Sancho erfüllt sich seinen Manchester-Traum - BVB-Planungen nehmen Fahrt auf

© imago / Mika Volkmann

Sancho erfüllt sich seinen Manchester-Traum - BVB-Planungen nehmen Fahrt auf

rnBorussia Dortmund

Bei Borussia Dortmund ist Jadon Sancho zum Star gereift. Jetzt wechselt er mit einem Jahr Verspätung zu Manchester United und erfüllt sich einen Traum. Die BVB-Planungen nehmen Fahrt auf.

Dortmund

, 30.06.2021, 22:18 Uhr / Lesedauer: 4 min

Seine ersten Schritte auf Dortmunder Boden waren noch sehr zaghaft. An einem Sommertag im Jahr 2017 besichtigte Jadon Sancho das BVB-Trainingsgelände im Dortmunder Stadtteil Brackel. Sancho soll beeindruckt gewesen sein von dem großflächigen Areal mit den perfekten Möglichkeiten - staunend und noch schüchtern im Auftreten, wie das ja normal ist für einen Teenager, ließ er sich die Plätze und das Funktionsgebäude zeigen. Dieser Besuch sollte die letzte noch notwendige Entscheidungshilfe für den Engländer gewesen sein. Denn welche Entwicklungsmöglichkeiten ihm Borussia Dortmund sportlich bieten könnte, das war dem Jungen aus dem problembehafteten Londoner Stadtteil Kennington schon hinlänglich bekannt.

Jadon Sancho hat das Spiel des BVB geprägt

Perfekt wurde der Transfer zur Borussia erst am letzten Tag der Wechselperiode. Der 31. August 2017 sollte ein bedeutender Tag in der Historie von Borussia Dortmund werden, denn er legte den Grundstein für den zweithöchsten Transfererlös der Vereinsgeschichte. Sancho wird aber nicht nur in Erinnerung bleiben, weil er dem BVB eine Menge Geld einbringt - in seinen vier Jahren in Dortmund prägte er, anders als ein Ousmane Dembele, durchaus auch das Spiel der Borussia.

Das war freilich im Sommer 2017 in dieser Dimension noch nicht absehbar, auch wenn allein die Summe, die die Borussia an Sanchos Klub Manchester City zahlte, ein Indiz für das gewaltige Potenzial war, das in diesem jungen Kerl schlummerte. Knapp acht Millionen Euro überwies der BVB, wie sich schnell herausstellen sollte, war es sehr gut angelegtes Geld.

Sancho mit einer überragenden Tor- und Assistquote im BVB-Trikot

Sancho war ein Rohdiamant, er musste nur noch geschliffen werden. Seinen ersten Bundesliga-Einsatz hatte er im Oktober beim 2:2 gegen Eintracht Frankfurt, sein erstes Tor schoss er allerdings erst im April 2018 beim 4:0 gegen Bayer Leverkusen. Es war ein Jahr der Eingewöhnung, auf gänzlich fremdem Terrain, begleitet von mehreren Bänderverletzungen, die ihn aber in seiner rasanten Entwicklung nicht bremsten. Sanchos Fähigkeiten waren im Training sehr schnell zu erkennen, sie blitzten dann schnell auch im Wettbewerb auf.

Sancho erfüllt sich seinen Manchester-Traum - BVB-Planungen nehmen Fahrt auf

© Deltatre

Ab der Saison 2018/19 war Sancho Stammspieler, und er entwickelte sich in Windeseile zu einem prägenden Charakter auf dem Feld. Sein Tempo, seine enge Ballführung, seine Unberechenbarkeit und seine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor sorgte für Raunen auf den Rängen und Staunen bei den Experten. Schaut man ihm heute zu, kann man feststellen, dass dieser Prozess trotz einer fantastischen Tor- und Assistquote (50 Tore, 64 Assists im BVB-Trikot) noch gar nicht abgeschlossen ist. Kein Wunder, ist Jadon Sancho doch immer noch erst 21 Jahre jung.

Der BVB bleibt hart - und Sancho im Sommer 2020 in Dortmund

137 Pflichtspiele für die Borussia sind es dann doch noch geworden. Seit Mittwochabend steht nun endgültig fest, dass kein weiteres hinzukommen wird. Sancho wird nur noch nach Dortmund zurückkehren, um seine Sachen in der Wohnung am Phoenix-See zu packen. Mit einjähriger Verspätung sozusagen erfüllt sich für den Engländer der Traum von der Rückkehr nach Manchester, wenn auch zum Stadtrivalen United - und der Traum, in seiner Heimat in der besten Liga der Welt zu spielen. Ein Kindeswunsch, den ihm Pep Guardiola nicht erfüllen wollte. Citys bisweilen verkopfter Trainer trieb den jungen Jadon Sancho vor vier Jahren quasi in die Arme der Borussia. Eine ziemlich dicke Fehleinschätzung.

