Lange hat sich Borussia Dortmund an die Hoffnung geklammert, den Weg aus der Krise gemeinsam mit Nuri Sahin gehen zu können. Gefühlt lange hat sich, nachdem der 36-Jährige dann doch nicht mehr zu halten war, der Entscheidungsprozess hin zu Niko Kovac gezogen. Letztlich waren es aber auch „nur“ acht Tage mit mehreren Sondierungsrunden. Es gab viele Themen zu besprechen zwischen der sportlichen BVB-Leitung und dem erfahrenen Trainer, dem aufgefallen sind wird, in welch bedenklichem Zustand sich sein neuer Klub befindet.
Niko Kovac wird neuer BVB-Trainer
Angesichts der begrenzten Verfügbarkeiten mitten in der Saison ist Kovac fast schon eine alternativlose Wahl. Er bringt Erfahrung mit, dem Vernehmen nach setzt er auch harte Entscheidungen um. Konsequenz und klare Worte sind sicherlich sinnvoll gegenüber einer Gruppe, die in kürzester Zeit zwei junge und überaus ambitionierte Trainer verschlissen hat, die man scheinbar immer wieder neu motivieren und auch immer wieder daran erinnern muss, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Borussia Dortmund Spiele quasi nur über die Qualität Einzelner gewonnen hat. Die mag es weiterhin geben im aktuellen Kader, als Gruppe hat der Klub aber zu oft versagt.
Kovac hat Titel und Erfolge vorzuweisen. Man erinnere sich nur an das Pokalfinale mit Eintracht Frankfurt gegen die Bayern, in dem er die Münchner gnadenlos auscoachte. Mit den Bayern holte er später das Double, aber das war auch die Station, in der er sich in Streitigkeiten mit Spielern aufrieb. Thomas Müller degradierte, Mats Hummels vergraulte er, nach dem ersten Kovac-Jahr floh er zurück nach Dortmund. Seine Stationen danach in Monaco und Wolfsburg waren von eher mauem sportlichen Erfolg geprägt.
Grobe Fehleinschätzung zum BVB-Kader
Nach einem knappen Jahr Pause wird Kovac seine Akkus aufgeladen haben – und es ist klar, dass er alle Kraft und Kreativität benötigen wird angesichts der Vielfalt der Probleme. Ob dem neuen Trainer noch Transfers an die Hand gegeben werden könnten, sei alles andere als sicher, erklärte Sportdirektor Sebastian Kehl nach dem Spiel. Das allein wäre Wahnsinn angesichts der Tatsache, dass ja intern Konsens ist, sich mit der Verkleinerung des Kaders im vergangenen Sommer eine grobe Fehleinschätzung geleistet zu haben und in Donyell Malen ja noch ein weiterer Spieler den Klub verlassen hat.
Doch die Kadergröße ist nur eine der großen Schwachstellen. Die Gruppe ist auch noch inhomogen zusammengestellt, mit erkennbaren Lücken hinten links, auf dem offensiven Flügel und im defensiven Zentrum, und sie funktioniert als Mannschaft nur unzuverlässig. Attraktiveren Fußball spielen zu lassen, wäre erst ein weiterer Schritt. Ein klares System mit festen Rollen und definierten Abläufen genießt Priorität.
BVB-Geschäftsführer Ricken muss durchgreifen
Vielleicht wird sich Kovac schnell wundern, auf welches Himmelfahrtskommando er sich da eingelassen hat. Sobald die Transfer-Deadline am kommenden Montag vorüber ist, werden weitere klare Entscheidungen vom neuen Geschäftsführer Sport, Lars Ricken, erwartet. Das Klima auf der Geschäftsstelle soll frostig sein, die Zusammenarbeit zwischen Sportdirektor Sebastian Kehl und Sven Mislintat ein reines Zweckbündnis, oftmals nicht mit der gleichen Blickrichtung bei strategischen Entscheidungen. Das strahlt direkt in den sportlichen Bereich aus. Doch personelle Konsequenzen dürften nicht nur den auf der Kippe stehenden Technischen Direktor Sven Mislintat betreffen. Sogar der ganz große Knall ist möglich.
In diesem turbulenten Umfeld wird Kovac kühlen Kopf bewahren, die Spieler von sich und seiner Arbeit überzeugen und sofort Ergebnisse erzielen müssen. Hört sich nach Kamikaze bei einem akut abstiegsbedrohten Klub an, ist aber bittere Realität beim Großklub Borussia Dortmund.