Gut Ding will Weile haben. Alter Spruch. Aber alt muss nicht schlecht sein. Im Gegenteil: Eine genau 50 Jahre alte Initiative namens „Weihnachten im Wichernhaus“ ist vermutlich das genaue Gegenteil von schlecht. Auch wenn sie nicht besonders erfolgreich anfing.
Im Jahr 2024 gibt es die Aktion, bei der rund 40 Ehrenamtliche eine Weihnachtsfeier für Einsame, Alte und Kranke auf die Beine stellen, im 50. Jahr. Weihnachten im Wichernhaus ist fester Programmpunkt für 40 ehrenamtliche Helfer in Castrop-Rauxel. Dabei kamen in den ersten beiden Jahren nur jeweils sieben Menschen zu dieser Weihnachtsfeier.
Die fand damals noch in Heilig Kreuz in Dorf Rauxel statt. Die Veranstalter waren erstmal richtig enttäuscht. So eine tolle Idee, und dann so eine geringe Resonanz? Mitbegründer war damals Johannes Beisenherz, der ehemalige Bürgermeister. Bis heute ist er Teil der Orga-Crew.
Aus diesem kleinen Treff erwuchs Weihnachten im Wichernhaus, eine große, etablierte, eine geliebte Aktion gegen Einsamkeit an den Festtagen. Wer Heiligabend nicht alleine sein möchte, kann sich hier anmelden und den Nachmittag am Heiligabend mit anderen Castrop-Rauxelern verbringen. 120 Menschen tun das hier regelmäßig.
Zum 50. Jubiläum haben sich Johannes und sein Sohn Christian Beisenherz, Lisa Süper, Ute Pfahlburger und Christoph Grabowski schon im Vorfeld mit uns verabredet: Wir denken an die vergangenen Feiern zurück. Sie erzählen, was die Aktion für sie so besonders macht.

Von Anfang an dabei
„Wir müssen eine Möglichkeit finden, wie wir Menschen, die Heiligabend alleine sind, zusammen bringen und diesen besonderen Tag gemeinsam mit ihnen gestalten“, meint Johannes Beisenherz. Das war der Plan vor 50 Jahren, mitten in den 70er-Jahren. Und der maue Start mit wenigen Gästen nahm ihnen auch nicht den Mut, weiterzumachen.
Nach einer Krisensitzung verlegten sie die Aktion damals in das Wichernhaus am Brückenweg, also direkt in die Castroper Altstadt. Eine goldrichtige Entscheidung. Denn zum ersten richtigen „Weihnachten im Wichernhaus“ kamen 50 Gäste. Das war wie eine Bestätigung für das Team, sagt Johannes Beisenherz. In den folgenden 47 Jahren habe er selbst kein einziges Fest mehr verpasst.

„Gemeinsam statt einsam“
Sein Sohn Christian Beisenherz krabbelte damals noch unter den Tischen, während die Menschen beisammen saßen. Heute kann der WDR-Redakteur sich gar keinen Heiligabend ohne Weihnachten im Wichernhaus mehr vorstellen, sagt er an der Kaffeetafel von Lisa Süper.
„An Weihnachten alleine zu sein, ist noch schwieriger als an jedem anderen Tag“, findet Christian Beisenherz. „Wenn wir diese Einsamkeit lindern können, ist es das schönste Gefühl.“
Das Teilen von zwischenmenschlicher Wärme und das Beisammensein: Werte, Erlebnisse und Gefühle, die besonders an Weihnachten wahr werden. „Gemeinsam statt einsam“ ist das Motto, unter dem das Jubiläums-Fest im Wichernhaus ausgerichtet wird.

Geld ist nebensächlich
„Engagement macht glücklich“, sagt Lisa Süper. Dabei stimmen ihr die anderen Organisatoren zu. Lisa Süper ist seit 34 Jahren Teil der Aktion „Weihnachten im Wichernhaus“. Sie findet das Ehrenamt belebend. Schon die Vorbereitungen machen ihr Spaß. „Planung gehört immer zu Heiligabend, und die Arbeit im Wichernhaus ist nur positiver Stress“, sagt sie.
Im Frühjahr gebe es immer eine Nachbesprechung zum letzten Fest. Im späten September fangen die Organisatoren dann an, das nächste Fest zu planen, erklärt Lisa Süper. Zwei Tage vor Heiligabend wird der Raum dekoriert. Dann laufen die letzten Vorbereitungen. Dazu gehört, dass jeder Gast nach der Feier eine schön verpackte Tüte mit nach Hause bekommt. Darin sind meist Süßigkeiten und Obst.

Wie voll die Tüten sind und wie prachtvoll das Fest am Ende ausfällt, hängt seit jeher von den Geld- und Sachspenden ab. „Wir hatten nicht immer genug Geld, um ein schönes Weihnachtsfest zu veranstalten“, denkt Ute Pfahlburger zurück.
In der Regel werden 3000 bis 4000 Euro benötigt, um alles zu finanzieren, erklärt sie. Doch selbst wenn das Geld nicht reichte, sei alles getan worden, um ein schönes Fest auszurichten, betonen die Veranstalter. Gemeinschaft sei das oberste Ziel. Und im Notfall gebe es Kartoffelsalat und Würstchen zu essen, sagen sie.
Mittlerweile sei die Veranstaltung jedes Jahr ein Erfolg. Die Organisatoren müssen sie sich keine Sorgen mehr um Besuchermangel machen.
Weihnachts-Ersatz
Weihnachten, beziehungsweise Heiligabend, sei für jeden der ehrenamtlichen Helfer ein ganz besonderer Tag im Jahr. Das wiederholen sie mehrmals während des Gesprächs mit unserer Redaktion. Nur für einen von ihnen war das nicht immer so: Christoph Grabowski ist, wie Lisa Süper, seit 34 Jahren Teil von Weihnachten im Wichernhaus, erzählt er. „Weihnachten mit der Familie habe ich immer gehasst“, sagt der bekannte Metzgermeister.
Bei „Weihnachten im Wichernhaus“ sei das ganz anders. Zu sehen, wie die ehrenamtlichen Helfer für die Einsamen das „Fest der Nächstenliebe“ ausrichten, mache ihn glücklich. „Das ist mein Weihnachtsgeschenk“, sagt er.
Wenn Lisa Süper sagt, als Erwachsene noch verzaubert zu werden sei das, was Weihnachten ausmacht, redet sie sicher nicht nur über die Gäste. Sie meint auch die Helfer, die seit Jahren als Team zusammenarbeiten. Um motivierte Menschen mussten sich die Veranstalter nie Sorgen machen.
Auch in Zukunft sieht es nicht so aus, als müssten sie bangen. Der Helferkreis sei sehr divers, erklärt Johannes Beisenherz. Von Studenten bis Senioren: Es sei alles vertreten.

Das Programm
Das Programm unterscheide sich nicht großartig von den vorherigen Jahren. Der Anlass, das 50. Jubiläum, schwinge während der gesamten Veranstaltung mit, sagt Johannes Beisenherz. Stephanie Süper wird die Gäste begrüßen, Johannes Beisenherz, der Pastor der Paulus-Kirchengemeinde und wahrscheinlich auch Bürgermeister Rajko Kravanja werden kurze Reden halten. Wie in den Vorjahren wird die Band „Jäzzklupp“ auftreten.
Um 14.30 Uhr geht es los. Um 19.30 Uhr werden die Gäste mit Shuttle-Fahrten nach Hause gebracht. Für manche geht das Fest dort dann noch mit der Familie weiter. Für andere ist das der Abschluss eines hoffentlich gelungenen Festes.
