Borussia Dortmund liegt zwei Spieltage vor Ende der Bundesliga-Spielzeit 2022/23 weiter einen Zähler hinter dem FC Bayern München, ist also von einem Ausrutscher des Konkurrenten abhängig. BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl findet, dass die Bayern trotzdem mehr unter Druck stehen. Wir fragen:
Steht der FC Bayern München mehr unter Druck?
Ja, der FC Bayern steht mehr unter Druck als der BVB (Thomas Schulzke)
Mit 6:0 hat der FC Bayern München am Samstag den FC Schalke 04 demontiert und Platz eins souverän verteidigt. Und was war im Anschluss das Hauptthema? Nein, nicht der starke Auftritt! Es war Thomas Müller, der von Beginn an gespielt hat. Trainer Thomas Tuchel hatte den Offensivspieler zuletzt häufiger auf der Bank sitzen lassen, zum Unmut vieler Fans und auch zum Unverständnis des Präsidenten Herbert Hainer. „Das 1:0 war wie ein Dosenöffner. Da sieht man, dass der Thomas unverzichtbar ist“, sagte Hainer nach dem 6:0-Erfolg. Das war eine klare Ansage an den Coach.
Ruhe kommt bei den Bayern einfach nicht auf, denn zu schwach war bisher das Auftreten der Serienmeisters seit der Verpflichtung von Thomas Tuchel. Aus in der Champions League. Aus im DFB-Pokal. Und in der Liga droht bei einem Fehltritt Platz zwei. Eine Spielzeit ohne Titel wäre in München eine Katastrophe.
Und wie viel Druck auf dem Kessel ist, verrät ein Blick auf die Tribüne. Sportvorstand Hasan Salihamidžić wirkt extrem angespannt, gerät dann bei jedem Treffer in Ekstase, als wäre der Champions-League-Sieg sicher. Von der bayerischen Gelassenheit ist der Klub weit entfernt.
Ganz anders das Bild beim BVB. Hier sitzt in Marco Reus der Kapitän seit Wochen auf der Bank. Aber alle bleiben ruhig. Die Zukunft von Jude Bellingham ist noch nicht geklärt, aber niemand gerät in Panik. Anders als in München kann in Dortmund der Trainer in Ruhe arbeiten. Niemand wird es Edin Terzic übel nehmen, wenn der Titel nicht geholt wird, zu groß war zwischenzeitlich der Rückstand. Der Druck liegt bei den Bayern und Trainer Thomas Tuchel. Verliert Tuchel alle drei Titel, muss er sich erklären und seine Verpflichtung wird hinterfragt. Terzic wird bei Platz zwei von den Fans gefeiert.
Nein, der größere Druck liegt beim BVB (Kevin Pinnow)
Ein wirklich netter Versuch von BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl, zwei Spieltage vor Schluss den Druck im Meister-Zweikampf von sich selbst auf den FC Bayern übertragen zu wollen.
Aus psychologischer Sicht mag der 43-Jährige ja sogar Recht haben: Der Rekordmeister kann mehr verlieren – faktisch die Tabellenführung und folglich dann auch die Deutsche Meisterschaft. Aber auch nur, weil Borussia Dortmund schlicht zu unfähig war, bei den drei Kellerkindern Schalke, Bochum oder Stuttgart auch nur einen Dreier zu holen und somit im Titel-Endspurt alles in den eigenen Händen zu haben.
Der Druck lastet ganz klar auf Borussia Dortmund. Denn klappt es am Ende wieder nicht mit der Meisterschaft, müssen sich beim BVB alle die Frage gefallen lassen: Was braucht es denn noch, damit die Schwarzgelben endlich mal wieder die Schale in die Höhe strecken?

Reichen Machtspiele innerhalb des Vereins, ein in der Kommunikation höchst fragwürdiger Trainerwechsel und eine mehr als unterdurchschnittlich performende FCB-Mannschaft nicht aus?
Nach zehn Bayern-Meisterschaften bietet sich dem BVB in diesem Jahr eine historische Chance. Das weiß auch Kehl. Das weiß aber vor allem Edin Terzic. „Es ist für uns eine einmalige Chance. Für mich vielleicht die einzige in meinem Leben“, sagte der BVB-Trainer nach dem 1:1 in Bochum, als Borussia Dortmund aufgrund fehlender Effektivität (und fragwürdiger Schiedsrichterentscheidungen) den Spitzenplatz wieder abgab und seitdem in der Jäger-Rolle ist.
Die Hoffnungen der gesamten Stadt Dortmund, der Region, vielleicht sogar ganz Deutschlands (mit Ausnahme des Südens) – sie lastet auf Borussia Dortmund. Einen größeren Druck kann es eigentlich kaum geben.
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