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Gehaltsobergrenze im Profifußball: Realitätsnah oder Wunschtraum?
Pro und Contra
In der Corona-Krise rückt eine Gehaltsobergrenze für Borussia Dortmund und Co. in den Fokus. Doch ist ein solches Finanzkonzept tatsächlich sinnvoll? Unser Pro und Contra.
DFL-Chef Christian Seifert sagte nun in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Wenn es möglich ist, Managergehälter zu deckeln, dann muss es auch möglich sein, Gehälter von Beratern und Spielern zu deckeln.“ Wir diskutieren: Ist eine Gehaltsobergrenze im Profifußball der richtige Ansatz?
Pro: Bescheidenheit und Demut ist angebracht (Von Dirk Krampe)
Nicht mit allen seinen Aussagen in der Coronakrise traf Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke den Nerv der Allgemeinheit, ein Satz von ihm am Dienstagabend im ZDF bei „Markus Lanz“ dürfte allerdings breite Zustimmung erfahren. Im Fußball, sagte Watzke in der Talk-Sendung, müsse sich, wenn das Virus dann einmal besiegt ist, einiges ändern. Man müsse wieder „puristischer werden“. Watzke monierte konkret „die Sachen wie Gold-Steak-Geschichten und die ganze Protzerei“.
Mit dem Privatflieger ins Urlaubsparadies
„Die ganze Protzerei“ hat in der Tat Ausmaße angenommen, die jedem Normalbürger und -verdiener schwer im Magen liegen. Die aktuelle Krise hat es so deutlich gemacht wie nie zuvor: Der Ruf des Profifußballs und seiner Akteure geht den Bach runter. Die Branche hat die Bodenhaftung endgültig verloren, wenn sie für den Flug ins Urlaubsparadies einen Privatflieger für einen fünf- oder gar sechsstelligen Betrag chartert, wenn selbst eine große Garage nicht für die vier oder mehr Protz-Autos ausreicht. Und auch, wenn sie sich damit schwer tut, in einer existenzbedrohenden Krise auf 20 oder gar nur zehn Prozent ihrer Gehälter zu verzichten, wo doch am Monatsende dennoch weit mehr auf dem eigenen Konto landet, als normale Arbeitnehmer - wenn überhaupt - in mehreren Jahren verdienen.
Christian Seifert stößt ins gleiche Horn wie der Dortmunder Watzke. Und Seifert hat sogar konkrete Vorstellungen, wie ein Umdenken angestoßen werden kann. Er fordert ein Ende der astronomischen Verdienstmöglichkeiten und bringt eine Gehaltsobergrenze ins Spiel.
Das gibt Planungssicherheit für beide Parteien
Die sogenannte „Salary-Cap“, wie man sie aus dem US-Sport seit zig Jahren kennt, soll zum einen für Transparenz und größere Ausgeglichenheit sorgen, Vereine aber vor allem darin beschneiden, nachhaltig über ihre Verhältnisse zu leben. Ein anderer Punkt in diesem System ist allemal interessant: Denn neben Gehaltsobergrenzen ist im Salary-Cap auch festgelegt, wieviel junge Spieler, die neu in die Liga kommen, in ihren ersten Jahren maximal verdienen dürfen und welchen Mindestlohn Vereine ihren kickenden Angestellten zahlen müssen. Das gibt Planungssicherheit für beide Parteien.
Es ist ein Ansatz, der zumindest überdenkenswert ist, auch wenn das System in Amerika genügend Schlupflöcher lässt, um im Wettbieten um die Top-Spieler über andere Wege großzügige Zuwendungen (Stichwort: Handgelder) zu verteilen. Doch das bekannte Sprichwort „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich‘s gänzlich ungeniert“, der gilt nach Corona nicht mehr. Ein wenig mehr Bescheidenheit und Demut ist angebracht - und Hunger leiden müsste auch nach einer grundlegenden Reform der Gehälter im Profifußball keiner der Spieler.
Contra: Vernunftsuntergrenze statt Gehaltsobergrenze (Von Tobias Jöhren)
Es heißt häufig, jede Krise habe auch ihr Gutes. Und nach allem, was in den vergangenen Wochen so zu hören war, soll das wohl auch für den Fußball gelten. Erst einmal ginge es darum, diese Krise zu überstehen, sie wirtschaftlich „zu überleben“, danach komme die Gesundung. Vieles soll besser werden im Fußball, versprechen Funktionäre, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist. Bodenständiger. Stabiler. Nachhaltiger. Uli Hoeneß erwartet gar eine gänzlich „neue Fußballwelt“.
Millionensummen werden hin- und hergeschoben
Eine Gehaltsobergrenze wird diese neue Fußballwelt, so sie denn wirklich vor der Tür stehen sollte, nicht brauchen - mal abgesehen davon, dass eine Übertragung eines amerikanischen Salary-Cap-Modells auf den transnationalen europäischen Fußballmarkt eigentlich unmöglich umsetzbar wäre und es dann immer noch zu viele Schlupflöcher gäbe, um Millionensummen hin- und herzuschieben. Außerdem sollte niemand glauben, die großen Stars und Topverdiener des US-Sports führten ein ärmeres, demütigeres und bodenständigeres Leben als die großen Stars und Topverdiener des Fußballs.
Deutlich sinnvoller als eine Gehaltsobergrenze wäre eine Vernunftsuntergrenze im Profifußball, mit ihr würden sich viele Probleme von selbst lösen. Es zeigt sich ja gerade sehr deutlich, welche Vereine in der Corona-Krise am längsten durchhalten: Es sind die Klubs, die in den vergangenen Jahren am besten gewirtschaftet haben.
Der BVB ging einst gestärkt aus einer finanziellen Krise heraus
Dabei ist es eigentlich egal, wie hoch die Summen sind, mit denen zukünftig jongliert wird. Unter dem Strich darf halt nicht mehr Geld ausgegeben werden als eingenommen wird. Darüber hinaus schadet es nie, für schlechte Zeiten ein bisschen was an die Seite zu legen. Je höher die Kosten, desto größer der Sparzwang für die nächste Krise. Kleines Einmaleins. Als Nachhilfe für die Klubs könnte das Lizensierungsverfahren in der Bundesliga, das schon ein gutes Instrument ist, zukünftig noch verschärft werden. Wenn die Klubs nicht von allein auf die Idee kommen, dass Rücklagen eine sinnvolle Sache sind, sollten sie vielleicht stärker zur Bildung eben dieser gedrängt werden.
Borussia Dortmund hat vor 15 Jahren tatsächlich erst eine Krise gebraucht, um in der Folge wieder ein wirtschaftlich gesunder Verein zu werden. Vielleicht wird es andernorts nun auch so kommen. Denn bei allem nachvollziehbaren Streben nach maximalem sportlichen Erfolg: Am Ende entscheidet jeder Klub selbst, wie viel Spielergehalt, Ablöse oder Beraterhonorar er bereit ist zu zahlen. Es müsste nur häufiger und mutiger „Nein“ gesagt sowie konsequenter nach alternativen Erfolgsmodellen geschaut werden, beispielsweise bei den Talenten in der eigenen Nachwuchsabteilung. Dann hätte diese Krise in der Tat auch ihr Gutes.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.

Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
