Fußballfans auf der ganzen Welt bewundern die beeindruckenden BVB-Choreos. Dafür muss die aktive Fanszene viel Zeit, Ideen und Geld investieren. Ein BVB-Fan deckt jetzt die Abläufe auf.
Auffallend, mal leuchtend, mal rauchend, mal mit viel Bewegung. Groß, beeindruckend und mit einer eindeutigen Botschaft. So sind die Choreografien in den Bundesligastadien - auch in Dortmund. Meistens jedoch strahlen sie nur für wenige Minuten, bevor die Fans wieder hinter den Pappen, Folien, Plakaten und Fahnen auftauchen.
Doch in dieses kurze, eindrucksvolle Schauspiel steckt die aktive Fanszene viel Mühe, Zeit und Geld. Für die großen Choreos arbeiten oft hunderte Fans über Wochen an dem großen Banner, an tausenden Fahnen und Folien.
Choreos sollen möglichst auffällig und kreativ sein
Während die Schalker Ultras all die Materialien und Kosten online veröffentlichen, hält sich die aktive Fanszene vom BVB bedeckt. Nils, ein junger BVB-Fan, der mit der aktiven Fanszene zu tun hat, verrät trotzdem, wie eine BVB-Choreo entsteht. Nils möchte anonym bleiben und seinen wahren Namen nicht veröffentlichen.
Nils war schon häufig bei Choreografien auf der Südtribüne dabei und weiß, dass viel Aufwand hinter jeder einzelnen Choreo steckt: „Die Mitglieder der aktiven Fanszene gestalten die Choreos in ihrer Freizeit und entwickeln alles selber, von den Ideen über das Konzept bis zur Umsetzung.“ Für fast alle Ultras sei die Unterstützung des BVB eine Lebenseinstellung. Die Mission: ihren Klub möglichst auffällig und kreativ anzufeuern. Dafür wird alles genaustens geplant und organisiert.
Die Banner werden in großen Hallen erstellt
Ist eine Idee entstanden, wird das Banner zunächst am PC geplant und in einer kleinen Version erstellt. Die Beteiligten kaufen Materialien für die Banner, Doppelhalter und großen Choreographien im Baumarkt. „Die Plakate werden dann in großen Hallen, zum Beispiel Sporthallen bemalt“, erklärt Nils. Das Banner für die Gründerväter, das die Südtribüne am 21. Dezember 2013 beim Spiel gegen Berlin schmückte, sei zum Beispiel in der Westfalenhalle angefertigt worden.
Sind alle Materialien beisammen, wird Farbe in Bierbecher gefüllt und mit Pinseln, Farbrollen und Sprühdosen gemalt, gesprüht, gebastelt und genäht. Die großen Banner werden in mehrere Quadranten unterteilt. Für jeden Quadranten gibt es eine PC-Vorlage, von der die Bilder - natürlich deutlich vergrößert - auf das Banner abgezeichnet und bemalt werden.
„Wie lange das Ganze dauert und wie viele Mitglieder bei der Gestaltung helfen, hängt von der Größe des Banners und der gesamten Choreo ab“, sagt Nils. Richtig große Choreos seien nur zu besonderen Anlässen möglich: „da steckt viel Aufwand, Ideenreichtum und Geld hinter.“
Wann beginnt die Vorbereitung im Stadion?
Ist für die Choreo alles fertig gestaltet, bringen Mitwirkende das gesamte Werk gemeinsam mit einem Sprinter zum Stadion. „Bei großen Choreos wird schon lange vor Spielbeginn alles ins Stadion gebracht und vorbereitet.“ Ab wann die aktive Fanszene zur Vorbereitung ins Stadion darf? Das sei abhängig von der geplanten Choreo, sagt der BVB auf Nachfrage unserer Redaktion. In der Regel direkt am Spieltag „und unter Begleitung durch Fanbeauftragte und zum Teil Ordnungsdienst.“
Das Banner muss zur Probe hochgezogen werden. Bei jeder einzelnen Pappe und Folie, bei den Schriftzügen und den Wappen muss geplant werden, wer sie wann hochhält. Die entsprechenden Pappen und Folien werden auf den Plätzen der Südtribüne verteilt, „manchmal werden auch die Eingänge mit Pappen in der entsprechenden Farbe abgeklebt und die Bereiche mit Flatterband abgetrennt, damit jeder Fan erkennen kann, welche Farbe er hochhalten muss.“ Hochgehalten werden alle Folien und Pappen auf ein bestimmtes Zeichen: „Wenn die Spieler einlaufen.“
Auch wenn die aktive Fanszene die Choreos unabhängig vom Verein gestalten, dürfen sie diese nicht ohne Absprache durchführen: „Jede Choreo muss vorher angemeldet werden und wird tatsächlich auch vorher angemeldet“, bestätigt der BVB.
