
Gedrückte Stimmung am Dienstagvormmitag. Die BVB-Spieler auf dem Weg ins Atheltikzelt. © Kirchner-Media
Haller-Erkrankung: Gedrückte BVB-Stimmung – sportlicher Plan über den Haufen geworfen
Borussia Dortmund
Mit großer Euphorie ist Borussia Dortmund in die Vorbereitung gestartet – doch die Erkrankung von Sebastien Haller bremst diese jäh aus. BVB-Trainer Edin Terzic muss sportlich komplett umplanen.
Um Punkt 10 Uhr betritt Peter Hermann den Rasen auf der Dortmunder Trainingsanlage „Ri-Au“, in der Hand etliche Stangen und Hütchen. Der Co-Trainer baut die Übungseinheit für diesen Morgen auf, vornehmlich die Spieler, die am Montagabend beim 1:3 gegen Valencia nicht oder nur kurz zum Einsatz gekommen sind, werden später auf dem Platz zu sehen sein.
In zehn Tagen steht für das BVB das erste Pflichtspiel an
Das ist das Stück Normalität an diesem Vormittag. Der straffe Zeitplan duldet kein Innehalten, am Freitag steht der letzte Test an, in gut einer Woche das erste Pflichtspiel. „Jeder Tag zählt“, hat Trainer Edin Terzic in diesen Tagen in der Schweiz mehrfach wiederholt.

BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl (r.) im Gespräch mit Mannschaftsarzt Dr. Markus Braun (l.) und Geschäftsführer Carsten Cramer. © Kirchner-Media
Doch die Tumor-Entdeckung bei Stürmer-Neuzugang Sebastian Haller hat auch in der Mannschaft und beim gesamten Staff für einen Schock-Zustand gesorgt, der auch nach einer Nacht Schlaf noch anhält. Die Stimmung ist gedrückt, wo sonst gescherzt und geflachst wird, herrscht eher betretenes Schweigen. Die Mienen spiegeln die Stimmung wider: Ernst und in sich gekehrt sind die meisten. Erfahren hat der Kader vom Tumor-Fund in einem Hoden des Torjägers erst nach dem Spiel in Altach.
„Die Woche lief bis gestern hervorragend. Ich habe es dann eine halbe Stunde vor Abfahrt erfahren. Es war nicht leicht, den Switch zu finden. Wir haben versucht, so professionell wie möglich damit umzugehen. De Diagnose steht noch aus, wir drücken Sebastien und der gesamten Familie die Daumen“, sagte Terzic am Dienstagmittag während einer Medienrunde.
BVB-Profis senden Genesungswünsche an Sebastien Haller
Haller war schon am späten Montagnachmittag abgereist, bei weitergehenden Untersuchungen in einer Spezialklinik muss in den kommenden Tagen abgeklärt werden, wie die weitere Behandlung erfolgt, was maßgeblich davon abhängt, welches Ergebnis die Probenentnahme bringt. Bei einem bösartigen Tumor wäre eine Operation mit anschließender Chemotherapie wohl unausweichlich, doch das ist im Augenblick nur bloße Spekulation. Am Dienstagvormittag meldet sich der Stürmer dann persönlich, bedankte sich für „die vielen Botschaften der Unterstützung“, er werde sich nun voll auf seine Genesung konzentrieren, um dann stärker zurückzukommen.
Gedrückte Stimmung beim BVB-Training am Dienstag in Bad Ragaz
Vor der Einheit am Dienstag versammelt sich der komplette BVB-Tross im Fitness-Zelt, Sportdirektor Sebastian Kehl ist dabei, Marketing-Direktor Carsten Cramer, die medizinische Abteilung um Teamarzt Dr. Markus Braun, selbst Busfahrer Christian Schulz. Ein Teamfoto mit allen wird gemacht, extra für Haller, „wir sind in Gedanken bei Dir“, schreibt Kapitän Marco Reus später zu dem Bild in den sozialen Medien.
Sportlicher BVB-Plan wird komplett über den Haufen geworfen
Es gilt aber auch, sich einzuschwören auf die schwierige Situation, die mental für alle Spieler belastend ist, die aber auch sportlich gravierende Auswirkungen mit sich bringt. Denn in der großen Bestürzung und Betroffenheit müssen Terzic und seine Co-Trainer nun Lösungen für die schwierige Situation finden. Mit Youssoufa Moukoko steht nur noch ein „echter“ Mittelstürmer im Kader, selbst er fühlt sich eigentlich noch wohler, wenn er sich auch mal zurückfallen oder auf die Halbpositionen ausweichen kann. Das Experiment mit einer „falschen Neun“ hat in der Vergangenheit nur sporadisch funktioniert, wurde vom BVB einst für gescheitert erklärt und mit der Verpflichtung von Erling Haaland beendet. In Haller wurde der perfekte Haaland-Ersatz mit Konsequenz und großem finanziellen Aufwand verpflichtet.
Dieser Plan wird nun komplett über den Haufen geworfen. Für Terzic ist die Schock-Diagnose so oder so der erste herbe Rückschlag in seiner Amtszeit als Cheftrainer. Er hat am Anfang der Vorbereitung darüber gesprochen, wie alle Trainer der Bundesligisten mit einem guten Plan für ihre Mannschaften in die Saison gehen würden. „Und dann kommt irgendwann die Realität dazwischen.“ Dass er so schnell davon eingeholt werden würde, hat niemand ahnen können.
BVB-Trainer Terzic: „Werden im Training einige Dinge ausprobieren“
„Über die sportliche Themen“, so Terzic, „habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wir wissen nicht, wie lange Sebastien ausfällt. Wir müssen uns auf eine lange Saison vorbereiten, werden im Training einige Dinge ausprobieren.“
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
