Vor 75 Jahren von Nazis ermordet: Heinrich Czerkus und Franz Hippler

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Vor 75 Jahren von Nazis ermordet: Heinrich Czerkus und Franz Hippler

rnBorussia Dortmund

Heinrich Czerkus und Franz Hippler wurden vor 75 Jahren von den Nazis ermordet. Wegen der Coronavirus-Pandemie fällt in diesem Jahr die Gedenkfeier aus – erinnern sollte man sich trotzdem.

von Gerd Kolbe

Dortmund

, 10.04.2020, 07:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Als Hitler am 30. Januar 1933 die Macht übernahm, wurde auch der Sport im Sinne seiner Ideologie deformiert und vergewaltigt. Danach war er in erster Linie zur Hebung der „rassischen Qualität der Arier“ und zur „Stärkung der Volksgesundheit“ einzusetzen und hatte der körperlichen Vorbereitung zahlloser junger Menschen auf den Krieg zu dienen. Sportliche Erfolge waren angebliche Beweise für die naturgegebene Überlegenheit der arischen Rasse.

Nazis haben Sportvereine „gleichgeschaltet“

Das Führerprinzip wurde den Verbänden und Vereinen in Einheitssatzungen aufgezwungen, ein Dietwart und Gesinnungsschnüffler zur Pflege des Deutschtums eingesetzt. Alle Sportverbände wurden „gleichgeschaltet“, die Arbeiterturn- und Sportorganisationen und die konfessionellen „Deutsche Jugendkraft“ und „Eichenkreuz“ verboten. Der Nachwuchs der Vereine kam zur Hitlerjugend. Nach den Olympischen Spielen 1936 kam auch das Ende für den jüdischen Sport.

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Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf

Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.
19.04.2019
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Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper
Bei dem Dortmunder Czerkus-Lauf haben sich hunderte Menschen versammelt um dem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Czerkus, zu gedenken.© Schaper

Diese generellen Rahmenbedingungen galten auch für den BVB. Borussia stammte aus dem „roten“ Dortmunder Norden mit seiner überwiegend politisch weit links angesiedelten Arbeiterschaft. Auch im BVB übernahmen die Nazis die wichtigsten Vereinsfunktionen. Intern fühlte man sich jedoch weiter als solidarische „BVB-Familie,“ schirmte die „linken“ Vereinsmitglieder ab und schützte sie vor politischer Verfolgung.

Rechte Machthaber nahmen der Borussia ihren Sportplatz

Durch die erzwungene Wegnahme des Borussia-Sportplatzes an der Wambeler Straße wuchs die Abneigung den rechten Machthabern gegenüber. Trotzdem arrangierte man sich mit ihnen, wo es erforderlich schien. Wo es möglich war, zeigte man sich hingegen widerborstig und unangepasst.

Innerhalb des BVB gab es mit Heinrich Czerkus, Franz Hippler und Fritz Weller. drei Widerstandskämpfer, von denen Czerkus und Hippler kurz vor Ostern 1945 von den Nazis ermordet wurden. Damit war der BVB aber keineswegs ein Verein im Widerstand. Man hatte sich „lediglich“ einen sehr spezifischen „BVB-Weg“ durch die Nazi-Zeit auserkoren.

Wie Heinrich Czerkus nach Dortmund kam

Heinrich Czerkus wurde am 27. Oktober 1894 in Ostpreußen geboren. Der überzeugte Kommunist kam im Juli 1920 nach Dortmund und wohnte in der Schlosserstraße 42 am Borsigplatz. Dort befindet sich heute ein „Stolperstein“, der an ihn erinnert.

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Czerkus trat dem BVB und der Kommunistischen Partei (KPD) bei. Zunächst war er Kassierer der KPD am Borsigplatz, fand bei Hoesch Arbeit als Schlosser und übernahm später weitere Funktionen in seiner Partei. Nach dem Ausbau der „Weißen Wiese“ zum „Borussia-Sportplatz“ arbeitete er von 1924 bis 1937 als BVB-Platzwart, bis man dem BVB die Sportanlage und Czerkus die berufliche Existenz wegnahm.

Czerkus war Dortmunder Ratsmitglied

Anfang 1933 wurde Czerkus in den Rat der Stadt gewählt, aber nach dem Ermächtigungsgesetz wenige Wochen später gemeinsam mit 14 weiteren kommunistischen Abgeordneten auf Anweisung Görings noch vor der ersten Ratssitzung widerrechtlich ausgeschlossen.

