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Mythos Südtribüne: Der BVB setzt im Kampf um Talente auch auf die Gelbe Wand
Borussia Dortmund
Der BVB ist nicht nur bei Heimspielen auf die Hilfe der Südtribüne angewiesen. Die Gelbe Wand ist ein lautes und großes Zünglein an der Waage – bei Transfers.
Wenn Erling Haaland im Signal Iduna Park ein Tor schießt, und das tut der Norweger in diesen Tagen ziemlich häufig, findet in Dortmund jedes Mal ein kleines Schauspiel statt. Norbert Dickel, BVB-Stadionsprecher, genannt Nobby, ruft nicht einfach nur Haalands Vornamen, er singt ihn förmlich. Es ist nicht irgendein ein Erling Haaland, der kurz zuvor getroffen hat, es ist eher der Öööööööörliiiing, Pause, Haaaaland, Ausrufezeichen, der von Dickel und den Fans im Wechselgesang bejubelt wird.
Warum das so ist, weiß Dickel selbst nicht genau. Es kam so über ihn und hat sich schnell bewährt. Gleich bei Haalands erstem Heimspiel passierte es einfach. Der BVB-Neuzugang, der eine Woche zuvor als Einwechselspieler bei seinem ersten Einsatz für Borussia Dortmund mit einem Dreierpack für den 5:3-Sieg in Augsburg gesorgt hatte, traf in seinem ersten Heimspiel beim 5:1-Sieg gegen den 1. FC Köln doppelt – und aus Erling wurde eben Öööööööörliiiing.
Vulkanartige Gefühlsausbrüche auf der Südtribüne
Haaland hat in sehr kurzer Zeit für sehr viele vulkanartige Gefühlsausbrüche auf der Südtribüne gesorgt. Der 19-Jährige jubelt nach seinen Toren gerne mit ausgebreiteten Armen vor der Süd, saugt die Energie, die von der Gelben Wand ausgeht, von knapp 25.000 schreienden Menschen in Schwarz und Gelb, auf wie ein Schwamm – und es wirkt in diesen Momenten, als hätten sich da zwei gefunden, die sich gesucht haben.
Haaland und die Süd, es war wohl Liebe auf den ersten Blick. „Ich musste einfach diese fantastische Wand sehen“, sagte Haaland nach seinem ersten Heimspiel für den BVB. Es sei genau so toll gewesen, „wie vorher jeder gesagt hat“.
Sehnsuchtsort Südtribüne: Haaland verschickte angeblich schon om Vorfeld Videos
So wie es vorher jeder gesagt hat. Es ist kein Geheimnis, dass der BVB im Kampf um die besten Talente auch mit der Südtribüne wirbt – und entscheidend punktet. Angeblich hat Haaland schon Videos von der Gelben Wand an seine Freunde verschickt, bevor er überhaupt vor ihr gespielt hat.

Die Südtribüne. © Kirchner Media
Die größte Stehplatztribüne Europas wirkt ein bisschen wie ein 25.000 Fans starker Magnet. „Es ist jedes Mal besonders, vor dieser Tribüne zu spielen“, sagte BVB-Kapitän Marco Reus am Dienstagabend bei „Brinkhoff‘s Ballgeflüster“, „egal ob in der Bundesliga, im Pokal oder in der Champions League.“
Pulisics Besuch
Junge Spieler vor der Südtribüne: „Da macht es dann einfach klick“
Lars Ricken, Borussia Dortmunds Jugendkoordinator, erzählte eine Anekdote aus der Zeit, als der BVB gerade dabei war, Christian Pulisic für einen Wechsel nach Dortmund zu begeistern. „Als Christian damals zu Besuch war und wir ihn verpflichten wollten“, meinte Ricken, „habe ich ihn beim Warmmachen mit auf den Platz genommen.“ Pulisic habe ein paar Meter von den Profis entfernt gestanden, mit Blick auf die Südtribüne. „Da macht es dann einfach klick und die Jungs wollen für Borussia Dortmund spielen.“
Das ist vielleicht ein bisschen zu viel der Romantik im heutigen Fußballgeschäft, aber komplett von der Hand zu weisen ist es eben auch nicht. Bei allen Argumenten, die Borussia Dortmund sportlich und finanziell vortragen kann, wenn es darum geht, Spieler vom BVB zu überzeugen, bleibt die Südtribüne das As im Ärmel im Transferpoker, sorgt für noch ein bisschen mehr schwarzgelbe Strahlkraft. Siehe Haaland.
Südtribüne soll Identifikation mit dem Klub schaffe
Und die Südtribüne soll Identifikation mit dem Klub schaffen. „Wir versuchen mit den Jungs, die von außerhalb kommen, wie zum Beispiel Christian Pulisic, Jakob Bruun Larsen oder Gio Reyna“, sagte Ricken am Dienstagabend, „auch mal auf die Südtribüne zu gehen.“ Das sei deshalb wichtig, „weil du da nicht nur eine schwarzgelbe Masse siehst, sondern du siehst, was dieser Verein den Menschen bedeutet“.
Es klinge vielleicht etwas hochgegriffen, aber: „Die Liebe zum BVB ist dann ziemlich schnell da. Wo bekommst du sonst so viel Leidenschaft, Emotionalität und Hingabe wie bei uns im Stadion?“ Etwas sehr hochgegriffen, ja. Aber irgendwie auch schön, falls es ab und zu wirklich mal so passiert.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
