Mino Raiola: Das ist der Strippenzieher im Kampf um BVB-Wunschstürmer Erling Haaland

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Mino Raiola: Das ist der Strippenzieher im Kampf um BVB-Wunschstürmer Erling Haaland

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Borussia Dortmund will Stürmer Erling Haaland verpflichten. Der Poker wird immer heißer. Und mit am Tisch sitzt Mino Raiola. Eine Geschichte über den berüchtigtsten Spielerberater der Welt.

Dortmund

, 17.12.2019, 06:30 Uhr / Lesedauer: 6 min

Nun wird also verhandelt. Borussia Dortmund, das ist spätestens seit vergangenem Mittwoch kein Gerücht mehr, will Erling Braut Haaland von Red Bull Salzburg verpflichten. Der 19 Jahre alte Angreifer mit der irren Torquote steht auf dem Weihnachts-Wunschzettel der BVB-Bosse ganz oben. Haaland und seine Entourage haben sich mit Hans-Joachim Watzke, Michael Zorc und Sebastian Kehl zu Sondierungsgesprächen in Dortmund getroffen. Die Verantwortlichen der Schwarzgelben hoffen darauf, eines der begehrtesten Stürmertalente vom BVB überzeugen zu können. Dabei wird es nicht nur darum gehen, Haaland selbst einen Wechsel nach Dortmund schmackhaft zu machen. Es wird auch darum gehen, den Berater des Norwegers für sich gewinnen zu können: Carmine „Mino“ Raiola.

Es wird nicht einfach, wenn Raiola mit am Tisch sitzt

Ob es ein Vorteil ist, dass der BVB schon einmal Geschäfte mit Raiola gemacht hat, wird sich zeigen. Zumindest aber wissen die Dortmunder Bosse, was sie erwartet. Es wird nicht einfach, weil es so gut wie nie einfach ist, wenn Raiola mit am Tisch sitzt. Der 52-Jährige, der gebürtig aus der Kleinstadt Nocera Inferiore in der Provinz Salerno im Süden Italiens kommt, gilt als der vermutlich mächtigste und berüchtigtste Spielerberater im Fußballgeschäft.

Zu seinen Klienten zählen unter anderen Matthijs de Ligt, Zlatan Ibrahimovic und Paul Pogba. De Ligt hat Raiola im vergangenen Sommer nach langen und zähen Verhandlungen für kolportierte 85 Millionen Euro von Ajax Amsterdam zu Juventus Turin transferiert, mit Ibrahimovic erzielte er in dessen Karriere in der Summe rund 170 Millionen Euro an Ablösesummen, Pogba schleuste er mal für eine Ausbildungsentschädigung von einer Million Euro von Manchester United zu Juventus Turin, um ihn Jahre später für 105 Millionen Euro von der „Alten Dame“ zurück ins Old Trafford wechseln zu lassen. Raiola soll allein an diesem Deal 49 Millionen Euro verdient haben.

Raiolas Methoden gelten als fragwürdig

Raiolas Erfolg steht außer Frage, seine Methoden gelten mitunter als fragwürdig. Sir Alex Ferguson, Trainerlegende bei Manchester United, hat mal über Raiola geschrieben: „Es gibt ein oder zwei Berater, die ich einfach nicht mag. Und er ist einer davon.“ Schon ihr erstes Aufeinandertreffen sei „ein Desaster“ gewesen. „Wir waren wie Feuer und Wasser. Er schmeichelte sich bei Paul Pogba und seiner Familie ein, und der Spieler unterschrieb letztlich bei Juventus.“

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Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass Fergusons Worte Raiola, den der „Spiegel“ mal den „Berater mit dem Kanonenkugelbauch“ taufte, herzlich egal sind. Der Italiener kümmert sich nicht in besonderem Maße darum, was andere Leute über ihn sagen - und er hat offensichtlich auch kein Problem damit, selbst die verbale Abrissbirne zu schwingen. Den ehemaligen FIFA-Chef Sepp Blatter betitelte er mal als „debilen Diktator“, den Großteil der Bundesliga-Sportdirektoren als „Nichtskönner“, und Pep Guardiola gab er den Tipp, der richtige Ort für den damaligen Trainer des FC Barcelona sei „ein Irrenhaus, wo er mit Johan Cruyff Karten spielen kann“.

Mkhitaryan wechselt nicht ohne Störgeräusche zum BVB

Es ist, wie eingangs erwähnt, selten einfach, wenn Raiola mit am Tisch sitzt. Das weiß auch Borussia Dortmund. 2013 manövrierte Raiola den Mittelfeldspieler Henrikh Mkhitaryan nicht ohne Störgeräusche von Schachtar Donezk zum BVB, 2016 ermöglichte er den vorzeitigen Abschied des Armeniers aus Dortmund in Richtung Manchester United. Der BVB kassierte 42,5 Millionen Euro Ablöse, das war der erfreuliche Teil der Geschichte aus Dortmunder Sicht, aber eben nicht der einzige.