Jede Choreo ist an strenge Auflagen geknüpft
Und auch mit dem Ordnungsdienst und Brandschutzmeister müssen sich die Fans absprechen. Denn: „Es müssen vielfältige Aspekte beachtet werden, weshalb auch Beteiligte aus vielen verschiedenen Bereichen bereits im Vorfeld eingebunden werden“, heißt es vom BVB. Jede Choreo ist an strenge Auflagen geknüpft. So dürfen große Fahnen zum Beispiel nicht leicht entflammbar sein.
Neben dem zeitlichen Aufwand muss die aktive Fanszene viel Geld für die Gestaltung der Choreos investieren. Banner müssen gekauft und bemalt, Doppelhalter gebaut und Hallen gemietet werden. So kann eine Choreo schon mal tausende Euro kosten.
Mitgliedsbeiträge fließen ausschließlich in Choreos
Wie all die Kosten getragen werden? „Hauptsächlich durch Spenden“, sagt Nils. „Zusätzliche Einnahmen hat das Bündnis Südtribüne noch durch die Mitglieder. Mitglieder können spezielle, selbst kreierte Fankleidung kaufen und müssen einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von zehn Euro zahlen“, erzählt Nils. Diese Beiträge - sowohl die Mitgliedsbeiträge, als auch die Verkaufs-Einnahmen - fließen ausschließlich in die Finanzierung der Choreografien. Da das Bündnis Südtribüne Dortmund laut eigener Auskunft zurzeit 2992 Einzel- und Fanklubmitglieder hat, kommt dadurch schon viel Geld zusammen.
Geld direkt vom BVB würde die aktive Fanszene nie für eine Choreo annehmen. Sie wollen unabhängig vom Verein und von kommerziellen Sponsoren sein. So müssen die Fans und Gruppen der aktiven Fanszene für jede einzelne Choreo viel Aufwand, Zeit und Geld investieren. Doch das lohne sich auch für jede einzelne Choreo, findet Nils. „Die Choreos sind jedes Mal ein Highlight und Gänsehaut pur. Die ganz großen bleiben einem für immer in Erinnerung.“
Knapp 50.000 Euro für eine Choreo
- Die Schalker Ultra-Gruppen veröffentlichen online alle Kosten, um transparente Einblicke zu ermöglichen. Im Dezember haben sie drei Choreografien für insgesamt 85.000 Euro entworfen. Eine davon für das Derby gegen den BVB. Dafür entstanden folgende Kosten:
- 21.000x Wollmütze = 44.100,00€
- 156m Nesselstoff = 753,72€
- 70 Liter Farbe = 229,60€
- Rollen, Pinsel etc. = 35,90€
- 40x Panzerband = 104,30€
- 257x Doppelseitiges Klebeband = 511,43€
- 3.225m Polyesterstoff Blau = 1.257,75€
- 3.200m Polyesterstoff Weiß = 1.248,00€
- 300x Info Plakat = 40,00€
- 25.000x Info Flyer = 250,41€
- 40x Rauchpatrone = 200€
- 40x Vorrichtung zum Rauch zünden = 327,50€
- Insgesamt: 49.058,61
Aus einer beschaulichen Stadt in der Nähe von Bielefeld ins lebendige Dortmund gekommen. Super neugierig und kann besser mit Wörtern Bilder malen als mit dem Pinsel. Hat darum Journalismus und Moderation studiert. Sport- und musikbegeistert.
