Borussia Dortmund
U23-Trainer Preußer im XXL-Interview: „Die Aufgabe beim BVB erfüllt mich total“
Christian Preußer blickt dem Saisonstart mit der BVB-U23 voller Vorfreude entgegen. Zum Abschluss des Trainingslagers spricht er im XXL-Interview über seinen Werdegang, eine pikante Konstellation und Fast Food.
Seit etwas mehr als drei Wochen ist Christian Preußer Cheftrainer der U23 von Borussia Dortmund. Im Trainingslager in Kirchberg/Tirol legte der 38-Jährige mit seiner Mannschaft den Grundstein für die Saison. 14 Tage bleiben, um das Team auf den Start in der 3. Liga einzustimmen. Während der Einheiten in Österreich geht Preußer akribisch vor. Wenn ihm etwas nicht gefällt, unterbricht er die Übungen mit seiner Trillerpfeife und greift korrigierend ein. Wenn ihm hingegen gefällt, was er sieht, quittiert er das mit einem bestätigenden „So sieht’s aus.“ Nach der letzten von zehn Einheiten traf sich Preußer für ein ausführliches Gespräch mit RN-Redakteur Cedric Gebhardt.
Am Freitag gab es einen Grillabend auf der Ochsalm. Dabei mussten die Neuen zum Einstand singen. Welches Lied haben Sie bei der Gelegenheit vorgetragen?
Wir Trainer singen nicht. Das war den Spielern vorbehalten. Aber ich habe meinen Einstand gegeben.
Wie sah der aus?
Wir waren bei McDonald’s, was zugegeben sehr unüblich ist und nicht oft vorkommt. Aber nachdem wir mit der Mannschaft am Montag Kartfahren waren, konnten wir das im Anschluss gut miteinander verknüpfen.
Noch mal kurz zurück auf die Alm: Wessen Gesangsdarbietung hat Sie am meisten überzeugt?
Die von Bjarne Pudel, sein Auftritt war mit einer coolen Performance unterlegt. Aber näher möchte ich darauf nicht eingehen.
Bevor wir näher auf den BVB eingehen, lassen Sie uns kurz über Ihren Werdegang sprechen. Sie sind schon in jungen Jahren Trainer geworden. War Ihnen früh klar, dass Sie diesen Weg einschlagen würden?
Ich habe selbst Fußball gespielt und recht schnell gemerkt, dass es nicht zum Profi reichen würde. Mit 16, 17 Jahren habe ich bereits mit der U15 meine erste Mannschaft bei meinem Heimatverein VSG Altglienicke Berlin trainiert. Von da an war mir relativ schnell klar, dass ich Sport studieren und Trainer werden möchte. Den Einstieg in den professionellen Bereich habe ich dann in Erfurt gemacht. Neben meinem Studium habe ich als Praktikant im dortigen NLZ angefangen. RW Erfurt war damals Drittligist und im Osten bekannt für seine gute Nachwuchsarbeit. Irgendwann war ich dann Cheftrainer der U19 und hatte auch Glück mit dem Jahrgang 1993. Gemeinsam mit Spielern wie Kevin Möhwald, Philipp Klewin und Jonas Nietfeld sind wir damals in die Junioren-Bundesliga aufgestiegen. Ich bin dann Fußball-Lehrer geworden – damals war ich noch keine 30. Ich bin stolz darauf, dass ich so früh zu dem Lehrgang zugelassen worden bin. Zu der Zeit war ich auch beim BVB im Praktikum und habe Jürgen Klopp kennengelernt. Aber all das war nicht geplant, es hat sich eher Stück für Stück ergeben. Ich habe aber schon als Jugendlicher für mich gemerkt: das Trainersein, das ist die maximale Leidenschaft. Ich will das unbedingt machen.
BVB-Trainer Christian Preußer (l.) im Gespräch mit RN-Redakteur Cedric Gebhardt. © Andersen
Was macht denn den Reiz eines Trainers aus? Warum ist das die maximale Leidenschaft?
