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Pro und Contra: Kann der BVB Witsels Ausfall intern auffangen?
Meinung
Borussia Dortmund muss sehr lange auf Axel Witsel verzichten. Ist der BVB-Kader groß und stark genug, um den Ausfall des Sechsers aufzufangen? Dirk Krampe und Lukas Wittland diskutieren.
Borussia Dortmund muss für den Rest der Saison auf den an der Achillessehne verletzten Mittelfeldmotor Axel Witsel verzichten. Für einen unplanmäßigen Wintertransfer ist wegen der angespannten finanziellen Lage in Coronazeiten kaum Geld in der Kasse. Wir diskutieren, wie groß die Lücke ausfällt. Wir diskutieren: Kann der BVB Witsels Ausfall intern auffangen?
Witsel steht immer noch für große Ballkontrolle, er verliert auch in Bedrängnis selten die Übersicht. Daher war der Belgier bei allen Trainern gesetzt. In diesem Punkt wird Edin Terzic, egal, wer Witsel auf dem Feld ersetzen wird, unbestritten Abstriche machen – und womöglich Absicherungen einbauen – müssen, um für Ballverluste gewappnet zu sein.
Die Verletzung von Axel Witsel ist eine Chance für andere beim BVB
Doch Fakt ist auch, dass Witsels Präsenz im defensiven Mittelfeld längst nicht mehr so ausgeprägt zu erkennen ist wie in seinem ersten BVB-Jahr. Oft verschleppt er den Aufbau. Das Spiel schnell zu machen, die Kugel selbst energisch nach vorne zu treiben oder mit scharfen, vertikalen Bällen in die Spitze nach vorne zu bringen, das sah man von ihm immer seltener.
Mahmoud Dahoud, Jude Bellingham, vielleicht ja sogar Julian Brandt – sie alle sollten in der Lage sein, diese Rolle offensiver, wenn man will, auch etwas moderner zu interpretieren. Gerade Dahoud, der nach dem Trainerwechsel ins zweite Glied abgerutscht ist und zuletzt nicht mal mehr im Kader stand, kann Witsels Ausfall als neue (nächste) Chance begreifen. Das Spiel in Leipzig hat zudem gezeigt, dass auch ein defensives Mittelfeld mit zwei reinen Sechsern (Delaney, Can), deren Kernkompetenz die Aggressivität gegen den Ball ist, funktionieren kann.
Gegnerabhängig kann Terzic somit mit mehreren personellen und taktischen Alternativen jonglieren. Witsels Ausfall ist natürlich dennoch bitter, aber er trifft Borussia Dortmund an einer Stelle, wo der Kader genügend Alternativen bietet. Sein Ausfall ist daher auch eine Chance für andere.

Thomas Delaney (l.) und Emre Can könnten den Ausfalls von Axel Witsel beim BVB auffangen. © imago images/MIS
Von BVB-Spielern, die auch im defensiven Mittelfeld spielen können, weist nur Emre Can eine höhere Quote auf.
Axel Witsel fällt lange aus: Der BVB geht ein Wagnis ein
Witsel nimmt so Druck von der Dortmunder Abwehr und entlastet sie zudem noch auf andere Weise. Knapp 95 Prozent der Zuspiele des Belgiers kommen an – Liga-Bestwert. Außerdem verliert er in Bedrängnis nur selten den Ball. Auch wenn der Mittelfeldspieler in dieser Saison nicht mit Glanzleistungen bestach, so brachte er doch eine gewisse Konstanz mit, die Alternativen auf der Position in dieser Saison häufig fehlt.
Michael Zorc hat angekündigt, die Lücke mit dem eigenen Personal schließen zu wollen. Manche Alternativen zu Witsel sind aber gerade keine. Der seiner Form hinterherlaufende und zu fahrigen Pässen neigende Brandt ist als Ersatz nur schwer vorstellbar. Dahoud spielte unter Edin Terzic bislang überhaupt keine Rolle. Und so werden Witsels Ausfall Thomas Delaney, Emre Can und der 17-jährige Jude Bellingham auffangen müssen.
In Anbetracht der hohen Belastung in dieser Corona-Saison ist das ein Wagnis. Bei einem Weiterkommen in Pokal und Champions League kämen weitere Spiele hinzu. Einen bezahlbaren Ersatz für Witsel zu finden, wird schwierig, aber die Schwarzgelben sollten sich nicht nur im eigenen Team umschauen, vor allem weil die BVB-Profis aktuell zu einer gewissen Wankelmütigkeit neigen. Und dann wird es mit Alternativen schnell eng.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.

Als gebürtiger Dortmunder bin ich großer Fan der ehrlich-direkten Ruhrpott-Mentalität. Nach journalistischen Ausflügen nach München und Berlin seit 2021 Redakteur in der Dortmunder Stadtredaktion.
