Beier schießt den BVB ins Viertelfinale gegen Barcelona Bemerkenswertes Dortmund-Lebenszeichen

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22 Arme in schwarzgelben Trikots gingen um 20.37 Uhr mit einem kollektiven Schrei der Erleichterung in die Höhe. Marcel Sabitzer drosch den Ball in den französischen Nachthimmel, einigen seiner Mitspieler fehlte selbst zum Jubeln die Kraft: Der nach dem erschütternden 0:1 gegen den FC Augsburg totgesagte BVB sendete im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League beim OSC Lille ein bemerkenswertes Lebenszeichen. Mit 2:1 setzte sich Borussia Dortmund hochverdient durch, der Sieg ist Balsam auf die geschundenen Seelen der Spieler und Fans – und er bringt im Viertelfinale das Wiedersehen mit dem FC Barcelona. Endlich durfte sich die Mannschaft mal wieder in der Fankurve feiern lassen.

BVB-Fehlerkette vor dem frühen 0:1

Die große Frage vor dem Spiel: Welche Wirkung kann die Knallhart-Ansprache von Trainer Niko Kovac bei einer tief verunsicherten Mannschaft erzielen? Keine fünf Minuten nach dem Anpfiff gab es ein erstes Indiz. Bei Karim Adeyemi nahm die Fehlerkette ihren Anfang, die am Ende zum frühen 0:1 führte. Adeyemis schlampiger Rückpassversuch, zu wenig energische Störungsversuche von Sabitzer und Waldemar Anton, nach der Flanke von Ismaily ein unaufmerksamer Nico Schlotterbeck, der den Schuss von Jonathan David nicht verhindern konnte. Und ganz am Ende der Beinschuss für den wie paralysiert wirkenden Gregor Kobel – so ein Gegentor bekommt man nur, wenn ohnehin alles gegen dich läuft.

Denkbar schlecht also der Start in die Partie für den auf vier Positionen veränderten BVB, der sich danach allerdings aufrappelte – und sich Mega-Chancen im Minutentakt erspielte. Pascal Groß eroberte selbst den Ball, der ihm nach der Weiterleitung von Serhou Guirassy dann die Möglichkeit zur schnellen Antwort gab. Lilles Torhüter Lucas Chevalier verhinderte den Einschlag mit einem Reflex (17.), er war auch zur Stelle, als ihn Julian Ryerson aus der Distanz prüfte (19.). Und dann die Dreifach-Gelegenheit nach der anschließenden Ecke, als Julian Brandts Kopfball auf der Linie geblockt wurde, Guirassys Nachschuss in der vielbeinigen Abwehr hängen blieb und erneut Brandt aus elf Metern den Ball nicht über die Linie brachte (20.).

Groß verpasst den BVB-Ausgleich

Dortmund war nach einem überaus nervösen Beginn mit wilden langen Schlägen ohne Sinn voll im Spiel. Vor allem gelang es, gegen das aggressive Pressing der Franzosen die notwendige Intensität in die Partie zu bringen. Vor allem über Ryerson, von Kovac links für Ramy Bensebaini aufgeboten, ging eine Menge. Es dauerte bis zur 34. Minute, bis die Gastgeber zu ihrer nächsten Gelegenheit kamen. Die hatte es allerdings in sich: Haraldssons Flanke landete beim völlig freistehenden Remy Cabella, um Zentimeter strich der Kopfball am langen Pfosten vorbei. Ein 2:0 wäre allerdings unverdient gewesen, die Ausgleichs-Chance kam noch vor dem Pausenpfiff. Flanke Anton, Kopfball Groß auf die Latte – die letzte Präzision fehlte noch (45.+1).

Doch Dortmund war auch nach der Pause sofort voll da, schob die letzte Reihe noch etwas höher und war gegen den Ball mit der Giftigkeit unterwegs, die Kovac im zweiten Durchgang des Hinspiels so sehr vermisst hatte. Und sieben Minuten nach Wiederanpfiff lag der Ball im Tor der Franzosen. Guirassy gewann nach einer starken Weiterleitung von Maximilian Beier das Laufduell gegen den Ex-Dortmunder Thomas Meunier und nahm dessen leichten Schubser dankbar an – Elfmeter. Diesmal eine Sache für den Kapitän. Emre Can blieb fehlerlos vom Punkt – 1:1 (52.).

Beier lässt den BVB jubeln

Lille hatte zu kämpfen mit dem Ausgleich, kam nun gar nicht mehr in die Pressing-Situationen. Haraldsson versuchte es daher aus der Distanz, Kobel war auf dem Posten (61.). Doch das war nur ein Strohfeuer, denn der BVB drängte mit zuletzt selten gesehener Entschlossenheit auf die Führung. Adeyemi (62.) und Beier (64.) scheiterten, eine Minute später aber drehte Beier jubelnd ab. Technisch höchst anspruchsvoll hatte er die Kugel im Strafraum unter Kontrolle gebracht und unter die Latte gedroschen. 16:7 Torschüsse unterstrichen die Dominanz der Gäste, die sich mit Leidenschaft, mehr Tempo und Zielstrebigkeit zu einer ihrer besten Leistungen der vergangenen Monate aufrafften.

Mit größer werdender Verzweiflung rannte Lille nach dem Rückstand an, erst in der Schlussphase aber brannte es im Dortmunder Strafraum. Flanke Haraldsson, Direktabnahme David – der Ball landete in den Armen von Kobel (80.). Auch der Kopfball von Akpoms aus fünf Metern war kein Problem für den Keeper (84.). Lilles Druck nahm nun noch zu, der BVB aber hielt ihm auch in der Nachspielzeit Stand. Kovacs Standpauke hatte Wirkung gezeigt.