Mir macht es großen Spaß, wenn man Dinge gemeinsam entwickelt und besser wird. Das ist bei einer Fußballmannschaft gegeben. Auf der Welt gibt es so viele Konflikte, aber bei einer Fußballmannschaft ist es völlig egal, wo man herkommt. Das erfüllt mich sehr. Wenn mir unser Gastspieler Kristian Bako schildert, wie es in der Ukraine ist, bereichert mich das auf eine besondere Weise. Aber bevor es zu philosophisch wird: Ich glaube, ich kann Spielern durch meinen Input helfen, besser zu werden. Es ist spannend zu sehen, was wir trainieren und wie viel wir davon dann umsetzen. Wenn das am Wochenende in ein positives Ergebnis mündet, macht das viel Freude. Genauso wie gemeinsam einen Spirit zu entwickeln, aber auch Probleme zu moderieren, denn in jedem Team gibt es natürlich auch mal Unzufriedenheit, weil jemand nicht spielen kann. All das macht mir unglaublich viel Spaß.
Zurück zum BVB. Wie wichtig ist das Trainingslager für Sie als neuen Coach? Worauf ist es Ihnen ganz besonders angekommen?
Es ist viel Vorfreude auf die Saison da, aber es geht noch nicht darum, wer spielt oder nicht spielt. Das ist der Grundcharakter, die Atmosphäre. Es war mir wichtig, allen möglichst gleichermaßen Spielzeit zu geben, um Eindrücke zu gewinnen. Das wird sich in der nächsten und übernächsten Woche natürlich ändern, je näher das erste Pflichtspiel kommt. Ich habe mir die Zeit genommen, mit jedem Einzelnen zu sprechen. Das gemeinsame Kennenlernen ist ganz wichtig. Wir konnten hier in Ruhe arbeiten und einfach Zeit miteinander verbringen, auch für die Spieler untereinander ist das wichtig. Wir stellen gemeinsam noch einen Regelkatalog auf, wie wir verbindlich miteinander zusammenarbeiten wollen. So etwas entwickelt sich in einem Trainingslager extrem gut.
Sie mussten wichtige Spieler zu den Profis abgeben, hatten dafür zwei U19-Junioren und fünf Gastspieler mit dabei. Inwieweit lässt sich da überhaupt an wesentlichen Dingen arbeiten, die Sie implementieren möchten?
Wir möchten die Inhalte vermitteln, ganz unabhängig davon, wer da ist oder fehlt. Herausfordernd wird es, wenn wir alle da sind. Athletisch sind dann zwar alle auf demselben Stand, aber taktisch müssen wir aufpassen, dass wir die Spieler, die zuletzt bei den Profis waren und noch kaum Kontakt zu uns hatten, dann nicht überfrachten. Dann geht es darum, ihnen komprimiert unsere Idee vorzustellen und ein paar Videosequenzen zu zeigen. Meine Erfahrung aus Freiburg ist, dass alles Weitere dann mit den Spielen kommt, als laufender Prozess, bei dem wir dann Einfluss nehmen können. Das wird spannend. Trotzdem habe ich den Ehrgeiz, dass wir das zügig hinbekommen.
Sie haben bei Ihren Einheiten in Kirchberg viel Wert auf akkurates Passspiel gelegt und auf wenige Kontakte. Inwieweit ist das schon ein Fingerzeig auf den Fußball, den Sie sich vorstellen?
Das ist ein guter Fingerzeig. Ich glaube, mit dem Passspiel entscheidet sich alles. Wenn man einen Pass scharf spielt, einen Gegner ausspielt, Linien überspielt, dann kann man offensiv auftreten. Deswegen haben wir das am Anfang mitunter sehr detailliert eingeübt. Das war für die Spieler vielleicht auch manchmal fast schon nervig. Darüber hinaus brauchen wir Tempo in unserem Spiel, wir müssen schnell verlagern, schnell den Gegner auseinanderziehen.
In den Testspielen haben Sie mal mit Dreier-, mal mit Viererkette gespielt. Sie haben angekündigt, das flexibel halten zu wollen. Kristallisiert sich schon eine taktische Grundausrichtung heraus?
Das hängt von den Spielern ab, die wir zur Verfügung haben. Wir müssen die Stärke der Spieler ins System einpassen. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir Dreier- und Viererkette spielen können. Schon jetzt ist klar: Die Dreierkette hat die Mannschaft schon echt gut verinnerlicht. Da sind die Abläufe klar, eine Grundstruktur ist vorhanden.