Denn zuvor hatte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke einen Mkhitaryan-Abgang, damals Topscorer bei Borussia Dortmund unter Trainer Thomas Tuchel, eigentlich kategorisch ausgeschlossen, weil in Mats Hummels (zum FC Bayern München) und Ilkay Gündogan (zu Manchester City) bereits der Verlust zweier Leistungsträger festgestanden hatte. Mitte Juni 2016 erklärte Watzke in der „Bild“: „Wir haben die Frage nach einer vorzeitigen Trennung trotzdem intensiv in allen Gremien diskutiert und sind zu dem Entschluss gekommen, dass Mkhitaryan auch in der nächsten Saison in Dortmund bleibt.“ Es habe nie eine Zusage gegeben, dass der Mittelfeldspieler den Verein vorzeitig verlassen dürfe.

Raiola: „Das ist ganz schlechtes Management“

Genau das aber beteuerte damals Raiola - und griff die Dortmunder Vereinsführung scharf an: „Micki hat seit Monaten das Versprechen der BVB-Verantwortlichen, dass er den Verein in diesem Sommer verlassen darf. Dortmund hat ein offizielles Angebot vorliegen, aber jetzt haben die BVB-Bosse Angst vor den eigenen Fans. Plötzlich sagen sie zu Micki, dass er nächste Saison ablösefrei gehen soll. Das ist ganz schlechtes Management.“ Anfang Juli dann besserte Manchester United sein Angebot schließlich deutlich nach, der BVB bekam viel Geld - und Raiola und sein Spieler bekamen, wie so oft, ihren Willen. Das Kapitel Mkhitaryan und der BVB fand ein jähes Ende. Das Verhältnis zwischen Watzke und Raiola galt danach zumindest als angespannt.

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Das war beileibe nicht immer so. In einem seiner wenigen Interviews erklärte Raiola 2014 gegenüber „11 Freunde“, dass seiner Meinung nach nirgendwo im Fußball so viele „Amateure“ wie in der Bundesliga am Werk seien. Raiola sagte aber auch: „Es gibt nur wenige positive Ausnahmen. Watzke in Dortmund und Rummenigge in München arbeiten hochprofessionell, sie haben Sachverstand und Integrität.“ Nun, ziemlich genau dreieinhalb Jahre nach Mkhitaryans Abschied aus Dortmund, verhandeln Raiola und Watzke erneut - und dieses Mal geht es eben um Erling Haaland, den Raiola seit diesem Sommer berät.

Watzke und Zorc nehmen das Risiko in Kauf

Das Gute an dem Umstand, dass Raiola Haalands Berater ist, lässt sich aus Dortmunder Sicht ziemlich schnell zusammenfassen: Wenn Raiola einen Wechsel Haalands zum BVB in diesem Winter für erstrebenswert hält, wird er ihn ziemlich sicher auch durchgesetzt bekommen. Das Schlechte ist die Frage, wohin das irgendwann nochmal führt, sollte der BVB Haaland tatsächlich verpflichten können. Der Norweger hat nie verhehlt, dass er irgendwann in die Premier League wechseln möchte.

Borussia Dortmunds Wunschstürmer Erling Haaland.

Borussia Dortmunds Wunschstürmer Erling Haaland. © imago/GEPA pictures

Und irgendwann kann sehr schnell kommen, wenn der Berater Raiola heißt. Es droht gewissermaßen Ärger beim BVB, bevor der Wunschspieler überhaupt da ist. Und niemand kann wirklich abschätzen, wann und in welcher Dimension der Ärger in Dortmund vorbeischaut. Nach einem Jahr schon? Oder erst nach drei Spielzeiten? Irgendwann mitten in der Saison? Gewaltig oder eher handzahm? Raiola jedenfalls wird immer ein Stück weit unkontrollierbar bleiben. Watzke und Zorc wissen das natürlich, aber sie nehmen das Risiko in Kauf.

Raiolas Karriere beginnt in der Pizzeria seiner Eltern

Doch Raiola ist nicht nur unberechenbar und unkontrollierbar, er scheint auch unaufhaltbar zu sein. Im vergangenen Mai entzog der italienische Verband ihm wegen vermeintlich unlauterer Methoden die Beraterlizenz. Der Weltverband folgte und sperrte den Italiener weltweit. Eigentlich für drei Monate. Raiola klagte dagegen und bekam Recht zugesprochen. Schon im Juni wurde die Sperre wieder aufgehoben. Es war nur eine von vielen skurrilen Geschichten, die Raiola geschrieben hat, seitdem er Anfang der 90er-Jahre damit begann, den Fußball zu erobern.

