
© Foto: BVB, Montage: Schmelzer
Marcel Schmelzer - Trotz sportlich schwieriger Situation weiter wertvoll für den BVB
BVB-Spielercheck
Neue Saison, neuer Angriff! Der BVB will Meister werden - mit Marcel Schmelzer. Wir beleuchten Form und Perspektive jedes Spielers. Der nächste Teil: Schmelzers besondere Rolle im BVB-Kader.
Ganz Fußball-Deutschland fiebert der Bundesliga-Spielzeit 2019/2020 entgegen. Zum Auftakt in die Saison, an deren Ende Borussia Dortmund Deutscher Meister sein will, nehmen wir jeden Spieler im BVB-Kader unter die Lupe.
Was zeichnet Marcel Schmelzer aus?
14 Jahre Borussia Dortmund, niemand aus dem aktuellen Kader ist so lange beim BVB wie Marcel Schmelzer. U19, U23, seit 2008 bei den Profis. Schmelzer hat eigentlich alles mitgenommen, manchmal auch mitnehmen müssen in Schwarz und Gelb.

Meisterschaften, Pokalsiege, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, die Kapitänsbinde, Jubel, Pfiffe, den Anschlag auf den Mannschaftsbus. Er galt mal als Held, mal als Sündenbock, er war lange Stammspieler und zuletzt nur noch Ersatz – Schmelzers Sammelband voller BVB-Erinnerungen ist jetzt schon dicker als Ailton. Und der Vertrag des Linksverteidigers, 31 Jahre alt, läuft ja noch bis 2021.
Mit den Jahren hat sich Schmelzers Wert für den BVB verändert. Der sportliche Wert ist in der jüngsten Vergangenheit kleiner geworden. In der zurückliegenden Saison war er zu Beginn Stammspieler, dann bremste ihn ein Knochenödem aus, in der Rückrunde kam er in der Liga nur noch auf 28 Minuten Spielzeit. Trotzdem trat Schmelzer auch in der Rückrunde noch in Erscheinung. Als Antreiber an der Seitenlinie, als Ansprechpartner in der Kabine – und nach einigen Pfiffen gegen ihn in der Rückrunde schlussendlich als gefeierter Mann vor dem Gästeblock nach dem letzten Saisonspiel bei Borussia Mönchengladbach.
Ein Abgang in diesem Sommer stand trotz der verschlechterten sportlichen Perspektive nie wirklich zur Debatte. „Es müsste schon einiges zusammenkommen, damit ich den Verein verlasse“, hat Schmelzer kürzlich im Interview mit „schwatzgelb.de“ gesagt. „Ich habe dem Verein viel zu verdanken, habe ihm aber auch viel gegeben. Deswegen ist es, denke ich, eine tolle Geschichte, die da passiert ist – für beide Seiten.“
Schmelzer ist Teamplayer durch und durch. Und er sagt Sätze, die im Eitelkeiten-Kabinett Profifußball heutzutage nicht mehr selbstverständlich sind. Zum Beispiel diese hier: „Wir sind im Mannschaftssport und müssen alle aufeinander achten. Das hört sich einfach an, aber wenn wir das nicht leben wollen, hätten wir uns eine andere Sportart aussuchen müssen. Im Mannschaftssport wird man keinen Erfolg haben, wenn man seinen Teamkameraden nicht das Beste wünscht. Es ist mein Naturell, niemandem etwas Schlechtes zu wünschen.“
Deshalb versucht er insbesondere den jungen Spielern zu helfen, sie besser zu machen. Wenn er es nicht auf dem Platz tun darf, dann wenigstens daneben. Ihn müsse nicht jeder Spieler mögen, sagt Schmelzer, dafür suche er den Kontakt auch nicht. „Ich mache das, weil ich weiß, dass es mir damals sehr geholfen hat, wenn ältere Spieler auf mich zugekommen sind und mir Tipps und Hilfestellungen gegeben haben. Und wenn es nur Kleinigkeiten sind wie Manieren, gerade auch außerhalb des Platzes: Wie benimmt man sich dem Staff gegenüber? Oder dem Trainerteam? Das sind wichtige Sachen. Wenn die Jungs in den Profibereich kommen, verdienen sie so viel mehr Geld als Gleichaltrige. Speziell dann ist es wichtig, dass man Wert darauf legt, wie man mit anderen Menschen umgeht: nämlich respektvoll und höflich.“
Schmelzers Wort hat in der Kabine immer noch Gewicht, er ist der dienstälteste Spieler beim BVB – und auch, wenn er sportlich keine Hauptrolle mehr spielt, so hat Trainer Lucien Favre ihn nach wie vor gerne dabei. Weil er die richtigen Werte vermittelt. Und weil Favre sich auf ihn verlassen kann.
Wie lief die Vorbereitung?
Es ging schleppend los. Das erste Testspiel gegen den Kreisligisten FC Schweinberg (10:0) und die USA-Reise des BVB verpasste Schmelzer wegen muskulärer Probleme, auch das Testspiel zum Start des Trainingslagers gegen Udinese Calcio (4:1) kam noch zu früh.

Marcel Schmelzer absolvierte noch keine Pflichtspielminute in dieser Saison. © imago
Danach stieg Schmelzer voll ins Training ein, beim 6:0-Sieg im Test gegen den FC Zürich spielte er 90 Minuten, in den ersten drei Pflichtspielen der Saison blieb er ohne Einsatz. Neuzugang Nico Schulz erhielt jedes Mal den Vorzug hinten links.
Wie ist die sportliche Perspektive für die neue Saison?
Es wird nicht einfach für Schmelzer, das weiß er selbst. Aber er nimmt es sportlich. „Ich möchte für den Trainer eine Alternative darstellen“, sagt er, „weil ich fit bin und gute Leistungen im Training bringe. Das habe ich vergangene Saison getan, nicht nur meiner Meinung nach. Ich würde mir wünschen, dass dieses Engagement berücksichtigt und mit dem einen oder anderen Einsatz belohnt wird.“ 359 Pflichtspiele für Borussia Dortmund hat er in seiner Vita stehen.
Wie viele noch dazu kommen, wird auch davon abhängen, wie verletzungsfrei Schulz, der neue starke Mann auf der Linksverteidigerposition beim BVB, durch die Saison kommt. Auch Achraf Hakimi kann hinten links verteidigen, die Konkurrenz ist groß. Schmelzer wird abwarten müssen, ob sportlich noch einmal eine Tür für ihn aufgeht beim BVB. Dass er alles rein wirft, wenn er gebraucht wird, hat er 14 Jahre lang in Dortmund unter Beweis gestellt. Dass er mit Borussia Dortmund Titel gewinnen kann, auch.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