In den bisherigen Testspielen haben Sie moniert, dass Ihre Mannschaft mehr Tore schießen müsse. Warum ist das bislang noch nicht so gut gelungen?
Das ist zu erklären. Preußen Münster und Wacker Burghausen haben uns zu Beginn sehr hoch gepresst und wir sind häufig nicht über die erste Linie gekommen. So mussten wir oft mit langen Bällen agieren und hinterherlaufen. Es geht darum, wie wir über das Angriffspressing rüberkommen, dann kriegen wir Räume und Torchancen. Über die erste Linie kommen, das ist das Thema – das müssen wir besser machen.
Weshalb haben Sie bisher mit Düsseldorf II, Münster, Burghausen und Salzburg in den Testspielen ausschließlich unterklassige Gegner gewählt?
Ich finde, das hat schon gut gepasst. Münster und Burghausen haben uns gut gefordert, auch Salzburg war vor allem in der ersten Halbzeit kein Selbstläufer. Wichtig ist mir aber trotzdem, dass wir mit RKC Waalwijk zum Abschluss einen niederländischen Erstligisten haben. Das soll dann die Generalprobe werden.
Zum Abschluss des Trainingslagers siegte die BVB-U23 gegen Austria Sal © Andersen
Sie hatten fünf Gastspieler dabei. Wer hat sich hervorgetan?
Darüber wollen wir in erster Linie natürlich mit den Spielern selbst sprechen. Aber sie alle waren sehr engagiert und haben unser Trainingsniveau verstärkt. Das hat uns sehr geholfen und uns größere Spielformen ermöglicht.
Wer hat Sie insgesamt überzeugt?
Ich finde, dass der Auftritt von Moritz Broschinski nach seiner langen Verletzung sehr erfreulich ist. Man merkt ihm an, dass er froh ist, wieder trainieren zu können. Die erfahrenen Spieler Franz Pfanne, Niklas Dams, Marco Hober und Michael Eberwein bringen richtig Struktur rein. Sie nehmen Einfluss auf die Mannschaft. Das sind Säulen, die ganz wichtig für uns werden. Auch Vasco Walz aus der U19 ist hier selbstbewusst unterwegs, hat ein tolles Tor erzielt, er gefällt mir gut.
Und wer muss noch zulegen?
Das besprechen wir mit den Spielern und nicht öffentlich. Aber wir haben bei dem einen oder anderen natürlich auch noch Defizite gesehen. Aber wir haben Zeit, die Jungs besser zu machen und gehen jetzt auch zu individuellem Videostudium über. Bisher war die Analyse mannschaftstaktisch.
Im Tor gibt es eine durchaus pikante Konstellation. Marcel Lotka und Luca Unbehaun liefern sich ein Duell um die Nummer eins. In der vergangenen Saison haben sich Unbehaun und Stefan Drljaca abgewechselt. Ist dieses Modell ebenfalls denkbar oder planen Sie mit einer festen Nummer eins?
Das wird eine knifflige Entscheidung, weil sie natürlich auch Auswirkung auf die Konstellation bei den Profis hat. Wir sind auf der Torwart-Position extrem gut besetzt, das macht es dann auch so schwierig. Das wird dann auch zu moderieren sein. Aber auch das werden wir zuallererst direkt mit den Spielern besprechen.
Marco Pasalic und Jayden Braaf haben zu großen Teilen individuell trainiert. Wie bewerten Sie Ihre Entwicklung?
Wenn sie fit sind, sind beide absolute Verstärkungen und Unterschiedsspieler. Pasa muss schon noch weiter an seiner Fitness arbeiten, aber das wird nicht mehr so lange dauern. Da können wir schon über Teileinsätze nachdenken. Bei Jayden müssen wir alle das Gefühl haben, dass er wirklich bei 100 Prozent ist, dazu sind wir in ständigem Austausch mit ihm. Perspektivisch muss bei ihm die Zweikampfhärte wieder dazukommen. Er muss mal einen harten Zweikampf führen, nach dem er aufsteht und es weitergeht. Das ist viel Kopfsache, weil er sehr lange verletzt war. Wir möchten natürlich, dass es möglichst schnell mit seiner Rückkehr auf den Rasen klappt, weil er uns richtig helfen kann. Aber wir nehmen uns die nötige Zeit. Benjamin Schüßler hat mit beiden sehr gut gearbeitet, das Trainingslager hat ihnen richtig geholfen und gutgetan.
