Watzke-Rückzug zeugt von Weitblick Der BVB steht vor einer enormen Zäsur

Watzke-Rückzug zeugt von Weitblick: Der BVB steht vor einer enormen Zäsur
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„Wenn die Sonne scheint, ist es sehr schön“, hat Hans-Joachim Watzke am Montag in Marbella gesagt. Das passte zum Wetter im Trainingslager des BVB, sollte aber natürlich unter anderem beschreiben, wie sich rückblickend 19 Jahre in der Hauptverantwortung bei Borussia Dortmund anfühlen. Mehr als 20 Jahre werden es sein, wenn Ende 2025 sein laufender Vertrag endet, den er nicht mehr verlängern wird. Diese Meldung war am Montag ein Paukenschlag, der weit über Marbella hinaus zu hören war und für ein Beben in der deutschen Fußball-Landschaft sorgte.

Ohne Watzke wäre der BVB in der Bedeutungslosigkeit versunken

Meteorologisch gesehen hat der 64-Jährige wohl alle Wetter-Phänomene durchgemacht in dieser langen Zeit, angefangen mit dem schlimmsten Sturm. Als der Fußball-Romantiker, der er immer geblieben ist, 2005 bei Borussia Dortmund als Geschäftsführer einstieg, stand der Borussia wirtschaftlich das Wasser ja nicht nur bis zum Hals. Die Rettung des Klubs wird auf ewig mit dem Namen Hans-Joachim Watzke verknüpft bleiben. Ohne das Verhandlungsgeschick von Watzke und Ex-Präsident Dr. Reinhard Rauball wäre Borussia Dortmund in der Bedeutungslosigkeit versunken.

Das wird, wenn Watzke nach Auslaufen seines Vertrages im Herbst 2025 aus der Verantwortung zurücktreten wird, für immer das größte Vermächtnis aus dieser beeindruckenden Ära bleiben. Heute ist der Verein einer der mächtigsten und potentesten in Deutschland, mit einer riesengroßen Strahlkraft sogar über die Grenzen des europäischen Kontinents hinaus. Auch diese Entwicklung darf sich Watzke auf die Fahnen schreiben.

Borussia Dortmund steht vor einer Zäsur

Betrachtet man den langen Zeitraum, den Watzke im Amt verbrachte und in dem auch Michael Zorc zunächst als Manager und später als Sportdirektor dem Verein diente, bedeutet der Verlust zweier so erfahrener Kräfte an der Spitze des Vereins binnen weniger Jahre für einen Klub wie den BVB eine enorme Zäsur. Nimmt man Präsident Dr. Reinhard Rauball hinzu, werden drei Führungsfiguren fehlen. Watzke ist dennoch nicht bange vor diesem Schritt, den er mit dem Gang in die Öffentlichkeit schon jetzt, gut eineinhalb Jahre vor dem tatsächlichen Wechsel, bewusst sehr früh angekündigt hat. Der BVB ist in der Tat gut aufgestellt, personell wie wirtschaftlich. Dennoch werden intern die Expertise und der Einfluss von einem der mächtigsten Sportfunktionäre Deutschlands auf jeden Fall fehlen.

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Bei aller Emotionalität, die diese Entscheidung begleitet und die zu den schwierigsten seiner Funktionärskarriere zählt, hat Watzke damit den Blick auf das Große und Ganze nicht aus den Augen verloren. Es ist ein bemerkenswerter Entschluss, der überraschend kam, geprägt auch von Weitblick. Watzke möchte abtreten, bevor sein Denkmal beschädigt wird. Beschleunigt wurde er sicher auch von der zunehmenden Kritik an seiner Person, die nach der verpassten Meisterschaft im Mai noch einmal eine neue Vehemenz erreichte. Es musste ihn schmerzen, wie wenig die konstante sportliche Entwicklung über Jahre noch eine Rolle spielt, wie stark die Bewertung von Arbeit immer öfter nur an kurzfristigen Erfolgen gemessen wird.

Klopp-Emanzipation dauerte deutlich zu lange

Es ist Hans-Joachim Watzke immer egal gewesen, ob und wie oft er aneckt. Er ist immer ein streitbarer, oft unbequemer Vordenker gewesen, mit Visionen und klaren Zielen auf der einen, aber auch dem Hang zur Fußball-Romantik auf der anderen Seite. Die Emanzipation der Borussia von Langzeittrainer Jürgen Klopp dauerte deutlich zu lange. Der Versuch, mit Rückholaktionen verdienter Spieler bessere Zeiten heraufzubeschwören, scheiterte mehrfach. Zu oft lag der BVB zuletzt bei Transfers daneben, die Gesamtverantwortung dafür lag auch beim Geschäftsführer. Daher lieben ihn die einen, die anderen respektieren ihn nur.

Man kann sich den 64-Jährigen nur schwer als Rentner vorstellen. Ganz so wird es auch wohl nicht kommen. Auch wenn andere in die Verantwortung treten: Sie werden gut beraten sein, auch Hans-Joachim Watzkes Meinung weiterhin zu hören.