Wenige Minuten vor dem vereinbarten Telefonat schickt Lennard Maloney eine Nachricht via WhatsApp und bittet um einen kurzen zeitlichen Aufschub. Er muss noch seinen Wagen aus der Werkstatt abholen. Ölwechsel. Wie geschmiert läuft es in dieser Saison auch für den 24-Jährigen und den 1. FC Heidenheim. Der selbstbewusste Aufsteiger empfängt heute Abend (20.30 Uhr, live auf DAZN) den BVB, für den Maloney von 2020 bis 2022 gespielt hat. Vor dem Wiedersehen mit seinem Ex-Klub spricht er im Interview mit Cedric Gebhardt über seine Pferdelunge, seine reifere Spielweise, sein Debüt im US-Nationalteam und warum er gerne ein Quälgeist ist.
In Heidenheim haben Sie in dieser Saison ja offenbar das richtige Erfolgsrezept zur Hand. Doch bevor wir übers Sportliche sprechen: Wie steht es um Ihr Kochbuch, in dem Sie Ihre kulinarischen Rezepte sammeln und das Sie schon zu BVB-Zeiten schreiben wollten?
Das Kochbuch, womit ich damals begonnen habe, habe ich nicht mehr weitergeführt. Meine Freundin Hannah und ich überlegen aber gerade ein neues zu schreiben, da durch sie viele neue Kreationen dazugekommen sind. Sagen wir es mal so: It’s still in the progress.
Ernährung hat für Sie schon zu Ihrer Zeit in Dortmund eine große Rolle spielt. Hat sich deren Stellenwert mit dem Aufstieg in die Bundesliga noch mal geändert?
Nein, das würde ich nicht sagen, weil ich mich mit diesem Thema schon damals sehr genau auseinandergesetzt habe. Das hat mich dahin geführt, wo ich jetzt bin. Ich versuche, mich während der Saison hauptsächlich vegan und vegetarisch zu ernähren, weil ich das Gefühl habe, dass ich dann morgens energiegeladener aus dem Bett steige. Wenn die Saison vorbei ist, beiße ich aber auch gerne mal in einen Burger.
Dann mal zum Sportlichen: Es läuft in dieser Saison bislang richtig gut und Sie sind mit Ihrer Mannschaft seit sechs Spielen ungeschlagen – was macht Heidenheim so stark?
Die mannschaftliche Geschlossenheit ist sicherlich eine unserer größten Stärken. Ohne sie würden wir nicht dastehen, wo wir gerade sind. Es ist wirklich ein „Einer für alle, alle für einen“ – das umschreibt es ganz gut.

Welche Rolle spielt dabei Ihr Trainer Frank Schmidt?
Der Name Frank Schmidt steht für sich selbst. Wenn man schaut, was er allein schon vor der Bundesliga-Zeit aus diesem Verein gemacht hat, dann verdient das allergrößten Respekt. Er ist ein wahnsinnig ehrgeiziger Trainer, der sich nie zufrieden gibt und versucht, sowohl der Mannschaft als auch sich selbst immer neue Maßstäbe zu setzen. Er ist mit seiner ganzen Art und Weise eine nicht wegzudenkender Faktor in Heidenheim. In seiner Ansprache an die Mannschaft weiß er, wie er die Sätze so formulieren muss, damit es jeden packt und sich jeder von ihm mitgenommen fühlt. Das schafft er Woche für Woche aufs Neue.
Es gibt zwei Attribute, über die Sie sich und Ihr Spiel schon in Ihrer Zeit beim BVB definiert haben: Laufstärke und Lautstärke. Der 1. FC Heidenheim ist das laufstärkste Team der Bundesliga und Sie sind dessen laufstärkster Spieler. Nach der Hinrunde hatte bundesligaweit nur Leverkusens Granit Xhaka mehr Kilometer abgespult. Wieso ist diese Komponente so essenziell für Ihr Spiel?
Meine Laufstärke ist einfach etwas, worüber ich mich schon immer definiere. Sie tut meiner Mannschaft gut. Ich versuche, vorwegzugehen, wenn ein anderer nicht mehr kann. Und wenn er sieht: Der Lenny rennt noch, dann rennt er auch noch. Unser Spiel ist von hoher Laufintensität geprägt. Deswegen ist es gut, dass ich nach Heidenheim gegangen bin, denn dort kann ich das super ausleben.

Ihr Vater war bei der amerikanischen Air Force: Hat er Ihnen beigebracht, durchzuhalten, auch wenn es richtig weh tut?
Nein, das hat damit nichts zu tun. Klar haben sowohl Mama als auch Papa ihren absoluten Anteil daran, dass ich meinen Weg so gegangen bin. Aber in allererster Linie muss man sich das selbst erarbeiten.
In puncto Lautstärke waren Sie schon in Dortmund der Leader. Sie haben damals den Satz gesagt: „Ich habe keine Angst, die anderen zu nerven, ich meine es ja nur gut.“ Wie fallen denn in Heidenheim die Rückmeldungen der Teamkollegen aus? Gelten Sie intern als Quälgeist?
Wenn wir ein Trainingsspiel haben, hat die andere Mannschaft irgendwann genug und fragt sich: Wann ist das Spiel endlich vorbei, damit er endlich ruhig ist? Aber am Ende des Tages wissen die Jungs, dass das etwas ist, was uns hilft und weiterbringt. Weil uns die Lautstärke pusht und die Spieler der anderen Teams denken: Was steht mir denn da für ein komischer Typ gegenüber?
Das heißt, die Dortmunder können sich darauf auch einstellen?
Definitiv, das wird jetzt nicht aufhören, nur weil der BVB auf der anderen Seite steht.