In Justin Njinmah und Dennis Lütke-Frie sind jetzt schon zwei wichtige Spieler verletzt. Haben Sie Sorgen, dass es schon zu Saisonbeginn zu einem Engpass kommen könnte?
Justin und Dennis sind gute Spieler. Wenn sie verletzt sind, ist das nicht gut. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Die Jungs sollten ihrerseits alles dafür tun, wieder fit zu werden und natürlich ist auch die Prophylaxe wichtig, dass sie sich nicht wieder verletzten. Aber wir wollen nicht lamentieren, wir schauen, wer da ist und dann machen wir das Beste draus.
In einer U23 ist die Altersstruktur naturgemäß eine andere als in Düsseldorf. Ändert das für Sie als Trainer etwas im Hinblick auf die Herangehensweise oder die Vermittlung von Inhalten?
Nein, das würde ich nicht sagen – die Inhalte sind gleich. Darauf hat die Altersstruktur keinen Einfluss. Aber das Entwicklungspotenzial junger Spieler ist ein ganz anderes. Sie können schneller Fortschritte machen, lernen sehr schnell dazu, entwickeln sich auch körperlich noch.
Müssen Sie dadurch zwangsläufig mehr Fehler einkalkulieren?
Ja, absolut. Die Frage ist immer, wie die Fehler zustandekommen und wie wir mit ihnen umgehen. Was mich stört, ist, wenn wir einen Fehler machen und ihn dann unbedacht nochmal und nochmal und nochmal machen. Das geht nicht. Aber natürlich sind Fehler einkalkuliert. Was ich noch nicht abschätzen kann, ist, wie die Jungs auf große Zuschauerkulissen in der 3. Liga reagieren. Oder wie die Spieler aus der U19, die in den letzten Jahren kaum mal ein Spiel verloren haben, zwei Niederlagen hintereinander hinnehmen. Wie ist es überhaupt, wenn sie mal nicht spielen und auf der Bank Platz nehmen müssen und nicht eingewechselt werden? All das werden Themen.
Christian Preußer sagt: „Die Aufgabe bei Borussia Dortmund erfüllt mich total, das kann ich jetzt schon nach drei Wochen sagen.“ © Andersen
Auch wenn Sie eine gewisse Zahl von Fehlern einpreisen – wo liegt Ihre Toleranzgrenze?
Spieler dürfen denselben Fehler auch mehrfach machen, wenn sie mit Überzeugung spielen. Aber wenn sie laissez-faire an die Sache herangehen, dann ist es ein schmaler Grat. Wenn Intensität auf dem Platz ist und Fokus da ist, dann ist es gut. Dann dürfen sie auch mal Fehler machen.
Sie haben sieben Jahre in Erfurt und fünf Jahre in Freiburg gearbeitet und jüngst gesagt: Sie wollen für Nachhaltigkeit stehen. Für Ihre Vorgänger war der BVB ein Karriere-Sprungbrett. Inwieweit hat das in Ihren Überlegungen auch eine Rolle gespielt, als Sie sich für Dortmund entschieden haben?
Natürlich kenne ich die Historie der Trainer, die vor mir hier tätig waren. Aber ich persönlich beschäftige mich nicht damit, was in zwei oder drei Jahren ist. Ich habe bislang keine Karriereplanung betrieben. Natürlich bin ich trotzdem ehrgeizig. Und die Aufgabe bei Borussia Dortmund erfüllt mich total, das kann ich jetzt schon nach drei Wochen sagen. Es macht mir großen Spaß. Ich bin der Überzeugung, dass Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit im Ausbildungsprozess extrem wichtig sind. Deshalb ist es auch super, dass U19-Trainer Mike Tullberg langfristig verlängert hat. Er ist eine feste Komponente im Ausbildungsbetrieb des BVB. Das fördert nachhaltig die Entwicklung.
Die ersten Spiele in der neuen Saison werden Sie mit der U23 im Signal Iduna Park austragen. Wie gefällt Ihnen dieser Gedanke?
Das ist schon cool und ich glaube, die Jungs finden es auch ganz gut.
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