen. Sie sei „enttäuscht von der Stadt, in der sie geboren wurde“, sagt Koltermann.

Es treffe nicht zu, dass die Stadt den früheren Bewohnern der Wartburgstraße nicht helfe, betont Maresa Hilleringmann. „In vielerlei Hinsicht unterstützen die Mitarbeitenden des Bereichs Migration und Obdachlosenhilfe. Allen Personen, die von der Stadt untergebracht worden sind, wurden verschiedene Hilfsangebote gemacht.“

Maresa Hilleringmann ist Sprecherin der Stadt Castrop-Rauxel.
Maresa Hilleringmann ist Sprecherin der Stadt Castrop-Rauxel. © Abi Schlehenkamp (A)

Stadt hilft Mann mit Pflegestufe

Zum Beispiel konnte die Obdachlosenhilfe für eine alleinstehende Person mit Pflegestufe eine vorübergehende Unterbringung in einem Krankenhaus organisieren. Dort kümmere sich der Sozialarbeiter des Bereichs gemeinsam mit dem gesetzlichen Betreuer und dem Krankenhaus um die Person. Einer anderen Familie sei gar nicht bewusst gewesen, dass sie eine Hausratsversicherung habe. Sie hätten nur gewusst, dass sie Versicherungsbeiträge zahlten, aber nicht, wofür genau. „Eine Mitarbeiterin des Bereichs Migration und Obdachlosenhilfe hat sich mit ihnen zusammengesetzt.“ Sie habe der Familie beim Umgang mit der Versicherung geholfen. „Das hätte die Familie – mit Migrationshintergrund – nicht ohne Hilfe geschafft.“

Zudem stellten die Mitarbeiter „den Kontakt her zwischen den betroffenen Familien und ehrenamtlichen Helfern und unterstützen die Familien bei Fragen oder Unterlagen für andere Behörden und Unternehmen.“ Als Beispiele nennt die Stadtsprecherin „Strom und Gas abmelden“ und „die Schule informieren“. Viele Hilfsmaßnahmen seien individuell und unterlägen dem Datenschutz. „Was die Stadtverwaltung nicht ermöglichen kann, ist die Vermittlung von privaten Mietwohnungen oder die Vermittlung von Arztterminen. Die Stadtverwaltung darf lediglich öffentlich-rechtlich und nicht privatrechtlich handeln.“

Zu den Bewohnern der städtischen Unterkünfte bestehe stetig Kontakt. Auch wer anderweitig untergekommen sei, könne die Mitarbeiter immer ansprechbar. „Die haben alle das Herz am rechten Fleck und sind bemüht, zu helfen“, sagt Hilleringmann.

Dankbar für Hilfe von Vereinen

Betroffene des Brandes an der Wartburgstraße und Organisatoren der Spendenaktion sind am Sportplatz von Arminia Ickern versammelt, wo Spenden gesammelt werden.
Betroffene des Brandes an der Wartburgstraße und Organisatoren der Spendenaktion sind am Sportplatz von Arminia Ickern versammelt, wo Spenden gesammelt werden. © Tewe Schefer

„Wer uns aufgefangen und an die Hand genommen hat, sind die Vereine“, sagt Anika Koltermann. Dank einer Spendenaktion, organisiert durch Ehrenamtler von Arminia Ickern, Victoria Habinghorst, dem Kleingartenverein Ickern-Ost und SV Wacker Obercastrop, sind bergeweise Klamotten für Kinder und Erwachsene zusammengekommen, aus denen sich die Betroffenen das Passende aussuchen konnten. Auch Spielzeug und Schulsachen wurden gespendet, genauso wie ein Kinderwagen für die Tochter von Nazdar Bibo. Weiterhin veranstalten die Vereine Aktionen wie Waffelbacken, um Geld für die Familien zu sammeln. Auf das Paypal-Spendenkonto wurden bislang (Stand 24. Oktober, 13 Uhr) 855 Euro eingezahlt.