Emre Can als Gesicht des BVB-Aufschwungs „Ich wollte zeigen, wie gut ich sein kann“

Emre Can als Gesicht des BVB-Aufschwungs: „Ich wollte zeigen, wie gut ich sein kann“
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Gleich zwei Mal in den knapp 60 Minuten „Brinkhoffs Ballgeflüster“ erinnerte Emre Can am Montagabend an einen Fakt, der jedem BVB-Anhänger, der mit der Borussia im Titel-Endspurt mitfiebert, bewusst sein dürfte: „Neun Punkte“, meinte Can fast beschwörend zu den rund 100 Gästen in der Event Location „Herr Walter“ im Dortmunder Hafen, „sind noch zu vergeben. Wir wissen, wie schwierig es werden wird, drei Mal zu gewinnen. Aber wir glauben daran, dass wir dann eine große Chance auf die Meisterschaft haben.“

BVB-Start für Emre Can holprig

Im Januar 2020 schloss sich Can dem BVB an, der Wechsel von Juventus Turin am letzten Tag der Winter-Transferperiode erregte auch deshalb Aufmerksamkeit, weil Borussia Dortmund in jener Winterpause nichts unversucht lassen wollte, um in der Rückrunde die nur drei Zähler vor Dortmund liegenden Bayern anzugreifen. Schon im Dezember 2019 hatte der BVB deshalb einen talentierten Stürmer von RB Salzburg geholt, der dort für viel Furore gesorgt hatte. Im Januar dann für ebenfalls rund 20 Millionen Euro Ablöse Can. Das war ein bemerkenswert tiefer Griff ins Portemonnaie.

Vom gebürtigen Frankfurter war in den folgenden Wochen weniger zu sehen und zu hören. Ein gewisser Erling Haaland bestimmte die Schlagzeilen, die norwegische Urgewalt brauchte nicht lange, um nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Bei Can war das anders, dabei war er der Spieler mit den weitaus größeren Meriten. Ausgebildet in Frankfurt und München, führte ihn seine Profikarriere an illustre Fußball-Orte mit großer Tradition. Emre Can spielte für den FC Liverpool, er spielte für Juventus in Turin. Doch in Dortmund tat sich der heute 29-Jährige eigentlich von Tag eins an schwer.

Emre Can gibt sich selbstkritisch

Und das blieb über mehr als zweieinhalb Jahre so. Zu Beginn der WM-Pause im November wurde mehr als hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, dass sich die Wege im Sommer wieder trennen könnten – ein Jahr vor Vertragsende, denn das hätte dem BVB noch eine Ablöse in die Kassen gespült. Auch Can selbst war unzufrieden. „Meine Hinrunde war nicht gut“, gestand er Moderator Norbert Dickel, „das habe ich eingesehen. Ich habe wenig gespielt, das habe ich auch verstanden. Ich habe mit meinen Freunden darüber in der Pause sehr intensiv gesprochen. Ich habe mich runterziehen lassen von Dingen, die ich nicht beeinflussen konnte.“

Karim Adeyemi und Emre Can reden miteinander.
Emre Can (rechts) ist ebenso wie Karim Adeyemi eines der Gesichter des BVB-Aufschwungs. © picture alliance/dpa

Can nutzte die lange Pause – und konzentrierte sich auf die Dinge, die er regeln konnte. Vollgas in jedem Training, eine positive Ausstrahlung. „Ich wollte vor allem mir selbst zeigen, wie gut ich sein kann.“ Heute ist Emre Can nicht nur eins von vielen Gesichtern der starken Dortmunder Rückrunde. Der Aufschwung ist sehr eng mit seiner Person verknüpft. In 17 der 19 Pflichtspiele des Jahres war er dabei, in 16 stand er in der Startelf. Was dann von ihm erwartet wurde? „Dazwischenhauen, wenn es nötig ist. Meine Aufgabe ist es, Zweikämpfe zu führen. Manchmal“, und dafür erntete er Gelächter, „klappt es sogar ohne Foul.“

Emre Can schwört auf die Kochkünste seiner Frau

Can hat sich auf seine Stärken besonnen. Unnötige Dribblings sieht man von ihm seltener, haarsträubende Fehlpässe ebenso. Und er wirkt fit wie selten zuvor. Mit den Physiotherapeuten habe er darüber erst kürzlich gesprochen, verriet Can: „Ich spüre keine Ermüdungserscheinungen, selbst nicht nach drei Partien in einer Woche.“ Das führt er auf eine gute Regeneration zurück – und die Kochkünste seiner Frau. Jetzt wissen es auch alle BVB-Anhänger: „Ich mag kein Gemüse!“

Der Verkaufskandidat Emre Can ist zum festen Bestandteil dieser Mannschaft mutiert, die Perspektive über 2024 hinaus ist da. Can kann aus einer gestärkten Position in die Verhandlungen gehen, doch das ist momentan nicht das Thema. Gesprochen wird im Sommer, wenn die Saison vorbei ist. Mit der Rück-Eroberung seines Stammplatzes hat sich Emre Can mit einer großen Selbstverständlichkeit zu einem Führungsspieler aufgeschwungen. Das entspricht seinem Naturell. Aufgewachsen in einer rauen Gegend in Frankfurt lernte Emre Can früh, sich zu behaupten. Führen will er auf dem Platz und in der Umkleide. Kein Zufall, dass er es ist, der vor dem Spiel meistens die Mitspieler zusammenruft. Er ist auch in der Kabine einer der Lautsprecher.

Emre Can ist sich sicher, was er am 27. Mai spätnachmittags machen wird. Er werde dann mit dem BVB die Meisterschaft feiern. Das 6:0 gegen den VfL Wolfsburg „war ein Statement von uns“, sagt Emre Can. Und er wiederholt: „Wir sind ein Punkt dahinter. Und noch neun sind zu vergeben.“

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