In Ihrer letzten Saison bei der BVB-U23 haben Sie sieben Gelbe und zwei Rote Karten kassiert. In dieser Saison bislang keine einzige. Und das als Defensivspieler. Inwieweit ist das Ausdruck eines reiferen Spielstils?
Ich war auch in den vergangenen Jahren nicht sonderlich darauf aus, Gelbe Karten oder Platzverweise zu kassieren. Aber ich glaube, dass ich nicht mehr so ungestüm, sondern insgesamt bewusster in Zweikämpfe gehe und deshalb die eine oder andere Karte stecken bleibt.
Beim BVB steht der Einsatz von Jadon Sancho auf der Kippe. Was wünschen Sie sich mehr: Dass Sancho ausfällt, weil das für Ihr Team von Vorteil sein könnte oder dass er dabei ist, weil Sie Lust haben, gegen ihn zu spielen?
Mir persönlich ist es wirklich egal, wer beim Gegner spielt. Es sollen ruhig die beste Elf auf dem Platz stehen, ich bin trotzdem von unseren Stärken überzeugt und glaube, dass wir – egal, wer bei den Dortmundern aufläuft – ihnen ordentlich auf die Nerven gehen können. Ich schaue kurz vor dem Anpfiff, wer beim BVB spielt und dann denke ich mir: Alles klar, lass uns loslegen.

Der Wunsch nach sportlicher Weiterentwicklung hat Sie damals von Union Berlin nach Dortmund geführt. Wie wichtig war für Sie persönlich Dortmunds U23 als Zwischenschritt auf dem Weg in die Bundesliga?
Manche schaffen den Sprung von der U19 zu den Profis direkt. Mir ist das damals bei Union Berlin nicht gelungen, so ehrlich muss ich sein. Dass sich beim BVB die Chance bei der U23 geboten hat, war optimal, weil ich dort bereits mit Jungprofis zusammengespielt habe und auch mit Jungs, die in genau der gleichen Situation wie ich waren. Ich habe von diesen zwei Jahren in Dortmund und diesem Zwischenschritt enorm profitiert.
Sie haben Mitte Oktober sogar für die US-Nationalmannschaft debütiert. Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Das ist natürlich etwas, das ich mir als kleiner Junge erträumt habe und dass nun Wirklichkeit geworden ist. Auch wenn ich jetzt darüber nachdenke, ist das noch immer etwas, das nicht vollständig greifbar für mich ist, dass ich mich Nationalspieler nennen darf. Ich habe mich enorm gefreut und es sind auch ein paar Tränen geflossen.

Wie nehmen Sie den derzeitigen Stellenwert des Fußballs in den USA wahr?
Der Fußball ist dabei zu wachsen und hat einen wesentlich höheren Stellenwert als noch vor zehn Jahren. Aber es kommt durchaus vor, dass wir uns in voller Montur auf den Weg zum Training machen und im Teamhotel fragen uns die Leute: Für wen spielt ihr eigentlich? Es gibt eben noch immer enorme Unterschiede zum American Football, Baseball oder Basketball. Sie sind der Nationalsport, daran wird der Fußball in den USA auch künftig nicht heranreichen. Aber ich bin gespannt, welche Auswirkung die Weltmeisterschaft haben wird.
Sie sprechen die WM 2026 in den USA an. Sie ist zwar noch eine Weile hin, aber spukt die WM als Fernziel in Ihrem Hinterkopf herum?
Ich glaube, wenn das nicht das Ziel eines jeden Fußballers wäre, der die Chance hat, dann würde man etwas verkehrt machen. Klar denke ich hin und wieder darüber nach, aber es sind auch noch zwei Jahre. Bis dahin kann viel passieren. Deswegen schaue ich erst einmal darauf, wo wir jetzt sind und wie wir das Beste rausholen.

Ihr US-Teamkollege Giovanni Reyna wechselt zu Nottingham Forest. Bedauern Sie es, dass das direkte Duell ausfällt?
Ja, klar ist das schade. Aber ich denke, für Gio ist es ein guter Schritt, zu Nottingham und in die Premier League zu gehen, weil er beim BVB zuletzt nicht die Spielzeit bekommen hat, die er sich gewünscht hat.
Über das Fernziel WM haben wir schon gesprochen. Das Nahziel lautet Heimsieg gegen den BVB. Was erwartet Sie und was erwartet Dortmund in Heidenheim?
Uns erwartet ein großer Name und eine Mannschaft mit wahnsinnig guten Spielern mit viel individueller Klasse. Aber genauso gut darf sich der BVB auf einen Hexenkessel und elf Verrückte in Rot und Blau gefasst machen.