Heinrich Czerkus ging in den Widerstand. Vorsichtig kombinierte er seine Tätigkeit als Platzwart mit den politischen Aktivitäten. Dabei half es ihm, dass die BVB-Familie zu ihm hielt. Aus guten Gründen hielt er sich mehr im Umkleidegebäude des Borussia- Sportplatzes auf als in seiner Wohnung. Dort konnte er besser gewarnt werden, wenn ihn die Gestapo wieder einmal verhaften wollte.

Czerkus erstellte Flugblätter für seine Widerstandsgruppe

Ende 1944 überließ Vereinsführer August Busse Czerkus die BVB-Druckanlage in der Geschäftsstelle Oesterholzstraße 60, auf der dieser dann Handzettel und Plakate für seine Widerstandsgruppe drucken konnte.

Franz Hippler wurde am 14. April 1895 in Ostpreußen geboren. Seine Eltern zogen mit ihm und seinen Geschwistern nach Dortmund, als er drei Jahre alt war. Die Familie war katholisch und gehörte zur Dreifaltigkeitskirche. Mit 14 kam Hippler in die Lehre. 60 Stunden Arbeit wöchentlich waren normal.

Hippler der Pazifist

Im 1. Weltkrieg war er Mitglied eines Freikorps, lernte den Krieg aus tiefster Seele hassen und stieß 1921 zur KPD, die den Ultralinken ausschloss, später aber wieder aufnahm. Nach seiner Heirat gründete er eine Familie, zog zum „roten“ Borsigplatz und wurde BVB-Mitglied. Ab 1922 war er fast täglich beim Ausbau der „Weißen Wiese“ aktiv, besuchte die Heim- und Auswärtsspiele und nahm rege am Vereinsleben teil.

Die Zeiten waren gerade für einen Kommunisten wie Hippler hart, denn die Gestapo verfolgte ihn zwischen 1933 und 1945 praktisch ununterbrochen. Der erste Zugriff erfolgte Anfang März 1933. Er lernte die Steinwache kennen und fürchten. Im dortigen Haftbuch hieß es: „Politisch verhaftet auf Anordnung des Hohen Ministers des Innern“. Gemeint war Göring.

SA nahm Hippler als Geisel

Als in der Nacht zum 2. August 1933 ein SA-Scharführer in der Flurstraße überfallen und verletzt wurde, nahm die Gestapo als Vergeltung vier kommunistische Geiseln fest, zu denen auch Hippler gehörte.

Wieder auf freiem Fuß, ging Hippler in den Widerstand, angeworben von Heinrich Czerkus. 1935 schlug die Gestapo erneut zu. Wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat kam er in mehrere Gefängnisse und war ein Jahr Moorsoldat im Arbeitslager Stapelmoor. Es folgten drei Jahre und acht Monate im KZ Buchenwald. Im April 1943 wurde er nach schrecklichen Folterungen „probeweise“ entlassen. Probeweise hieß: Er musste einen festen Wohnsitz nachweisen, sonst drohte wieder das KZ.

Nach der Zerstörung seiner Wohnung in der Wambeler Straße 11 Ende Mai 1944, half ihm der Borusse und SA-Mann Willi Röhr, überließ ihm in der Wambeler Straße 3 eine neue Bleibe und bewahrte ihn damit vor einem weiteren KZ-Aufenthalt.

Gestapo verhaftete Hippler und Czerkus

Anfang 1945 halfen weder Vorsicht noch BVB-Warnsystem. Heinrich Czerkus und Franz Hippler wurden verhaftet, in die Steinwache gebracht, später in die Gestapo-Zentrale in Hörde, und täglich gefoltert.

Im April, wenige Tage vor der Befreiung Dortmunds durch die Amerikaner, wurden Czerkus, Hippler und andere Häftlinge auf der Benninghofer Straße mit Gewalt zusammengetrieben, mit Stacheldraht aneinandergekettet und wie Vieh in den Rombergpark transportiert. Dort warteten die unfassbar brutalen Nazi-Todeskommandos. Die Todeskandidaten mussten sich nebeneinander aufstellen. Einer nach dem anderen sank tot in die Bombentrichter, die ihre Massengräber wurden. Als Todestag von Heinrich Czerkus wurde der 15. April 1945, als Todestag von Franz Hippler der 20. April 1945 festgelegt.

Die Mörder kamen später in ihren Gerichtsverfahren samt und sonders mit schändlichen Bagatellstrafen davon.

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