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Auch wenn Borussia Dortmund die Folgen der Corona-Pandemie auch am Transfervolumen für Jadon Sancho sehr schmerzhaft zu spüren bekommt, hat es doch Sinn gemacht, im vergangenen Jahr standhaft geblieben zu sein. 120 Millionen Euro Ablöse rief der BVB seinerzeit auf, dem Vernehmen nach soll Ed Woodward, der allmächtige Geschäftsführer von Manchester United, diese Summe lange Zeit nicht für allzu bare Münze genommen und lediglich für das übliche Ballyhoo gehalten haben. Als Dortmund hart blieb und im August verkündete, dass die Tür für einen Wechsel endgültig zu sei, war der Aufschrei auf der Insel riesengroß.

90 Millionen Euro für Jadon Sancho sind ein ordentliches Trostpflaster

Auch dank Sanchos deutlicher Leistungssteigerung im letzten Saisondrittel ist Borussia Dortmund noch in letzter Sekunde auf den Champions-League-Zug aufgesprungen. Die Qualifikation für die Königsklasse rechtfertigt im Nachhinein die klare Kante von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc aus dem vergangenen Jahr, auch wenn der BVB die Kröte schlucken muss, dass nach einem kompletten Jahr im Zeichen der Coronakrise die damalige Ablöseforderung bei Weitem nicht aufrechtzuerhalten war.

Sein Debüt für den BVB gab Jadon Sancho (l.) am 21. Oktober 2017 beim 2:2 in Frankfurt.

Sein Debüt für den BVB gab Jadon Sancho (l.) am 21. Oktober 2017 beim 2:2 in Frankfurt. © imago / Schüler

Auch 90 Millionen Euro aber sind ein sehr ordentliches Trostpflaster auf die Wunde, die Sanchos Abgang nun reißt. Mit dieser Summe lässt sich gut wirtschaften, auch wenn der Gesamtbetrag natürlich in mehreren Tranchen gezahlt werden wird und die volle Summe nur bei der Erfüllung bestimmter sportlicher Erfolgsfaktoren fließt.

BVB hat ein Jahr lang Zeit, sich auf den Sancho-Abgang vorzubereiten

Dass der BVB den sportlichen Qualitätsverlust auffangen muss, versteht sich von selbst. Sanchos Wechsel war vor einem Jahr nur verschoben worden, daher trifft er Borussia Dortmund nicht unvorbereitet. Der Ersatz steht dem Vernehmen nach schon vor der Tür und könnte aus Eindhoven kommen: In Noni Madueke (19) und Donyell Malen (22) gibt es gleich zwei mögliche Kandidaten, die ähnlich schnell und trickreich sind. Intern beschlossen ist aber auch, dass nur ein Teil der Sancho-Ablöse in einen Nachfolger fließen wird und ein gewisser Prozentsatz als Liquiditätsreserve und zur Abmilderung des immensen Bilanzverlustes genutzt wird.

Nachdem mit der Einigung mit Manchester United der erste (und wichtigste) Stein ins Rollen geraten ist, dürfte die Kaderplanung der Borussia nun deutlich Fahrt aufnehmen. Bei Marco Rose, dem neuen Coach, wird die Klarheit im Fall Jadon Sancho für Erleichterung sorgen. Denn Roses erste Sommervorbereitung in Dortmund wird sich aufgrund der hohen Zahl an EM-Fahrern und weiterer noch ungeklärter Personalien (Delaney, Dahoud) ohnehin nicht einfach gestalten.

Der BVB erlebt auch schwierige Phasen mit Jadon Sancho

Wie geht es für Jadon Sancho weiter? Das ist eine spannende Frage. In vier Jahren in Dortmund ist aus dem schüchternen jungen Engländer ein ziemlich selbstbewusster Profi geworden, der nun das bekommt, was er seit Langem wollte. Nicht immer war es leicht für den BVB mit Sancho, der öfter mal zu spät kam, Teamsitzungen schon mal verschlief und auch durch Friseurbesuche im Teamhotel vor Champions-League-Spielen und Party-Besuche in London Schlagzeilen schrieb. Meistens sorgte die Leistung auf dem Platz für ein ausreichend starkes Gegengewicht, doch Sancho muss klar sein, dass mit dieser gewaltigen Ablösesumme auch eine große Verpflichtung einhergeht: die zu noch mehr Professionalität. Nur dann wird aus dem Top-Talent vielleicht mal ein Spieler, der seine Generation prägen kann. Das Vermögen dazu hat er in sich.