Angefangen hat das alles im „Palladium Restaurant“, der Pizzeria seiner Eltern im niederländischen Städtchen Haarlem, in das Raiolas Eltern auswanderten, als er ein Jahr alt war. Im Interview mit „11 Freunde“ hat Raiola auf die Frage, wie er Spielerberater geworden sei, gesagt: „Ich wuchs in einem Unternehmerhaushalt auf, das hat mich geprägt. Mein Vater ist 1968 von Italien nach Holland ausgewandert und hat dort sein erstes Restaurant aufgemacht. Am Ende besaß er 25. Meine Familie hat immer hart gearbeitet. Es war normal, dass ich half. Ich war der älteste Sohn, mein Niederländisch war besser als das meines Vaters, also wurde ich sein Berater, sein Einkäufer, sein Geschäftsführer. Verhandeln und organisieren, das war mein Ding. Alles was ich kann, habe ich im Restaurant gelernt. Mein Jurastudium war verschenkte Zeit. Anwälte kann ich mir schließlich kaufen.“

Raiola errichtet ein globales Imperium

Er sei jung und fußballbegeistert gewesen und habe ein gewisses Verhandlungsgeschick besessen. „Irgendwann begann ich, dem Präsidenten des HFC Haarlem Tipps zu geben, was er besser machen könne.“ Der Klub habe Geld gebraucht, erzählt Raiola. „Ich hatte Beziehungen, ich wusste, wen man fragen kann, ich kannte mich aus in der Stadt. Ich tat eigentlich nichts anderes als das, was ich schon im Restaurant getan hatte: Ich sah genau hin, und ich benutzte mein Hirn. Ich las die Verträge und Reglements und entdeckte eine Lücke im Transfersystem.“ Er habe den SSC Neapel kontaktiert und gesagt: „Hört mal, ich weiß, wie ihr den holländischen Markt kontrollieren könnt, ohne hohe Summen auszugeben.“ So habe es begonnen.

„Ich kreiere den Markt, weil ich die Fähigkeit dazu habe.“
Mino Raiola

Aus den kleinen Anfängen in den Niederlanden und später Italien ist ein globales Imperium geworden, das Raiola, der als Sprachtalent gilt und dem Vernehmen nach passabel Italienisch, Niederländisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch spricht, seit Jahren aus Monte Carlo führt. Das „Forbes Magazine“ schrieb vor einem guten Jahr, Raiola habe allein 2018 Kommissionen in Höhe von rund 63 Millionen Dollar kassiert.

Insofern klingt es nicht einmal besonders unglaubwürdig, wenn Raiola, den viele Beobachter als raffgierig beschreiben, sagt: „Um ehrlich zu sein, ist mir Geld schon lange ziemlich egal.“ Vielmehr geht es um Macht. Denn Raiola sagt auch: „Wenn ich einen großen Spieler bewege, dann bewegt sich der Markt mit. Jede Bewegung eines großen Spielers ruft eine internationale Reaktion hervor. Wenn ich ihn an einer Stelle bewege, bewegen sich zehn andere Positionen mit. Ein solcher Big Deal ruft eine Kettenreaktion hervor. Ich kreiere den Markt, weil ich die Fähigkeit dazu habe.“

Generell finde ein Spieler immer ihn, nicht er einen Spieler. „Ich habe noch nie einen Spieler gefragt, ob er mit mir zusammenarbeiten will - und würde es auch nie tun. Es ist der Spieler, der mich fragen muss, ob ich sein Agent sein will. Und dann muss es Klick machen. Die Chemie muss stimmen, sonst macht es keinen Sinn.“ Zwischen ihm und seinen Spielern herrsche „absolutes Vertrauen“, sagt Raiola, „deswegen mache ich auch nie einen Vertrag, alles läuft mündlich.“ Und dann gehe es darum, den Spieler bestmöglich zu betreuen und zu beraten. Ein guter Berater sei dabei viel mehr als ein Vermittler in Vertragsverhandlungen. „Er sorgt dafür, dass sich seine Spieler wohl und beschützt fühlen. Ich löse die Probleme meiner Klienten, wie es ein Vater täte. Ich bin ihre Familie. Ich bin derjenige, der ihnen zeigt, wohin ihr Weg gehen kann.“

Der Haaland-Poker geht in die entscheidende Phase

Auf gesteigertes Understatement und zu wenig Selbstbewusstsein wird sich Borussia Dortmund bei den weiteren Verhandlungen im Fall Erling Haaland nicht einstellen müssen. Mino Raiola sitzt mit am Tisch. Es wird nicht einfach. Aber das wussten sie bei Borussia Dortmund ja von Anfang an.

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