Wie groß die Anziehungskraft des BVB ist, bekommen Jana Ferdinand, Laura Brand und Nils Gosmann regelmäßig zu spüren. Es ist nicht so, dass sie nicht längst über die Faszination der Borussia Bescheid wüssten. Und dennoch ist deren Ausmaß auch für die drei Mitarbeiter des Fanprojekts Dortmund immer wieder aufs Neue überraschend. Gosmann, Brand und Ferdinand betreuen die U18-Fahrten. Sie begleiten Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren zu den Auswärtsspielen des BVB.
Zwei Jahre keine U18-Fahrten zu BVB-Spielen
Kürzlich meldeten Eltern aus Kassel ihre drei Kinder für eine solche Tour an und brachten ihren Nachwuchs extra die 160 Kilometer aus Hessen nach Dortmund, um ihm diese Fahrt zu ermöglichen. „Viele haben sonst gar keine Möglichkeit, überhaupt mal an Karten zu kommen. Deshalb nehmen sie ganz viele Strapazen auf sich, um dabei zu sein“, berichtet Nils Gosmann.
Rund zwei Jahre konnte das Fanprojekt Dortmund wegen der Corona-Pandemie keine U18-Fahrten mehr anbieten. Seit dieser Saison jedoch ist das wieder regelmäßig der Fall – und die Resonanz ist groß. „Wir profitieren natürlich davon, dass der BVB so eine riesige Rolle in der Stadt spielt“, sagt Laura Brand. Sie ist ebenso wie Nils Gosmann Sozialarbeiterin. Gemeinsam mit Jana Ferdinand führen sie die Jugendlichen in einem pädagogisch betreuten Rahmen an die Fankultur und die Atmosphäre im Stadion heran. Dabei gelten klare Regeln: Alkohol und Nikotin sind tabu. In der Regel geht es mit bis zu 50 Jugendlichen zu Auswärtsspielen in der näheren Umgebung, die innerhalb einer Tagestour erreicht werden können.

Gemeinsam machen sich die jungen BVB-Fans mit ihren Betreuern per Bus auf den Weg. Zum Taschengeldpreis, denn die Stehplatz-Tickets im Gäste-Block sind subventioniert, damit die Jugendlichen sich den Eintritt leisten können. Für die allermeisten von ihnen geht es bei den U18-Fahrten aber nicht bloß darum, günstig an Karten für ein Auswärtsspiel zu kommen. Ganz bewusst bietet das Fanprojekt Dortmund den Heranwachsenden auch andere Gelegenheiten des Miteinanders, etwa bei gemeinsamen Fußball-Turnieren, bei FIFA-Abenden an der Konsole oder beim Dartspielen. Die schwarzgelb dekorierten Räume des Fanprojekts in der Dudenstraße dienen dabei als Begegnungsstätte. Immer geht es darum, gemeinsam etwas zu entwickeln.
Vertrauensverhältnis das A und O
„Wir sehen uns nicht als typische Sozialarbeiter. Wir versuchen, den Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen“, erklärt Nils Gosmann. „Manchmal passiert es, dass die Jugendlichen uns siezen – das ist dann aber schnell vorbei“, sagt Jana Ferdinand. Ganz wichtig sei es, ein Vertrauensverhältnis zueinander aufzubauen. „Uns ist wichtig, den Menschen hinter dem Fan kennenzulernen“, betont Laura Brand.
Alle drei fungieren auch im Stadion als Ansprechpartner, falls es mal Ärger mit anderen Fans oder Probleme mit Ordnern oder der Polizei gibt. Viele Jugendliche nehmen nicht nur einmal an den U18-Fahrten teil, sondern sie regelmäßig mit dabei – auch bei anderen Aktionen des Fanprojekts. „Dabei kann man sehen, wie sie sich als Persönlichkeit weiterentwickeln. Manche kommen verschüchtert oder mit Mobbing-Erfahrungen zu uns. Es ist natürlich schön zu sehen, wenn die Jugendlichen Anerkennung in der Gruppe erfahren und mehr Selbstvertrauen aufbauen“, sagt Jana Ferdinand. „Und es ist natürlich das Schönste, wenn durch unsere gemeinsamen Fahrten neue Bekanntschaften und sogar Freundschaften entstehen“, unterstreicht Nils Gosmann.
Besuch der Gedenkstätte Dachau
Die gegenseitige Akzeptanz sei groß. Fehlverhalten und Regelverstöße seien die absolute Ausnahme. Borussia verbindet eben. Auch bei Heimspielen ist das Fanprojekt Dortmund vertreten. Der BVB stellt 20 Jugendkarten zur Verfügung. Neben Block zwölf unterhalb der Südtribüne gibt es zudem eine Anlaufstelle des Fanprojekts – nicht nur für junge Anhänger.
Die nächste U18-Fahrt wird die BVB-Fans Ende Januar nach Leverkusen führen. Weitere Reisen sind nach Bremen, Hoffenheim und Bochum geplant. Darüber hinaus soll es auch zum Spitzenspiel nach München gehen. Dann besuchen die Jugendlichen aber nicht nur die Partie in der Allianz Arena gegen die Bayern. Kombiniert wird die Fahrt mit einer Übernachtung in der Jugendherberge und einem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau. Wichtige Bildungsarbeit für das Fanprojekt Dortmund, das sich seit Jahren auch gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert
Fanprojekt freut sich auf mehr Mädchen
Die Heranwachsenden sollen über den Fußball auch für diese Themen sensibilisiert werden. Auch hier hilft das Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern des Fanprojekts. In der Vergangenheit hat das gut funktioniert. „Zu vielen unserer ehemaligen Jugendlichen haben wir auch heute noch Kontakt“, erzählt Nils Gosmann. Die sind in der Mehrzahl männlich. Und das darf sich künftig gerne ändern. „Wir möchten auch Mädchen ermutigen, sich bei uns zu melden. Wir würden uns freuen, wenn wir ein paar mehr Mädels bei uns begrüßen könnten“, sagt Laura Brand. Die Strahlkraft des BVB ist schließlich nicht nur für Jungs anziehend.
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